16 August, 2018
Das Bundesverfassungsgericht hatte im März 2017 die Verlustabzugsbeschränkung bei Kapitalgesellschaften teilweise für verfassungswidrig erklärt. Der Stein des Anstoßes: Werden innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 und bis zu 50 Prozent der Anteile an einen Erwerber übertragen, ist die daran anknüpfende Verlustabzugsbeschränkung nach Auffassung der obersten Verfassungsrichter mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar. Finanzverwaltung und Gesetzgeber haben inzwischen reagiert. Zum einen wurde im November 2017 ein finales Anwendungsschreiben seitens des BMF veröffentlicht.
Im Zuge einer für 2018 geplanten Gesetzesänderung wird seitens des Gesetzgebers versucht, den Vorgaben des Verfassungsgerichts nachzukommen und bis zum 31. Dezember 2018 die entsprechende Gesetzesanpassung vorzunehmen. Der betreffende Entwurf eines „Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ wurde inzwischen vom Bundeskabinett beschlossen. Weitere Veränderungen befindet sich jedoch in der Warteschleife: Auch Übertragungen von mehr als 50 Prozent stehen mittlerweile im Fokus der Verfassungsrichter.
Nach § 8c Absatz 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) gehen – vereinfacht – Verlustvorträge einer Körperschaft bei einer Übertragung innerhalb von 5 Jahren von mehr als 25 Prozent bis zu 50 Prozent des gezeichneten Kapitals/ der Stimmrechte an der Körperschaft (§ 8c Satz 1 KStG a.F. – Variante 1) teilweise, bei einer Übertragung von mehr als 50 Prozent des gezeichneten Kapitals / der Stimmrechte (§ 8c Satz 2 KStG a.F. – Variante 2) sogar vollständig unter. Nachdem das Bundesverfassungsgericht bereits mit Beschluss vom 29. März 2017 (2 BvL 6/11) hinsichtlich der Variante 1 (Beteiligungen an Kapitalgesellschaften über 25 bis zu 50 Prozent) die Verfassungswidrigkeit festgestellt hatte, wird nunmehr auch Variante 2 (Übertragungen von mehr als 50 Prozent) der höchst umstrittenen Verlustabzugsbeschränkung demnächst einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen werden. Beide Male war es das Finanzgericht Hamburg, welches den Stein ins Rollen gebracht hat. Unter anderem deswegen, weil ein sachlich einleuchtender Grund für die Ungleichbehandlung von Kapitalgesellschaften bei der Bestimmung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte im Fall eines sogenannten schädlichen Beteiligungserwerbs sowohl von mehr als 25 bis 50 Prozent als auch von mehr als 50 Prozent der Anteile fehle.
Da es sich bei der Klägerin in dem entschiedenen Verfahren um eine GmbH handelt, war die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit von § 8c KStG auch nur für die (unmittelbare) Übertragung von Anteilsrechten an Kapitalgesellschaften zu beantworten. Welche sonstigen Körperschaften und Rechtsübertragungen dem Anwendungsbereich von § 8c KStG unterfallen und wie die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift zu beurteilen ist bleibt also offen. Denn auch der zweite – derzeit noch beim Bundesverfassungsgericht anhängige – Vorlagefall des Finanzgerichts Hamburg betrifft eine Kapitalgesellschaft.
Das Finanzgericht Hamburg hat im Übrigen inzwischen mit Beschluss vom 11. April 2018 (2 V 20/18) in einem Fall der Anteilsübertragung von mehr als 50 Prozent dem Antrag eines Steuerpflichtigen zur Aussetzung der Vollziehung entsprochen und vorläufigen Rechtsschutz gewährt.
Die Richter sehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Steuerbescheids, nicht zuletzt aufgrund ihrer diesbezüglichen zweiten Vorlage an das Bundesverfassungsgericht vom August 2017. Mit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes widerspricht das Finanzgericht der gegenwärtigen Verwaltungspraxis (im Schreiben des BMF vom 15. Januar 2018), wonach in diesen Fällen für eine Aussetzung der Vollziehung kein Grund bestehe.
Der im Gesetz seit dem Veranlagungszeitraum 2016 vorgesehene § 8d KStG zielt darauf ab, dass nicht genutzte Verluste trotz eines schädlichen Beteiligungserwerbs weiterhin verwertet werden können, wenn derselbe Geschäftsbetrieb der Körperschaft später erhalten bleibt und wenn eine anderweitige Verlustnutzung ausgeschlossen ist. Im Kern greift neben der Konzernklausel und der Stille-Reserven-Klausel eine Ausnahme von den Rechtsfolgen des § 8c KStG für solche Unternehmen, bei denen für die Unternehmensfinanzierung häufig die Neuaufnahme oder der Wechsel von Anteilseignern notwendig wird. Die Inanspruchnahme der Regelung ist antragsgebunden und nur möglich, wenn die Körperschaft seit ihrer Gründung oder zumindest in den drei Veranlagungszeiträumen vor und dem Veranlagungszeitraum des schädlichen Beteiligungserwerbs im Sinne des § 8c KStG ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhält und während dieses Zeitraums weder Organträger noch an einer Mitunternehmerschaft beteiligt ist. Die Anwendung der Regelung ist für Verluste ausgeschlossen, die erzielt wurden, bevor der Geschäftsbetrieb in der Vergangenheit eingestellt oder ruhend gestellt wurde. Der festgestellte fortführungsgebundene Verlust kann in den folgenden Jahren im Rahmen der Mindestbesteuerung mit Gewinnen verrechnet werden.
In seinem Schreiben vom 28. November 2017 äußert sich das BMF zum unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerb sowie erstmals zur Konzernklausel und zur Stille-Reserven-Klausel.
Auch die Folgen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 29. März 2017 zu Variante 1 (Übertragungen von mehr als 25 Prozent bis zu 50 Prozent) werden in dem ministeriellen Schreiben besprochen.
Die Richter sehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Steuerbescheids, nicht zuletzt aufgrund ihrer diesbezüglichen zweiten Vorlage an das Bundesverfassungsgericht vom August 2017. Mit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes widerspricht das Finanzgericht der gegenwärtigen Verwaltungspraxis (im Schreiben des BMF vom 15. Januar 2018), wonach in diesen Fällen für eine Aussetzung der Vollziehung kein Grund bestehe.
Dem vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 29. März 2017, 2 BvL 6/11 erteilten Auftrag zur rückwirkenden Neuregelung des Verlustabzugs für Kapitalgesellschaften bei einer Anteilsübertragung von mehr als 25 Prozent bis zu 50 Prozent für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2015 soll nach dem mittlerweile vorliegenden Kabinettsbeschluss für ein „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ in der Weise nachgekommen werden, dass § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG auf schädliche Beteiligungserwerbe von mehr als 25 Prozent bis 50 Prozent vor dem 1. Januar 2016 (Stichtag der Einführung des § 8d KStG) nicht mehr anzuwenden ist. Eine rückwirkende Neuregelung als Ersatz für die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestufte Regelung ist nicht vorgesehen.
Die Nichtanwendung der Regelung betrifft ausschließlich den partiellen Verlustuntergang bei Beteiligungserwerben von mehr als 25 Prozent bis 50 Prozent. Nicht eingeschränkt wird der vollständige Verlustuntergang nach § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG bei Beteiligungserwerben von mehr als 50 Prozent. Hierzu ist – wie bereits erwähnt - derzeit ein weiteres Verfahren unter dem Az. 2 BvL 19/17 beim Bundesverfassungsgericht anhängig.
Die Richter sehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Steuerbescheids, nicht zuletzt aufgrund ihrer diesbezüglichen zweiten Vorlage an das Bundesverfassungsgericht vom August 2017. Mit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes widerspricht das Finanzgericht der gegenwärtigen Verwaltungspraxis (im Schreiben des BMF vom 15. Januar 2018), wonach in diesen Fällen für eine Aussetzung der Vollziehung kein Grund bestehe.
Mit der anstehenden Gesetzesänderung wird jedoch lediglich eine „kleinstmögliche“ Anpassung des Gesetzes vorgenommen, bei der – so scheint es - offensichtlich davon ausgegangen wird, dass das Inkrafttreten des erweiterten fortführungsgebundenen Verlustvortrags in § 8d KStG ab 2016 die Verfassungswidrigkeit von § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG beseitigt. Ob dies tatsächlich der Fall ist, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner oben genannten Entscheidung allerdings offengelassen.