Umgang mit Governance im öffentlichen Sektor

PwC-Studie 2022: Ausgestaltung von Risikomanagementsystemen, internen Revisions-/Kontrollsystemen und Compliance-Management-System

Ihr Experte für Fragen

Björn Blischke

Björn Blischke
Director bei PwC Deutschland
E-Mail

Signifikante Verbesserungspotenziale bei Governance-Systemen im öffentlichen Sektor

Public Corporate Governance betrachtet sowohl die (externe) Steuerung und Überwachung von Organisationen mit selbständiger Wirtschaftsführung durch die politischen Organe einer Gebietskörperschaft und die Verwaltung als auch die Leitung in den Organisationen.

In diesem Zusammenhang sind Entscheidungsträger:innen und Aufsichtsorgane des öffentlichen Sektors einem stetig steigenden Risiko ausgesetzt, geltenden Anforderungen und Regelungen – durchaus unbeabsichtigt – nicht ausreichend nachzukommen bzw. nicht ausreichend für deren Einhaltung zu sorgen und die Einhaltung zu überwachen und damit auch Sorgfaltspflichten zu gefährden. Infolge von Verstößen kommt es immer wieder zu Reputationsverlusten, Geldstrafen, strafrechtlichen Konsequenzen oder sogar Politikverdrossenheit bei den Bürgerinnen und Bürgern.

In diesem immer unübersichtlicher werdenden Umfeld gilt es, Systeme zu schaffen, die dazu beitragen, die Einhaltung der externen und internen Anforderungen zu jedem Zeitpunkt zu gewährleisten.

„Im öffentlichen Sektor in Deutschland sind Governance-Systeme, wie bspw. das interne Kontrollsystem, ein Risikomanagementsystem oder ein Compliance-Management-System bislang jedoch noch nicht überall im Einsatz.“

Marco Galioto,Partner bei PwC Deutschland

Die Studie im Überblick

PCGKs sind als Policy-Instrument und Governance-Mechanismus von zentraler Bedeutung zur Erreichung von Politik- und Organisationszielen 

Ziel der gemeinsame Studie vom Lehrstuhl für Public Management & Public Policy, Zeppelin Universität Friedrichshafen, und der PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist, den Umgang öffentlicher Unternehmen mit Governance sowie dem Comply-or-Explain-Prinzip zu analysieren. Dazu wurden drei Teilziele definiert:

1. Empirische Analyse der Qualität von Entsprechenserklärungen und Identifizierung beispielgebender Entsprechenserklärungen mit sachgerechten Abweichungsbegründungen

2. Untersuchung der Regelungsqualität von PCGKs zum Comply-or-Explain-Prinzip

3. Analyse der Regelungsqualität von Governance-Systemen im Regelungsfeld „Risikomanagementsystem, internes Revisions-/Kontrollsystem und Compliance-Management-System

Nachhaltige Förderung der Reflexion über die Governance-Praxis im öffentlichen Sektor und die Schaffung einer reflektierten Führungskultur

Mittlerweile wurden in Deutschland seit 2005 von rund 60 Gebietskörperschaften auf allen föderalen Ebenen jeweils unterschiedliche PCGKs mit dem Ziel eingeführt, die Steuerung, Überwachung, Leitung und Transparenz öffentlicher Unternehmen weiter zu verbessern. Viele weitere Gebietskörperschaften befassen sich aktuell mit der Einführung eines PCGK oder haben vor Kurzem einen PCGK eingeführt.

Allerdings ist auffällig, dass international anerkannte Standards in den einzelnen Regelungsfeldern sehr unterschiedlich und einschlägige Anforderungen bislang vielerorts noch nicht hinreichend erfüllt sind. Kein PCGK weist durchgängig einen hohen Grad der Aufnahme international anerkannter Governance-Standards auf.

Vielfach wird gefordert, die Qualität der Entsprechenserklärungen stärker zu untersuchen. Die Befunde zeigen, dass Entsprechenserklärungen häufig nicht veröffentlicht werden und unübersichtlich und mit unzureichenden Abweichungsbegründungen formuliert sind.

Das Comply-or-Explain-Prinzip ist bislang nur unzureichend in PCGKs verankert und wird zudem in der Praxis noch nicht mit einem vollumfassenden Verständnis gelebt. Daher empfiehlt es sich, die Abweichungskultur stärker zu verinnerlichen, zu leben und insgesamt mehr zu kommunizieren.

Governance Öffentlicher Sektor: Verfügbarkeit der Entsprechenserklärungen der untersuchten PCGKs

Entsprechenserklärungen

Anforderungsgerechte Entsprechenserklärungen mit begründeten Abweichungen sind ein wichtiger Gewinn für die Public Corporate Governance. Die Abweichungskultur muss nach den Befunden gerade im Feld von öffentlichen Unternehmen noch mehr verinnerlicht, gelebt und kommuniziert werden.

Comply-or-Explain

Die repräsentative Analyse der Qualität der Umsetzung des Comply-or-Explain-Prinzips zeigt, dass Entsprechenserklärungen öffentlicher Unternehmen häufig nicht veröffentlicht werden sowie häufig unübersichtlich und mit unzureichenden Abweichungsbegründungen formuliert sind.

Das Comply-or-Explain-Prinzip sieht ausdrücklich vor, von Empfehlungen situationsgerecht abweichen zu können. Eine Abweichung von einer Empfehlung ist nicht als Mangel zu verstehen; sie ist in begründeten Fällen Ausdruck guter Public Corporate Governance. Abweichungen müssen vom Aufsichts- und Geschäftsführungsorgan jährlich in einer Entsprechenserklärung veröffentlicht und die Abweichung bzw. die stattdessen gewählte Lösung nachvollziehbar begründet und offengelegt werden.

Erkenntnisse hinsichtlich Governance-Systeme

Governance-Systeme werden nicht so eindeutig und umfassend in den PCGKs erwähnt, wie es der Musterkodex vorsieht oder auch, wie es in der Privatwirtschaft üblich ist. Obwohl der Deutsche Public Corporate Governance Musterkodex (D-PCGM) empfiehlt, dass sich u.a. der Prüfungsausschuss mit der Angemessenheit und Wirksamkeit der Governance-Systeme beschäftigen soll, wird insbesondere das Thema der Wirksamkeit nicht in den PCGKs aufgegriffen.

Bezüglich der Implementierung eines Risikomanagementsystens (RMS)  gibt es insgesamt die meisten Vorgaben. Dies liegt ggf. auch daran, dass bereits über die Gesetzgebung entsprechende Vorgaben zur Implementierung eines RMS gegeben sind. Allerdings finden sich keinerlei konkrete Ausarbeitungen, wie ein RMS ausgestaltet werden soll. Zudem wird auf die Wirksamkeit eines RMS in keinem Fall eingegangen. Es wird zudem auch deutlich, dass die Gebietskörperschaften keine Aussagen zum Internen Kontrollsystem (IKS) aufführen. Die Frage der Transparenz der Risikosituation stellt sich demnach nicht nur aus einer mangelnden Betrachtung eines wirksamen RMS, sondern auch durch die fehlende Betrachtung der Qualität des IKS.

Obwohl bei etwas mehr als der Hälfte durch die Geschäftsführungsorgane für ein wirksames Internes Revisionssystems (IRS)  gesorgt wird, sind die Unabhängigkeit, die Abstimmung der Prüfaufträge und die Berichterstattung deutlich schwächer aufgestellt. Fraglich ist daher, wo es ein IRS gibt, prüft dieses risikoorientiert oder erfolgt die Prüfung nach anderen Kriterien?

Zwar scheint für mehr als die Hälfte der befragten Gebietskörperschaften ein Compliance-Management-System (CMS) vorhanden zu sein, die Einhaltung und Durchsetzung des CMS durch eine separate Stelle oder aber die Möglichkeit, Compliance Verstöße ohne Konsequenzen melden zu können, sind deutlich unterrepräsentiert. Fraglich ist daher zunächst, wie effektiv ein solches CMS ist und ob es tatsächlich zur Einhaltung und Durchsetzung von Vorschriften und Richtlinien geeignet ist.

Ausblick der Studie

Die Studie zeigt auf, dass ein adäquat ausgestalteter und umgesetzter PCGK explizit keine überflüssige Bürokratie schafft, sondern klare und nützliche Informationen für das Zusammenwirken der Akteure/-innen, das Beteiligungsmanagement und mehr Transparenz liefert. Aufgrund der besonderen Verantwortung öffentlicher Unternehmen sollte sich das Bewusstsein zusätzlich ausbreiten und von den Verantwortlichen wirksam darauf hingewirkt werden, dass Aufsichtsräte und Geschäftsleitungen die Formulierung und Veröffentlichung der Entsprechenserklärung in struktureller Gesamtsicht noch mehr zur systematischen Reflexion und Weiterentwicklung der Governance-Praxis nutzen. PCG ist für die Zukunft von öffentlichen Unternehmen bezüglich der Staats- und Verwaltungsmodernisierung, aufgrund ihrer empirisch belegten Problemlagen und ihrer Anzahl und Aufgaben, ein Schlüsselthema.

„Ein gut durchdachter PCGK trägt zu einer Sensibilisierung hinsichtlich Governance bei und kann die Etablierung angemessener und wirksamer Governance-Systeme signifikant unterstützen und somit zur Weiterentwicklung beitragen.“

Björn Blischke, Director bei PwC Deutschland

Die Methodik

Zur Analyse sind Gebietskörperschaften von allen föderalen Ebenen und aus jedem Bundesland vertreten. Durch diese Auswahl ist gewährleistet, dass ein bundesweiter repräsentativer Querschnitt relevanter Unternehmen bedeutender Gebietskörperschaften berücksichtigt und verallgemeinerungsfähige Erkenntnisse erlangt werden können.

PwC-Studie Governance im Öffentlichen Sektor: Anzahl der untersuchten PCGKs
Follow us

Contact us

Marco Galioto

Marco Galioto

Partner, Governance, Risk & Compliance, PwC Germany

Björn Blischke

Björn Blischke

Director, Risk Assurance Solutions – Internal Audit & GRC, PwC Germany

Prof. Dr. Rainer Bernnat

Prof. Dr. Rainer Bernnat

Partner, Leiter Öffentlicher Sektor, Strategy&, PwC Germany

Tel.: +49 170 2238414

Hide