ChatGPT: Einfacher Chatbot oder Revolution für Operations?

24 Februar, 2023

Im November 2022 öffnete OpenAI die Betaversion von ChatGPT für alle registrierten Nutzer:innen. Der Chatbot auf Basis des Sprachmodells GPT 3.5 wurde damit weltweit zum Gesprächsthema. In Anbetracht der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des Tools stellt sich zugleich immer mehr die Frage, wie Unternehmen das Potenzial der KI mehrwertstiftend nutzen können. 

Während einige Use Cases auf der Hand liegen, erschließen sich andere nicht auf den ersten Blick. Nachdem ChatGPT die Einstiegshürde für erste Experimente mit einer solchen generativen KI eklatant gesenkt hat, lohnt es sich in jedem Fall, sich damit auseinanderzusetzen. Daher zeigen wir an dieser Stelle, welche Chancen die Technologie für den operativen Unternehmensbereich birgt. 

Das Wichtigste in 30 Sekunden

  • ChatGPT eröffnet Unternehmen die Möglichkeit, schnell skalierbare KI-Use-Cases für den operativen Geschäftsbetrieb zu entwickeln.
  • Vielversprechende Anwendungsfälle bieten sich unter anderem in den Bereichen Beschaffung, Forschung und Entwicklung (F&E) sowie Smart Manufacturing.
  • Um aussichtsreiche Use Cases zu erschließen, braucht es die richtige Strategie für Ideenfindung, Prototyping, Testing und Umsetzung.

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Andreas Odenkirchen
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Eine Technologie, viele Facetten

OpenAI ist ein amerikanisches Forschungslabor für künstliche Intelligenz, das Ende 2015 unter anderem von Elon Musk, Peter Thiel und Sam Altman mit dem erklärten Ziel gegründet wurde, KI so zu erforschen und zu entwickeln, dass sie der gesamten Menschheit zugutekommt. 2019 änderte OpenAI seine Charta von „Non-Profit“ in „For-Profit“ beziehungsweise „Capped-Profit“ – das bedeutet, dass jede Investition in die Organisation maximal das 100-fache einbringen darf.

ChatGPT ist lediglich das Jüngste in einer ganzen Reihe leistungsfähiger Machine-Learning-Produkte von OpenAI. Die Organisation hat den Chatbot erheblich verbessert, indem sie ihn auf einer größeren Datenbank (die größtenteils auf vielen Milliarden Webseiten basiert und damit auch digitalisierte Büchern, Artikel und Wikipedia-Einträge umfasst) sowie erweiterten internen Parametern trainiert hat. Das System baut auf den GPT-Modellen auf und wurde speziell als Chatbot trainiert. Es soll dementsprechend mehrere Runden von Benutzerfeedback und wechselseitige Interaktionen verarbeiten können.

Zum Portfolio von OpenAI gehören unter anderem folgende Lösungen:

  • OpenAI Gym, eine 2016/2017 veröffentlichte Plattform für die Entwicklung und den Abgleich von Algorithmen für bestärkendes Lernen, die eine Standard-API für die Kommunikation zwischen Lernalgorithmen und Umgebungen bietet. 
  • DALL-E 2, ein Text-Bild-Synthesizer, der in der zweiten Jahreshälfte 2022 veröffentlicht wurde. Das System erstellt Bilder aus einer textbasierten Eingabe. Der Name der Software ist ein Kofferwort aus den Namen der animierten Pixar-Roboterfigur WALL-E und des spanischen Künstlers Salvador Dalí. DALL-E 2 wird bereits monetarisiert.
  • Whisper ist ein hochmodernes Machine-Learning-Modell für Spracherkennung (derzeit hauptsächlich in Englisch). Es ermöglicht die Transkription in mehreren Sprachen sowie die Übersetzung aus diesen Sprachen ins Englische. Dabei soll es nach eigenen Angaben andere Modelle bei bestimmten Aufgaben um bis zu 50 % übertreffen.

ChatGPT für operative Herausforderungen zum Leben erwecken

Bevor Unternehmen mit ChatGPT den Geschäftsalltag vereinfachen und Mitarbeitende, Partner sowie Kunden mit einer neuen User Experience begeistern, gilt es einige Überlegungen anzustellen. 

Das Wichtigste zuerst: Unternehmen müssen eindeutige Anwendungsfälle definieren, um die erforderlichen Datensätze auf Basis bestehender ERP-Systeme wie SAP S/4HANA oder Oracle auszuwerten. Damit stellen sie sicher, dass ChatGPT nicht nur auf unternehmens- und funktionsspezifische Formulierungen und Sprache trainiert wird, sondern auch richtige Dialoge generiert. Wenn beispielsweise eine operative Unterstützung für die Beschaffungsfunktion angedacht ist, muss ChatGPT Zugriff auf die richtigen Abteilungskürzel und zugrundeliegende Bestelldaten haben.

Unternehmen sollten die gebotenen Möglichkeiten dabei voll ausschöpfen. Es ist das erste Mal, dass sie die Chance bekommen, generative KI-Anwendungsfälle mit ChatGPT einfach zu etablieren – der Fokus muss daher auf den Chancen liegen. Nur so gelingt der Schritt in Richtung Arbeitsplatz der Zukunft. Mit einem richtigen Pilotprojekt zu beginnen, schafft Vertrauen und hilft bei der Entwicklung weiterer unternehmensspezifischer Anwendungsfälle.

Prinzipiell sollten sich Unternehmen niemals komplett auf eine künstliche Intelligenz verlassen. Bei herkömmlichen IT-Projekten ist ein ordnungsgemäßes Testen der bereitgestellten Ergebnisse erforderlich, um irreführende Interaktionen zwischen System und Nutzer:in zu vermeiden. Bei KI-Anwendungen darf sich das Testen jedoch nicht nur auf die Ersteinrichtung von ChatGPT oder einer anderen AI-Anwendung beschränken. Da die AI-Engine kontinuierlich und quelloffen weiterentwickelt wird, ist eine kontinuierliche Überwachung des Anwendungsverhaltens entscheidend für die langfristige Benutzerakzeptanz, die Qualität der Ausgabe und den Erfolg.

Breites Spektrum an Anwendungsfällen für Operations

Mit Blick auf die Möglichkeiten einer unternehmensweiten Nutzung sehen wir insbesondere für Operations vielfältige Anwendungsfälle, um die Benutzerinteraktion nicht nur transaktional, sondern auch strategisch zu unterstützen. Als Denkanstoß haben wir bereits erste Use Cases für Operations identifiziert.

Anwendungsfälle für den Einkauf

  • P2P – interner Helpdesk: Mit ChatGPT als Helpdesk können Einkäufer:innen und Kund:innen schnell und einfach auf benötigte Informationen zugreifen – und zwar in ihrer Muttersprache und ohne eindeutige Sprachnormen. Nutzer:innen fragen einfach, wie ein bestimmter Einkaufsbedarf gedeckt werden kann und erhalten sofort einen Hinweis auf die richtigen Kataloge oder eine Freitextformel.t Offene  Bestellanforderungen oder Aufträge können mühelos und ohne Zeitverlust nachverfolgt werden. Davon profitiert sowohl die Prozesskonformität als auch das Einkaufserlebnis.
  • Interaktion mit Lieferanten: Egal wie gut die Ausschreibungsunterlagen vorbereitet sind – Rückfragen der Lieferanten gehören dazu. Deshalb räumen Unternehmen typischerweise ein Zeitrahmen für die Abgabe der „Request for Proposal“-bezogenen (RfP) Fragen ein, in dem Antworten zur Klärung vom RfP-Initiator erwartet werden. Hier kommt ChatGPT ins Spiel. So müssen Fragen nicht länger gesammelt und auch keine konsolidierten Antworten gegeben werden. Die Ausschreibungsteilnehmer agieren direkt mit dem Chatbot. Rückfragen lassen sich auf diese Weise direkt klären, so dass der Bieter sofort mit der Ausarbeitung des Angebots beginnen kann. Der strategische Einkäufer, der die Ausschreibung veranstaltet, muss Fragen und Antworten nicht länger zeitaufwendig orchestrieren.

Anwendungsfälle für F&E

  • Automatische Erstellung und Dokumentation von Software: ChatGPT ist ein hervorragendes Tool, um Abläufe in der Software-Entwicklung zu rationalisieren und zu beschleunigen. Es kann Code in Programmiersprachen wie Python, Java und C++ generieren und dokumentieren. Das verringert Entwicklungszeit und Fehlerquote erheblich. So können Unternehmen einfache Anwendungsfälle schnell implementieren und wertvolle Add-ons erstellen. ChatGPT beschleunigt den Prozess und bietet auch eine leicht verständliche Dokumentation in natürlicher Sprache – zeitaufwändige manuelle Dokumentation entfällt. Ganz gleich, ob Unternehmen nur an einem kleinen Projekt oder an einer groß angelegten Softwareentwicklungsinitiative arbeiten – ChatGPT kann mit seiner auf natürlicher Sprachverarbeitung oder auf Vorlagen basierenden Codegenerierung und automatischem Code Refactoring dabei helfen, im Handumdrehen effizienten und präzisen Code zu erzeugen. 
  • Automatisierung von Designskizzen und Dokumentation: Koppeln Entwicklungsabteilungen GPT mit einem professionell trainierten KI-Modell und Software für das Computer-aided Design (CAD), können sie das System darauf trainieren, Designentwürfe zu skizzieren, bestehende zu analysieren, Änderungen und Optimierungen vorzuschlagen oder Dokumentation in natürlicher Sprache vorzuschlagen. Auf diese Weise sind Entwickler:innen in der Lage, schneller und intelligenter zu konstruieren. Die Effekte: Weniger Fehler, Zeitaufwand und Kosten, mehr Leistung und Ingenieur:innen, die sich wieder auf wertschöpfende Aufgaben konzentrieren können. GPT kann so helfen, potenzielle Fehlermodi vorherzusagen und Beschreibungen in natürlicher Sprache zu den Leistungs- oder Simulationsergebnissen zu erstellen. Das erleichtert es Entwicklungsteams, Entwürfe zu verstehen und zu verbessern. 

Smart-Manufacturing-Anwendungsfälle 

  • Optimierung der Qualitätskontrolle: ChatGPT ermöglicht es Herstellern, die Produktzuverlässigkeit und Kundenzufriedenheit zu verbessern, indem es automatisch Muster erkennt und Erkenntnisse aus textbasierten Daten wie Inspektionsberichten oder verarbeiteten Bildern generiert. Das Ziel: Produktanomalien erkennen. Hierfür müsste ChatGPT mit Computer-Vision-KI kombiniert werden, die Muster in Bildern erkennt und textbasiert klassifiziert. Auf diese Weise könnten Unternehmen Ihre Qualitätskontrollprozesse optimieren und der Konkurrenz einen Schritt voraus sein.  
  • Einfache und unkomplizierte (vorausschauende) Wartung: Kombinieren Unternehmen das Sprachmodell mit anderen Machine-Learning-Modellen, die Anomalien in Sensorzeit-Reihendaten erkennen, kann ChatGPT klare und leicht verständliche Anweisungen für Wartungstechniker ausgeben, die es ihnen ermöglichen, schneller und effizienter zu arbeiten. So können Wartungsteams Probleme proaktiv angehen und kostspielige Ausfallzeiten vermeiden.

Pilotprojekte und Skalierung mit Design Thinking vorantreiben

Diese Möglichkeiten zeigen, dass es bereits unzählige unternehmensspezifische KI-Anwendungsfälle in allen wichtigen Operations Bereichen gibt. Die Technologie steht derzeit an der Schwelle zu einer breiten Implementierung – disruptive Durchbrüche erfordern allerdings auch mutige Schritte. Kernherausforderung für Unternehmen ist jetzt, geeignete Szenarien für die Pilotierung und schnelle Skalierung zu definieren.

Wir bieten unseren Kunden einen Design-Thinking-Ansatz für den Einsatz von ChatGPT/OpenAI-Lösungen.

Mit unseren Design Thinking-Workshops verfolgen wir einen iterativen Prozess, der darauf abzielt, Herausforderungen aus der Perspektive der Nutzer:innen zu betrachten und Lösungen auf der Grundlage von ChatGPT/OpenAI-Fähigkeiten zu identifizieren. Das übergeordnete Ziel: erste Pilotanwendungsfälle und Prototypen.

Entscheidend für den Erfolg des Design-Thinking-Ansatzes sind die beteiligten Stakeholder. Für das bestmögliche Ergebnis empfehlen wir eine domänenspezifische Aufstellung (z.B. Beschaffung, Supply-Chain, Fertigung, F&E) und klare Leitprinzipien (z.B. Erhöhung der Nutzerzufriedenheit, Reduzierung der Durchlaufzeiten).

Unser 5-Schritte-Ansatz

Wir begleiten und führen unsere Kunden durch einen bewährten 5-Schritte-Ansatz vom Verständnis der aktuellen Herausforderungen bis zur endgültigen Umsetzung:

Verstehen

Zunächst sammeln wir die Anforderungen der Nutzer:innen und Fachbereiche, um die individuellen Bedürfnisse besser zu verstehen. Gleichzeitig schaffen wir ein grundlegendes Verständnis für die ChatGPT/OpenAI-Lösung innerhalb der Organisation.

Ideen generieren

Nachdem wir die Bedürfnisse der Nutzer:innen verstanden haben, entwickeln wir gemeinsam mit unseren Kunden erste Ideen für die Nutzung von ChatGPT. In dieser Phase sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, zudem setzen wir verschiedene Techniken für die Ideensammlung ein, zum Beispiel Mind Mapping, Sketching, Rollenspiele und User Stories.

Prototyping

Aus den generierten Ideen erstellen wir Prototypen, die sich an den Bedürfnissen der Nutzer:innen orientieren. Dabei ist ein schneller und einfacher Aufbau wichtig, um eine zügige Prüfung und Überarbeitung des Prototyps zu ermöglichen. Damit das Tempo hoch bleibt, bringen wir in der Regel erfahrene Technologieexperten ein.

Testen

Wir testen den Prototypen in Hinblick auf die Nutzungserfahrung sowie die Zielgruppenpassgenauigkeit. Das Feedback wird gesammelt und fließt in die weitere Entwicklung der gewünschten ChatGPT/OpenAI-Lösungen ein.

Umsetzung

Nach erfolgreichem Prototyping implementieren wir die erfolgreichsten Ideen und rollen sie im Rahmen des kundenspezifischen Release-Managements aus.

Der größte Vorteil von Design Thinking liegt nicht nur in der schnellen Identifizierung von Verbesserungsmöglichkeiten, sondern auch in der raschen Validierung und Prototypenerstellung. Diese ist für eine so zügig skalierende Technologie wie ChatGPT entscheidend, um dem Markt voraus zu sein. 

Unsere Expert:innen sind innerhalb von 14 Tagen in der Lage, das Produktspektrum, die Bedürfnisse, die es berührt, und das Branchenwissen zu verifizieren und in einen sinnvollen Design-Thinking-Ansatz zu überführen.

„ChatGPT birgt großes Potenzial für eine Vielzahl von Anwendungsfällen für den operativen Geschäftsbetrieb. Um dieses zu nutzen, braucht es aber ein gutes Gespür für die Bedürfnisse der Fachbereiche und eine strukturierte Herangehensweise bei der Entwicklung von Prototypen.“

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