Das neue China-Geschäft deutscher Unternehmen: Realistisch. Pragmatisch. Risikobewusst.

PwC-Studie 2023: Große Mehrheit will Engagement vor Ort fortsetzen und stärkt Risikomanagement

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Thomas Heck
PwC USA Business Group Leader & China Business Group, PwC Deutschland
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Ingo Bauer
Leader Transport and Logistics bei PwC Deutschland
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China bleibt wichtiger Baustein der Unternehmensstrategie

Für Deutschland ist China der wichtigste Handelspartner weltweit. Die Covid-Pandemie und geopolitische Ereignisse haben jedoch zeitweise zu gestörten Lieferketten geführt und die Abhängigkeit von der chinesischen Wirtschaft verdeutlicht. Wie reagieren deutsche Unternehmen, die in China aktiv sind, auf die aktuelle Lage? Investieren sie weiter in den chinesischen Markt, oder planen sie eine Verlagerung ihrer Aktivitäten? Welche Themen machen den Firmen bei ihren Auslandsaktivitäten besonders zu schaffen, und wie schätzen sie die Zukunft ein? Hierzu haben wir 180 deutsche Unternehmen aus sechs Branchen befragt und die Ergebnisse in einer umfassenden Studie analysiert und eingeordnet.

Ein Kernergebnis: Es steht kein Exodus deutscher Unternehmen bevor. Fast alle Befragten wollen ihr Engagement auf dem chinesischen Markt auch in Zukunft fortführen. Nur eine kleine Minderheit (sechs Prozent) plant Teilabzüge, um Risiken zu minimieren, und lediglich ein Prozent zieht sich komplett zurück. 88 Prozent sehen in China zudem auch in Zukunft einen unerlässlichen Rohstofflieferanten und Handelspartner.

„Die deutschen Unternehmen fahren einen realistischen und pragmatischen Kurs mit dem Post-Covid-China. Sie stehen grundsätzlich zu ihren Aktivitäten vor Ort, ein Exodus ist nicht geplant. Teilweise Abzüge oder Verlagerungen ziehen die Unternehmen aber durchaus in Betracht, um geopolitische Risiken abzufedern.“

Ingo Bauer,Leader Transport and Logistics bei PwC Deutschland

Die Studie im Überblick

Von Regulierung über Geopolitik: Die Liste der Stolpersteine ist lang

Die Studie belegt, dass die Unternehmen vor Ort eine ganze Reihe von Hürden überwinden müssen: Zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) nehmen die Regulierungen der Bundesregierung als Einschränkung wahr. Fast ebenso viele (63 Prozent) sind der Meinung, dass geopolitische Konflikte Projekte wie die „Belt and Road Initiative (BRI)“ in Frage stellen. Unter diesem auch als „Neue Seidenstraße“ bezeichneten Konzept forciert Beijing zahlreiche Projekte zum Auf- und Ausbau interkontinentaler Handels- und Infrastrukturnetze, um sich stärker mit über 60 Ländern Afrikas, Asiens und Europas zu vernetzen.

Die europäische Global Gateway Initiative, mit der die EU die Infrastruktur in Schwellen- und Entwicklungsländern weltweit stärken will, um ein Gegengewicht zu China aufzubauen, betrachtet nur ein Drittel der befragten Firmen als attraktives Angebot. Ein weiteres Hindernis sieht die Mehrheit der Befragten (56 Prozent) in der Anwendung der Standards für Umwelt, Soziales und Governance (ESG).

Nur 29 Prozent haben eine ausformulierte China-Strategie

Mit Blick auf die Vielzahl der mit einem China-Engagement verbundenen Stolpersteine ist es erstaunlich, dass nur 29 Prozent der deutschen Firmen mit einer dezidierten China-Strategie agieren. Knapp die Hälfte der Unternehmen (44 Prozent) verfügt über keine ausformulierte China-Strategie und hat auch nicht vor, eine solche zu erarbeiten.

Die Mehrheit der international tätigen Firmen hat aber längst damit begonnen, ihr Risikomanagement zu stärken, um sich vor den geopolitischen und pandemischen Herausforderungen zu schützen und die eigenen Aktivitäten in China zukunftssicher zu gestalten.

Zum Download der vollständigen Studie

Das neue China-Geschäft deutscher Unternehmen: Realistisch. Pragmatisch. Risikobewusst.

Unternehmen nehmen Risiken stärker ins Visier

Das gilt insbesondere für das Thema Cyber-Abwehr: So hat jedes zweite Unternehmen seine Cybersicherheits-Aktivitäten erhöht. Der Grund: Rund sechs von zehn Unternehmen (59 Prozent) beklagen eine starke Zunahme von Cyber-Angriffen. Das Risikomanagement umfasst aber auch zahlreiche weitere Aspekte: So haben immerhin 37 Prozent der Firmen konkrete Ausfallstrategien erarbeitet, um sich für Krisenfälle zu wappnen – etwa weitere Pandemien oder geopolitische Ereignisse.

Unkalkulierbare geopolitische Entwicklungen als größte Hürde

Die größte Herausforderung sehen 84 Prozent der Befragten in den unkalkulierbaren geopolitischen Entwicklungen; 77 Prozent halten Standortoptionen in anderen Ländern als Risikovorsorge für unabdingbar. Auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist es durchaus sinnvoll, bei Investitionen weitere Länder in Betracht zu ziehen: Denn fast sechs von zehn Unternehmen (58 Prozent) geben an, dass steigende Kosten die Vorteile eines China-Engagements reduzieren.

China bleibt wichtig – als Absatz-, Beschaffungs- und Produktionsmarkt

In puncto Beschaffung in China scheint der Zenit zwar überschritten: In mehr als jedem zweiten Unternehmen (57 Prozent) findet mittlerweile unter dem Stichwort der „Glokalisierung“ ein Umdenken statt. Nichtsdestotrotz sind die Unternehmen der Meinung, dass China langfristig ein wichtiger Teilbaustein der globalen Wirtschaft bleibt – und zwar als Absatz-, Beschaffungs- und Produktionsmarkt sowie als Rohstofflieferant. Zwei Drittel (67 Prozent) sehen kurzfristig keine Umsatzanteile in andere Länder abwandern. Gut die Hälfte der Befragten (53 Prozent) ist sogar der Meinung, dass China als Absatzmarkt für ihre Branche auch in schwierigen Zeiten weiter an Bedeutung gewinnen wird.

Weitere Ergebnisse der Studie im Überblick

Welche Regionen sind für deutsche Unternehmen besonders attraktiv?

Die östliche Küstenregion rund um Shanghai sowie der Nordosten Chinas sind nach wie vor die Hauptregionen für die Ansiedlung deutscher Unternehmen. An dritter Stelle steht die südliche Küstenregion. Die östliche Küstenregion wird stark von Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau geprägt, hat im Vergleich zu 2018 aber deutlich an Attraktivität verloren. Unternehmen aus der Konsumgüterindustrie siedeln besonders häufig im Nordosten Chinas an.

Welchen Teil der Supply Chain realisieren die Unternehmen in China?

Trotz Risiken hat die Bedeutung von China als Beschaffungsmarkt für deutsche Unternehmen zugenommen: 78 Prozent der befragten Firmen aus der Produktindustrie wickeln ihre Beschaffung in China ab. Das sind 13 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2018. Ein starker Rückgang zeigt sich dagegen im Bereich Transport und Logistik: Nur noch 40 Prozent der Firmen realisieren diesen Teil der Wertschöpfungskette in China. 2018 waren es noch 62 Prozent.

Welche Kriterien spielen bei der Auswahl eines Logistikdienstleisters eine Rolle?

Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sind die wichtigsten Kriterien bei der  Auftragsvergabe an Logistiker, aber auch eine problemlose Zollabwicklung spielt eine wichtige Rolle. Hier können schlecht aufgestellte Dienstleister dem Unternehmen hohe Kosten verursachen, wenn beispielsweise Ersatzteile den Kunden nicht erreichen und Produktionsstillstände drohen. Ausreichende Transport- und Lagerkapazitäten haben als Vergabekriterium an Bedeutung verloren, ebenso wie digitales Flottenmanagement und die örtliche Nähe des Dienstleisters. Hohe Standards für Cybersicherheit und Datenschutz sowie ein günstiger Preis bleiben als Auswahlkriterien wichtig.

Wie ist die Lage in Sachen Personalentwicklung?

Die Mehrheit der deutschen Unternehmen in China hat mit Recruiting, Abwerbung und Qualifikation von Personal kein Problem. Allerdings zeigen sich hier branchenspezifische Unterschiede: In der Maschinenbaubranche haben mit 37 Prozent überdurchschnittlich viele Firmen Probleme, Mitarbeitende in China zu finden. Fast jedem zweiten Maschinen- und Anlagenbauer (47 Prozent) fällt es schwer, Mitarbeitende für die Entsendung nach China zu motivieren. Nur weniger als ein Drittel der Maschinenbauer hat kein Problem mit der Personalentwicklung. In den anderen Branchen sind es fast zwei Drittel, die kein Defizit formulieren.

Betrachtungen unserer Branchen-Experten

Transport und Logistik

„Problemlose Zollabwicklung, Cybersicherheit sowie attraktive Preiskonditionen sind unverändert die ausschlaggebenden Kriterien für die Beauftragung von Logistikdienstleistern in China. Nur wer hier exzellent aufgestellt ist, erarbeitet sich zufriedene Kunden und eine zukunftsfähige Position im Wettbewerb.“

Ingo Bauer,Leader Transport and Logistics bei PwC Deutschland

Deutsche Unternehmen vergeben Logistikdienstleistungen vermehrt extern
Die Importe aus China werden in Deutschland hauptsächlich über den Seeweg abgewickelt. Im Vergleich zum Jahr 2018 haben sich diese für den Schiff- und Lufttransport nahezu verdoppelt. Im Gegenzug sind deutsche Exporte auf dem Schiffsweg gesunken, und nur die Luftfracht ist geringfügig gestiegen. Der Boom des Containertransports aus China ist weiterhin ungebrochen. Chinesische Logistiker investieren mittlerweile weltweit auch in Infrastrukturprojekte. In den letzten Jahren ist die Anzahl chinesischer Terminalbetreiber entlang der Maritimen Seidenstraße stark gestiegen. Mit diesen Beteiligungen können chinesische Logistiker ihren Kunden attraktive Konditionen im Wettbewerb rund um den Transport und andere logistische Mehrwertdienstleistungen anbieten. Unsere aktuelle Studie „Das neue China-Geschäft deutscher Unternehmen: Realistisch. Pragmatisch. Risikobewusst.“ zeigt, dass nur noch 37 Prozent der befragten deutschen Unternehmen ihre Transport- und Logistikprozesse in China im eigenen Unternehmen angesiedelt haben. Vor fünf Jahren hatte noch die Mehrheit in den produktionsabhängigen Industrien logistische Prozesse intern organisiert. Dank moderner Digitalisierung- und Kommunikationstechniken lassen sich Frachtabläufe heute jedoch viel effizienter steuern und überwachen als noch vor einigen Jahren, sodass die Auslagerung der Abläufe erfolgreich möglich ist.

Der Preis bleibt wichtig – Pünktlichkeit ist wie immer die Nummer Eins
Bei der Auswahl eines Logistikdienstleisters kommt es den deutschen Unternehmen wie in den Vorjahren besonders auf Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit an. Auf Rang zwei der Auswahlkriterien folgt die problemlose Zollabwicklung. Die Angst vor Maschinenstillständen durch Verzögerungen aufgrund von Hindernissen bei der Verzollung ist nach wie vor groß, ebenso wie der Wunsch nach Cybersicherheit, die auf Platz drei der wichtigsten Auswahlkriterien für Logistikdienstleister steht. Besonders für den Maschinen- und Anlagenbau ist die Datensicherheit bei Logistikabläufen von elementarer Bedeutung. Bei der Vergabe von Aufträgen an die Logistiker spielt aber auch für alle Branchen noch immer der Preis eine zentrale Rolle.

Mit steigendem Preisdruck werden die weiteren Auswahlkriterien weiter aufweichen. Der günstige Transport von und nach China war in den vergangenen Jahren neben den Löhnen ein klarer Wettbewerbsvorteil für den Standort in der Volksrepublik, von dem deutsche Unternehmen lange Zeit profitiert haben. Die Lohnkosten steigen seit Jahren; die Frachtraten sind zwar nach dem Corona-Höhenflug wieder auf Vor-Pandemie-Niveau, steigende Energiekosten und strengere Umweltanforderungen werden den Transport künftig aber verteuern. Um die Risiken aus Abhängigkeiten zu minimieren, arbeiten viele Unternehmen an Backup-Strategien, deren Bestandteil auch die Logistikdienstleister sind, um die Lieferketten nachhaltig zu stabilisieren.

Es fehlt an Alternativen zu China
In der Studie haben nahezu alle befragten Unternehmen ihr Engagement als alternativlos dargestellt; Standorte in anderen Ländern kommen nur in sehr geringem Umfang oder als Backup im Krisenfall in Frage. Die China-Strategie der Bundesregierung setzt auf eine Reduzierung der Abhängigkeiten. Unsere Studie zeigt: Die Hoffnungen der letzten Jahre – auf eine neue, effiziente Transportroute nach China über die „neue Seidenstraße“ – haben sich zerschlagen. Die Zukunft wird zeigen, ob die Global-Gateway-Initiative der EU eine attraktive Alternative gestalten kann.

Eins dürfte klar sein: Die Erfolgsaussichten zukünftiger globaler Handelsbeziehungen werden nur mit einem sicheren, nachhaltigen Transport möglich sein, bei dem viele Faktoren eine Rolle spielen werden.

Maschinenbau

„China ist einer der wichtigsten Märkte und zunehmend auch Wettbewerber für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau. Die Unternehmen benötigen Innovationsstrategien, aber auch mehr Investitionssicherheit, um auf Augenhöhe agieren zu können. So entstehen wieder mehr Chancen für Maschinen ‚Made in Germany‘.“

Bernd Jung,Leader Industrial Production bei PwC Deutschland

Präsenz in China ist für das Geschäft unverzichtbar
Kaum eine Branche ist mit ihrer Wertschöpfung stärker und tiefer in China verankert als der Maschinen- und Anlagenbau. Im Branchenvergleich realisieren Maschinenbauer ihre Produktionseinheiten, Vertriebskanäle und After-Sales-Services überdurchschnittlich häufig in der Volksrepublik.

Aufgrund ihrer Marktnähe und Präsenz im Downstream-Business benötigen sie qualifiziertes Personal vor Ort. Talente zu finden ist jedoch herausfordernd: 70 Prozent der Unternehmen – und damit mehr als in jeder anderen Branche – haben ernsthafte Probleme mit der Personalentwicklung. Dennoch erwägt keiner der befragten Maschinen- und Anlagenbauer, China vollständig zu verlassen. Lediglich eine kleine Minderheit plant eine partielle Verlagerung.

China auf der Überholspur – deutscher Technologievorsprung schrumpft
Bei der Umsetzung strategischer Pläne, sei es zu Cybersicherheit, Krisenszenarien oder dem Ausbau von Vertriebskanälen sind die Maschinen- und Anlagenbauer im Branchenvergleich führend. Sie bemühen sich, ihren Vertrieb breiter aufzustellen, sich stärker gegen die Datenhoheitsansprüche Pekings abzusichern und intelligente Lösungen wie Customizing für den chinesischen Markt umzusetzen.

Diese Strategien sind von hoher Relevanz, schließlich sieht die große Mehrheit der Maschinen- und Anlagenbauer, dass ihr Technologievorsprung schrumpft. China investiert stark in den Ausbau von Robotik, KI und Automatisierungslösungen, auch ohne deutsches Know-how. Zudem haben die Anteile chinesischer Maschinen auf dem Weltmarkt so stark zugenommen, dass auch der deutsche Maschinenbau seine Position als Exportweltmeister eingebüßt hat.

Mit Innovationen punkten – auf Augenhöhe konkurrieren
Auch wenn der Wettbewerb – untermauert von staatlichen Subventionen und einer zunehmend restriktiven Wirtschaftspolitik –  sowohl vor Ort als auch global intensiver wird, ist es für deutsche Unternehmen umso wichtiger, ihre China-Strategie klar auszuformulieren und umzusetzen, zum Beispiel indem sie die Diversifizierung der Wertschöpfungsketten vorantreiben.

Um im Rennen um technologischen Fortschritt nicht den Anschluss zu verlieren, benötigen deutsche Unternehmen konkurrenzfähige Innovationen. Es ist kein Zufall, dass der Bereich „Forschung & Entwicklung“ die am wenigsten in China realisierte Wertschöpfungsstufe des Maschinenbaus darstellt. Dahinter steckt nicht nur eine vage Sorge um das geistige Eigentum. Konkret urteilen chinesische Gerichte inzwischen in Bezug auf Patente vermehrt zugunsten heimischer Unternehmen. Wohl auch aus diesem Grund fordern deutsche Maschinenbauer mehr Unterstützung seitens Politik und Verbänden. Ziel müssen für alle Beteiligten – deutsche Unternehmen und lokale Wettbewerber – gleiche Wettbewerbsbedingungen sein.

Handel und Konsumgüter

„China ist und bleibt ein wichtiger Markt für die Handels- und Konsumgüterbranche. Aufgrund starker lokaler Wettbewerber ist das Marktumfeld sehr kompetitiv. Deutsche Händler und Hersteller können sich in diesem Wettbewerbsumfeld nur behaupten, wenn sie ihre Angebote konsequent auf die Konsumgewohnheiten der chinesischen Bevölkerung ausrichten. „Online first“-Strategien bieten ihnen Zugang zu relevanten Konsumdaten. Die Lieferstopps während der Covid-Pandemie waren ein Weckruf für die Unternehmen, ihre Abhängigkeiten durch wirksame Ausfallstrategien zu reduzieren. Hier besteht bei der Mehrheit der Händler und vor allem der Konsumgüterhersteller noch dringender Nachholbedarf.”

Dr. Christian Wulff,Leader Consumer Markets bei PwC Deutschland

China spielt für Beschaffung und Absatz in der Handels- und Konsumgüterbranche weiter eine Schlüsselrolle
Die Befragungsergebnisse zeigen klar, dass der chinesische Markt sowohl bei der Beschaffung als auch beim Absatz für Händler und Konsumgüterhersteller eine zentrale Bedeutung hat und auch in Zukunft haben wird. 87 Prozent der befragten Händler und 83 Prozent der Konsumgüterhersteller realisieren ihre Beschaffung in China. Alle großen deutschen Unternehmen haben Einkaufsgesellschaften vor Ort. Die Mehrheit der Befragten geht davon aus, dass die Bedeutung Chinas als Absatzmarkt in den kommenden drei Jahren weiterwachsen wird.

Corona und die Folgen: Händler setzen Ausfallstrategien noch zu zögerlich um
Während der Covid-Pandemie wurden die Nachteile dieser engen Verflechtungen spürbar: Die Lieferstopps und -unterbrechungen in den Jahren 2021 und 2022 führten in vielen Produktkategorien zu größeren Lieferengpässen und einer eingeschränkten Warenverfügbarkeit. Die Abhängigkeit zeigte sich in allen Teilen der Lieferkette, von Rohstoffen über die Produktion bis hin zu Verpackungen. Kritisch wird die Abhängigkeit im Fall von Sanktionen, die regelmäßig zu Preiserhöhungen, Lieferengpässen und möglicherweise sogar zu Sanktionsspiralen führen.

Die Lieferengpässe haben allerdings nicht dazu geführt, dass deutsche Händler oder Konsumgüterhersteller dem chinesischen Markt den Rücken zuwenden wollen. Jedes achte Unternehmen (13 Prozent) in der Branche hat den Ausbau weiterer Produktionsstandorte eingeleitet, und weitere Expansionen sind geplant. Allerdings haben die Händler ihr Risikomanagement in der Beschaffung noch nicht deutlich genug angepasst: Nur ein Drittel der Konsumgüterhersteller (33 Prozent) und weniger als die Hälfte der Händler (43 Prozent) hat Ausfallstrategien für künftige Krisenfälle umgesetzt, beispielsweise durch die Erschließung von alternativen Lieferanten in anderen Ländern, die Anpassung von Produktbestandteilen und -rezepturen oder die Entwicklung vollständig neuer Produkte.

Auch für Verkaufsstrategien auf dem chinesischen Markt sind Krisenszenarien und daraus abgeleitete Konzepte zur Vermeidung von Risiken wichtiger denn je geworden. So waren beispielsweise Adidas, Nike und H&M im Jahr 2021 von einem Boykott durch die chinesischen Konsument:innen betroffen, nachdem sie sich von den Arbeitsverhältnissen in Xinjiang distanziert hatten.

Händler führend bei der Umsetzung von ESG-Standards
Beim Thema Nachhaltigkeit in China nimmt der Handel im Branchenvergleich eine Vorreiterrolle ein, während sich die Konsumgüterhersteller im Mittelfeld bewegen: So haben 30 Prozent der befragten Händler ESG-Standards umgesetzt. Dies ist auch eine Folge des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG), das Unternehmen zur Einhaltung von sozialen und ökologischen Nachhaltigkeitsstandards in ihrer Lieferkette verpflichtet. Trotzdem sind es nur ein Drittel der befragten Unternehmen. Auch hier besteht noch Entwicklungspotenzial, denn auch diese Standards tragen dazu bei, Risiken zu minimieren.

China ist und bleibt aufgrund guter Wachstumsprognosen einer der weltweit wichtigsten Handels- und Konsumgütermärkte. Aufgrund des ausgeprägten Wettbewerbs insbesondere durch lokale Anbieter und der aktuell unsicheren wirtschaftlichen Situation ist ein Markteintritt oder auch eine Expansion auf dem chinesischen Markt für deutsche Unternehmen alles andere als einfach. Es gibt jedoch eine Reihe von Beispielen, die zeigen, dass der Markteintritt mit einer intelligenten Online-First-Strategie gelingen kann.

Pharma

„Die große Mehrheit der Pharmaunternehmen setzt auch in Zukunft auf China als wichtigen Wachstumsmarkt – und entwickelt gezielte Szenarien, um sich an die geopolitischen Herausforderungen vor Ort anzupassen, von der Stärkung der Cyber-Abwehr bis hin zur Nutzung der Chancen vor Ort bei gleichzeitiger Minimierung der Risiken.“

Roland Werner,Leader Health Industries & Pharma Life Sciences bei PwC Deutschland

China bleibt auch in Zukunft ein wichtiger Wachstumsmarkt
Die Pharmaindustrie blickt auf eine traditionsreiche Präsenz in China von mehr als einem Jahrhundert zurück. Rund sechs von zehn Unternehmen sind der Meinung, dass China als Wachstumsmarkt auch in den kommenden drei Jahren eine zentrale Rolle spielen wird. Entsprechend setzen sie auf verschiedene deeskalierende und risikominimierende Strategien, um sich auf die veränderten Gegebenheiten vor Ort vorzubereiten.

Pharmaunternehmen setzen auf Strategien zur Anpassung
So hat rund jedes zweite befragte Pharmaunternehmen das eigene Qualitätsmanagement deutlich ausgebaut, um unter anderem die Lieferengpässe für Wirkstoffe zu optimieren; ebenso viele haben alternative Standorte außerhalb Chinas als Backup für den Krisenfall vorbereitet. Rund vier von zehn Unternehmen haben ihre Mitarbeiterschulungen vor Ort verstärkt und ihr Expats-Management verbessert. In puncto Personal läuft es für die Pharmaunternehmen in China ohnehin rund: Zwei Drittel geben an, dass sie keinerlei Probleme haben, Mitarbeiter:innen vor Ort oder in Deutschland für die Entsendung zu finden.

Ein gutes Drittel (37 Prozent) hat Kooperationen mit chinesischen Unternehmen intensiviert, um die Vorteile des Marktes noch besser nutzen zu können und die „China-for-China“-Strategien auszubauen. Ein Aspekt, der den Ausbau an Kooperationen aus Sicht vieler Pharmafirmen behindert, ist die Chinastrategie der Bundesregierung. Das sagen 40 Prozent der Befragten. „Global Gateway“ ist für über ein Drittel (37 Prozent) keine Alternative zur „Belt and Road“-Initiative (BRI).

Cyber-Attacken bedrohen Pharmafirmen
Eine der großen Hürden, vor denen Pharmaunternehmen in China stehen, sind Cyber-Attacken. 70 Prozent der Befragten sehen sich davon bedroht. Aber auch in diesem Bereich haben die befragten Firmen strategische Pläne entworfen und in die Tat umgesetzt: 60 Prozent haben ihre Cybersicherheitsaktivitäten ausgebaut und ihre Risiken, insbesondere in der Forschung & Entwicklung, minimiert.

Automotive

„China wird auch künftig eine wichtige Rolle als Absatz- und Beschaffungsmarkt für die deutsche Automobilbranche spielen. Einen derzeitigen Ausbau der Produktionsstandorte lehnt die Mehrheit der Hersteller jedoch ab.“

Felix Kuhnert,Leader Automotive bei PwC Deutschland

Automobilhersteller halten sich zurück
Die Automobilindustrie gehört neben der Konsumgüterindustrie zu den einzigen Branchen, in denen Unternehmen angeben, China teilweise verlassen zu wollen. Rund jedes zehnte Unternehmen berichtet über entsprechende Pläne. Dazu passt auch, dass 83 Prozent der befragten Automobilunternehmen den Ausbau weiterer Produktionsstandorte in China ablehnen. Stattdessen zeigen überdurchschnittlich viele Firmen (17 Prozent) aus der Branche Interesse daran, Allianzen mit Mitbewerbern umzusetzen.

Das Thema Personal ist vermutlich nicht der Grund, wieso einige Automobilkonzerne in Sachen China-Präsenz auf die Bremse treten. Denn die Mehrheit der befragten Automobilunternehmen (63 Prozent) hat nach eigenen Angaben keine Probleme, Mitarbeiter:innen in China zu finden oder Personal für die Entsendung zu rekrutieren.

Nur jedes zweite Automotive-Unternehmen hat China-Strategie
30 Prozent der Unternehmen aus der Automobilbranche haben eine ausformulierte China-Strategie. Für 43 Prozent ist eine solche Strategie kein Thema. Immerhin ein Drittel der Unternehmen haben Ausfallstrategien entwickelt, um künftig besser auf geopolitische, pandemische oder andere Krisenfälle vorbereitet zu sein; weitere 20 Prozent planen die Entwicklung einer solchen Strategie.

Sicherheitsstandards spielen bei der Vergabe an Logistikdienstleister wichtige Rolle
Vor allem bei der Beschaffung setzt die Automobilbranche stark auf den chinesischen Markt: 77 Prozent der Befragten haben diesen Teil der Lieferkette in China realisiert. Bei 43 Prozent findet die Produktion und Montage in der Volksrepublik China statt. Der Bereich „Transport und Logistik“ ist nur für gut ein Drittel der befragten Automobilhersteller (37 Prozent) Teil der Wertschöpfungskette. Entsprechend sind sie auf externe Logistikdienstleister angewiesen.

Bei der Vergabe von Aufträgen an Logistiker legen die Automobilhersteller überdurchschnittlich häufig das Augenmerk darauf, dass die Sicherheitsstandards gegen Diebstahl eingehalten werden. 57 Prozent halten dieses Kriterium für ausschlaggebend. Wichtig sind den Automobilherstellern zudem die Kriterien Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sowie eine problemlose Zollabwicklung.

„Die Mehrheit der international tätigen Unternehmen hat damit begonnen, ihr Risikomanagement zu stärken, um mit den geopolitischen Spannungen besser umgehen zu können. Beispielsweise werden Lieferketten resilienter ausgebaut, um damit auch die eigenen Aktivitäten in China zukunftssicher zu gestalten.“

Thomas Heck,Leiter der China Business Group von PwC Deutschland

Zum Download der vollständigen Studie

Das neue China-Geschäft deutscher Unternehmen: Realistisch. Pragmatisch. Risikobewusst.

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Die Methodik

Für die Studie hat PwC Deutschland zwischen April und Juli 2023 180 Unternehmen mit China-Engagement aus sechs verschiedenen Branchen befragt: Automobilindustrie, Chemiebranche, Handel und Konsumgüterindustrie, Maschinen- und Anlagenbau, Pharma sowie Transport und Logistik.

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Leiter des Bereichs Transport, Logistik und Tourismus, PwC Germany

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Partner, PwC USA Business Group Leader & China Business Group, PwC United States

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