Marktplatz-Geschäftsmodelle sind auf dem Vormarsch, sowohl für B2C- als auch für B2B-Unternehmen. Sollten Sie sich entschieden haben, einen eigenen Marktplatz zu etablieren, ist es wichtig, die technischen Aspekte richtig aufzubauen.
Was sind die typischen technischen Voraussetzungen? Welche Optionen gibt es bei der Auswahl eines Anbieters für Marktplatzlösungen? Was sollten Sie bei der Definition einer Marktplatzarchitektur beachten?
Das Kundenerlebnis einer Transaktion auf einem Marktplatz ist ähnlich der eines Webshops mit einem linearen Geschäftsmodell. Allerdings werden bestimmte Komponenten benötigt, die das Kundenerlebnis auf einem Marktplatz ermöglichen.
Die grundlegenden eCommerce-Funktionen – wie Warenkorb, Produktdetailseite, Empfehlungen, Promotionen, Preise, Versand, Produktkatalog, Suche und Bezahlung - ermöglichen es den Kunden, die richtigen Produkte in einem personalisierten Kundenerlebnis zu suchen und zu finden. Dazu gehört auch, das Ausspielen passender Produktempfehlungen und das Setzen der richtigen Preise. Darüber hinaus hat die Bereitstellung der passenden Zahlungsoptionen einen großen Einfluss auf die Konvertierung – dem tatsächlichen Kauf.
Um das besondere Erlebnis eines Marktplatzes zum Leben zu erwecken, werden einige zusätzliche Funktionen benötigt. Verkäufer müssen die Möglichkeit haben, sich auf einer Verkäuferseite zu präsentieren und Support zu ihren Produkten leisten zu können. Die Plattform muss in der Lage sein, Bestellungen aufzuteilen, da Produkte von verschiedenen Verkäufern in denselben Warenkorb gelegt werden können und die Erfüllung der Bestellung in die Verantwortung jedes einzelnen Verkäufers fällt.
Das Marktplatz-Management ermöglicht es dem Marktplatzbetreiber, neue Verkäufer aufzunehmen, Provisionen und andere Monetarisierungseinstellungen zu verwalten und festzulegen, wie Werbeaktionen auf der Plattform verwaltet werden.
Verkäufer-Tools ermöglichen es den Verkäufern, ihre Aktivitäten auf dem Marktplatz innerhalb der festgelegten Grenzen und Regeln zu verwalten. Verkäufer können Produkte hochladen und ihre Angebote verwalten – einschließlich Kataloge, Werbeaktionen, Preise, Versand, Bestellungen, Service Anfragen, Inhalte und Bestände – mit zusätzlichen Berichtsfunktionen, je nach der vom Plattformbetreiber angebotenen Partnerschaft.
Ein Marktplatz ist mindestens ein zweiseitiges Geschäftsmodell, bei dem Käufer und Verkäufer beide Kunden des Marktplatzbetreibers sind. CRM ermöglicht es dem Betreiber, die Beziehungen zu Kunden auf allen Seiten des Geschäftsmodells zu verwalten, zu pflegen und auszubauen.
Je nach Geschäftsmodell kann der Kundendienst für Käufer entweder vom Betreiber oder von den Verkäufern übernommen werden. Da die Verkäufer aber auch Kunden des Betreibers sind, benötigen sie ebenfalls einen Kundenservice, der ihnen bei allen Problemen hilft, die auftreten können.
Je nach Geschäftsmodell des Marktplatzes und dem Level and Kuration, stellt das PIM die notwendigen Prozesse bereit, welche für die Kontrolle der Produktdatenqualität erforderlich sind. Normalerweise ist ein PIM auf der Verkäuferseite zu finden, aber manchmal bietet es auch einen Mehrwert für die Prozesse des Marktplatzbetreibers.
Jeder Verkäufer verfügt über ein ERP-System, um Produktdaten und Bestandsinformationen zu verwalten. Diese Daten müssen zusammen mit den Daten des PIM-Systems auf der Plattform zur Verfügung gestellt werden. Je nach Anwendungslandschaft des Verkäufers werden die Bestellungen an das ERP- oder Auftragsverwaltungssystem gesendet.
Jeder Verkäufer kann selbst entscheiden, ob er ein OMS (Order Management System) benötigt, um die auf dem Marktplatz eingegangenen Bestellungen zu verwalten. Die meisten Anbieter von E-Commerce- oder Marktplatzlösungen bieten einen gewissen Umfang an Auftragsmanagementfunktionen. Je nach gewählter Handels- und Marktplatzlösung und dem gewünschten Geschäftsmodell kann ein eigenes Auftragsverwaltungssystem für den Betreiber erforderlich sein – zum Beispiel, für die Unterstützung verteilter Auftragsverwaltung oder wenn die vorhandenen Möglichkeiten nicht mehr ausreichen.
Ein VAN, auch Marktplatz-Integrationsplattform (MIP) oder Vendor Aggregation Platform genannt, ist eine Vermittlungsplattform, die es Verkäufern ermöglicht, sich schnell und einfach mit anderen Marktplätzen zu verbinden. Diese Verbindung führt zu einer Anpassung der Datenstrukturen, was in Branchen wie der Mode- und Schuhbranche, in denen es keine offiziell vereinbarten Standards gibt, hilfreich ist. Auf diese Weise tragen VANs zur Verbesserung der Datenqualität für den Marktplatzbetreiber bei. Oft installieren die VAN-Betreiber auch ein „Quality Gate“, bevor die angeschlossenen Verkäufer Zugang zum Netzwerk erhalten.
Diese Lösungen bieten Funktionen wie Produktkatalog, Produktanreicherung, Preisgestaltung, Promotion-Management, Überverkauf, Lagerverwaltung, Bestell- und Retourenmanagement, Dashboard für Benutzeraktivitäten und Rating-/Feed-Management. Zu den erweiterten Funktionen gehören die Verwaltung der FBA-Integration, die Verwaltung von Seriennummern, die automatische Preisanpassung, die Verwaltung der Auftragsverfolgung und die Verwaltung der Buy Box.
In der Regel handelt es sich bei VANs um unabhängige Plattformen, aber einige Marktplatz-Backend-Anbieter bieten ebenfalls ihr eigenes Netzwerk an, über das sich Verkäufer und Marktplatzbetreiber mit anderen Teilnehmern verbinden können. In manchen Fällen lohnt es sich, diesen Service selbst zu übernehmen und ihn direkt als Teil deiner Marktplatzplattform anzubieten.
In der typischen Domain-Architektur sind Marktplatzfunktionen ein Zusatz zu einer bestehenden eCommerce-Plattform. Infolgedessen gibt es verschiedene Arten von Anbietern.
Die Auswahl der jeweiligen Lösungsanbieter hängt davon ab, wo Sie als Marktplatzbetreiber starten, wie komplex Ihr Geschäftsmodell ist, welche Fähigkeiten zur Unterstützung des Geschäftsmodells benötigt werden und welche technischen Fähigkeiten und IT-Architekturen vorhanden sind.
Die Definition der Zielanwendungsarchitektur sollte zu gleichen Teilen von der IT-Abteilung und dem Unternehmen übernommen werden. Das liegt daran, dass die Zielanwendungsarchitektur einem fähigkeitsorientierten Ansatz folgen sollte. Wir sehen hierfür einen fünfstufigen Prozess.
Zuletzt wird der passende Anbieter ausgewählt. Hier werden die Anforderungen mit den verschiedenen Lösungen verglichen und überprüft, ob die eigene Roadmap mit der des Anbieters übereinstimmt. Zudem werden Lizenzen und andere Kosten in die Betrachtung mit aufgenommen.
Die Wahl eines Anbieters hängt vom Geschäftsmodell, dem Ansatz und den angepeilten Zielen ab. Nehmen wir die Auftragsverwaltung als Beispiel: Die meisten E-Commerce-Lösungen für Unternehmen bieten ein gewisses Maß an Order Management (OMS) Funktionen. Für einen einfachen Marktplatz, auf dem nur Produkte von Drittanbietern verkauft werden, könnte das ausreichend sein.
Ist der Marktplatz aber einer von vielen Kanälen – d. h. Produkte werden sowohl über den eigenen Marktplatz als auch über andere Kanäle vertrieben – kann ein spezialisiertes Order Management System sinnvoll werden. Werden zudem noch verschiedene Versandoptionen angeboten, z. B. den Versand ab Lager, wird das OMS der zentrale Ort für die Koordination und erfordert ein entsprechend höheres Maß an Ausgereiftheit.
Mit anderen Worten: Das Unternehmen definiert die benötigten Fähigkeiten. Die Besonderheiten des Geschäftsmodells bestimmen dann die Anforderungen und entsprechend die Auswahl der Lösung.
Der Aufbau eines Marktplatzes ist kein Projekt, das in einem stringenten Wasserfall-Ansatz geplant und durchgeführt werden kann. Auch wenn unser Überblick einen linearen Ansatz vermuten lässt, beinhaltet er eine beträchtliche Anzahl von Iterationen und das Risiko, in jeder Phase zu scheitern. In einem Business Model Innovation Ansatz müssen die Annahmen der verschiedenen Optionen erarbeitet und überprüft werden.
In dieser Phase prüft die Organisation die Problemlösung und die Markttauglichkeit. Ziel ist es, herauszufinden, ob die angestrebte Lösung für die Zielkunden einen echten Mehrwert bietet und ob ein tragfähiges Geschäftsmodell gebildet werden kann, welches sich aufbauen und betreiben lässt.
In dieser Phase werden die wichtigsten Fragen gestellt. Welche steuerlichen, rechtlichen und sonstigen Vorschriften müssen in das Geschäftsmodell einbezogen werden? Können sie genutzt werden, um zusätzlichen Wert zu schaffen? Welche Möglichkeiten gibt es, um den Marktplatz in Gang zu bringen? Ist es möglich, Käufer und Verkäufer gleichzeitig anzusprechen, oder gibt es die Möglichkeit zunächst eine Seite des Marktes anzusprechen, bevor in ein Marktplatzmodell expandiert wird?
Während der Vorbereitung werden die Annahmen des Business in technische Anforderungen übersetzt. Dies dient als Grundlage für die Wahl des Marktplatz Tech-Stacks. Ebenso wird hiervon die Unternehmensorganisation abgeleitet.
Der Begriff Minimum Viable Product (MVP) ist wahrscheinlich einer der am meisten missverstandenen und falsch genutzten Begriffe, wenn es um die Entwicklung von Produkten geht. In diesem Zusammenhang ermöglicht das MVP der Organisation, so schnell wie möglich ein Kern-Angebot in den Markt zu bringen, mit dem Ziel zu lernen und zu iterieren. Je früher mit der Entwicklung eines MVP begonnen wird, desto geringer das Risiko, Zeit und Geld zu verlieren.
Sobald das MVP Käufer und Verkäufer anzieht, können weitere Funktionen hinzugefügt und der Kundenstamm vergrößert werden. Diese Phase erfordert ebenfalls eine Menge Konzeption, Validierung und Iteration. Typische Fragen in dieser Phase sind: Was kann von den Kunden gelernt werden? Wie können Dienste monetarisiert werden? Was ist die richtige Preisstrategie?
Das Ziel ist es, eine kritische Masse an Kunden zu erreichen, denn der Wert eines Marktplatzes entsteht durch den Netzwerkeffekt. Je mehr aktive Verkäufer, desto attraktiver ist der Marktplatz für Käufer – und andersherum.
Nachdem eine kritische Masse erreicht wurde, geht es in dieser Phase darum, den Kundenzugang zu beanspruchen. Oder vereinfacht gesagt: Alle Anfragen laufen am besten nur noch über Ihre Plattform. Dadurch lassen sich weitere Zusatzdienste entwickeln, die diesen Zugang nutzen. Hier kann mit verschiedenen Diensten und Mitgliedschaftsmodellen experimentiert werden. Sogar Marketing- oder andere Unternehmen können in die Plattform integriert werden, wenn diese einen Nutzen in der Plattform sehen.
Mit der zunehmenden Verbreitung von Marktplätzen gibt es eine wachsende Zahl von Marktplatzlösungen. Die Lösungen reichen vom Commerce-Frontend über das Marktplatz-Backend bis hin zum Full-Stack, bei dem Anbieter sowohl das Frontend als auch das Backend in einer einzigen Plattform anbieten. Die Wahl der richtigen Technologie und des richtigen Ansatzes hängt weitgehend von der Komplexität und den Zielen des Marktplatz-Modells ab. Der Aufbau eines Marktplatzes ist kein einfaches Projekt, sondern erfordert Konzeption und Validierung, um das Risiko zu verringern und die Chancen für ein skalierbares Geschäftsmodell zu erhöhen.
Dieser Artikel ist der zweite in einer dreiteiligen Serie über Marktplätze und befasst sich mit der Technologie hinter Marktplätzen.
Teil 1 befasst sich mit vertikalen Marktplätzen aus der Perspektive der Geschäftslogik.
Teil 3 befasst sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen, mit denen Marktplätze umgehen müssen.