Insights zu den Trends an der Kundenschnittstelle

Interview: Trends an der Kundenschnittstelle 2024

  • Interview
  • 4 Minuten Lesezeit
  • 08 Jan 2024

Was sind 2024 die Top-Trends an der Schnittstelle zur Kundschaft? Ein Interview mit Michael Graf, Lead Customer Transformation bei PwC Deutschland, über die wachsende Rolle von GenAI in Service, Marketing und Vertrieb, die Bedeutung von Customer Profiles, die anhaltende Notwendigkeit von Effizienz und Effektivität im Technologieeinsatz und die Bedeutung kommender Regulierung.

Michael Graf ist Leiter des Bereichs Customer Transformation bei PwC Deutschland und Europa. Zusammen mit seinem Team arbeitet er daran, aus Kundensicht ganzheitliche Strategien und Lösungen zu entwickeln und umzusetzen. Sein Team unterstützt Klienten von der Planung bis zum Aufbau und der Weiterentwicklung ihrer Customer Journey. Mit über 27 Jahren Erfahrung in der Beratung und einer Leidenschaft für eine herausragende Customer Experience hilft er Unternehmen, ihre Kunden effektiver zu erreichen.

Michael Graf, Partner und Customer Transformation Lead bei PwC Deutschland

Herr Graf, was sind die Schlüsseltrends für 2024 in puncto Customer Transformation? Wo hat sich am meisten getan?

Michael Graf: Wir beobachten bei PwC vor allem drei Haupttrends, die 2024 die Arbeit an der Kundenschnittstelle prägen werden. Zuerst die rasante Entwicklung von KI und GenAI, die neue Dimensionen in Marketing, Vertrieb und Kundenservice eröffnen. Zweitens, die zunehmende Bedeutung von Customer Profiles, angetrieben durch fortschrittliche Customer Data Platforms (CDPs), die personalisierte Kundenerfahrungen ermöglichen. Und drittens, die Fokussierung auf Effizienz und Effektivität in unseren Technologien, eine direkte Folge der Notwendigkeit, nach COVID-19 eine nachhaltige und zielgerichtete Geschäftsentwicklung zu fördern. Denn Customer Transformation ist immer auch Business Transformation.

Beginnen wir mit dem ersten Trend. Welche Rolle spielen KI und insbesondere GenAI im Kundenservice von morgen?

Graf: KI und GenAI sind nicht nur im Kundenservice, sondern auch in Marketing und Vertrieb zentral. Die Technologien bieten uns ganz neue Möglichkeiten im Bereich der Kundeninteraktion. Zum Beispiel ermöglichen Chatbots, Voice Response Systeme und Avatare ein höheres Maß an Personalisierung und Effizienz. Mit GenAI können wir Kundenerlebnisse auf eine Weise gestalten, die bisher unvorstellbar war.

Ich erwarte, dass GenAI in den nächsten drei Jahren bedeutende oder disruptive Veränderungen in der Art und Weise, wie Branchen konkurrieren, verursachen wird. Das gilt besonders für wissensintensive Branchen, etwa Technologie und Finanzdienstleistungen. Gleichzeitig müssen wir uns bewusst sein, dass die Technologie keine Kompetenzlücken füllt. Auch ein Unwissender mit KI bleibt noch ein Unwissender.

Die Anwendungsbereiche dieser Technologien sind enorm vielfältig und reichen von der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen bis hin zu verbesserten Serviceoperationen. Ich gehe davon aus, dass diese Bereiche, zusammen mit IT und Softwareentwicklung, den Löwenanteil des jährlichen Gesamtwerts aller GenAI-Anwendungsfällen liefern könnten.

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Und wie steht es um den zweiten Trend, die Customer Profiles?

Michael Graf: Customer Profiles sind entscheidend für eine erfolgreiche Kundenbindung. So ist eine einheitliche Kundendatenbasis auch die Grundvoraussetzung für die eben besprochenen Umsetzungsbeispiele von GenAI.

Customer Profiles basieren auf umfassenden Kundendaten, die durch CDPs gesammelt und analysiert werden. Damit können Unternehmen einheitliche und zentralisierte Kundenprofile erstellen – ein wesentlicher Faktor für wirklich personalisierte digitale Marketingkampagnen und damit auch eine tiefere und individuellere Art, mit Kunden zu interagieren. Das hilft Unternehmen nicht nur, bei neuen Zielgruppen zu punkten, sondern verbessert auch bestehende Kundenbeziehungen.

Die CDP-Industrie hat in den vergangenen Jahren ein erhebliches Wachstum erlebt. Wir sehen hier derzeit einen heterogenen Markt und sind gespannt auf die Fortschritte von Anbietern wie beispielsweise Twilio, Zeotap, Adobe, Microsoft, Salesforce oder SAP. Wir können davon ausgehen, dass CDPs künftig in mehr und mehr Marketingabteilungen Einzug halten und unverzichtbar werden.

Zu guter Letzt, Effizienz und Effektivität: Ist das wirklich ein Trend, oder eher ein Dauerthema? Was ist hier neu? Und wie wirkt sich das Thema im Kundengeschäft aus?

Graf: Effizienz und Effektivität sind in der Tat Dauerbrenner, doch nach der Pandemie haben sie eine neue Bedeutung erfahren. In der COVID-Hochzeit war der schnelle Einsatz von Technologielösungen entscheidend, oft ohne gründliche Überprüfung, ob diese Lösungen die besten für die eigene Organisation waren. Jetzt, mit etwas Abstand, sehen wir, dass einige dieser Investitionen möglicherweise nicht optimal waren. Viele Unternehmen sind nun damit beschäftigt, ihre Technologielandschaft zu überprüfen und neu zu bewerten, um sicherzustellen, dass die eingesetzten Tools und Prozesse gut zusammenarbeiten und nicht zu unnötigen, ineffizienten Abläufen führen.

Im Kundengeschäft spiegelt sich dies in einer stärkeren Fokussierung auf die sinnvolle Nutzung der Technologien wider. Es geht nicht mehr nur darum, die neuesten Tools zu implementieren, sondern vielmehr darum, wie diese Tools effektiv eingesetzt werden können, um echten Mehrwert zu schaffen. Wer jetzt Geschäftsprozesse optimiert und Technologien nachhaltig klug auswählt, kann reaktionsschneller auf sich wandelnde Kundenbedürfnisse eingehen, was zu einer stärkeren Kundenbindung und höheren Kundenzufriedenheit führt.

Wie beeinflusst der frisch verabschiedete AI Act der EU diese Trends?

Graf: Der AI Act verfolgt einen risikobasierten Ansatz und führt Restriktionen für KI-Anwendungen ein, die als gefährlich gelten. Das heißt für Unternehmen: Sie müssen jetzt eigene Risikobewertungen für den Einsatz von KI vorlegen.

Aus meiner Sicht besonders wichtig: Der Entwurf schlägt auch erstmalig Wege zur Regulierung von generativer KI, wie beispielsweise groß angelegten Sprachmodellen vor. Inklusive einem Verwendungsverbot von urheberrechtlich geschütztem Material in den Trainingsdatensätzen und einer Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten. Hier pflastert die EU einen Weg, den viele bereits gehen. Für die Customer Transformation bedeutet das, dass Unternehmen ihre Strategien und Technologien im Einklang mit den neuen Regularien weiterentwickeln müssen, um sowohl die Compliance zu gewährleisten als auch die Chancen zu nutzen, die sich durch eine verantwortungsvolle und transparente Anwendung von KI bieten. Aus meiner Sicht ein Muss für jedes Management. Abwarten reicht nicht, denn die Wettbewerbsfähigkeit entscheidet sich hier oft im Abstand von Monaten und Wochen neu.

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