Der diesjährige PwC M&A-Integration Survey zeigt, dass große Transformation-Deals in den vergangenen Jahren zu einer Seltenheit geworden sind, während Absorption-Deals an Bedeutung gewonnen haben. Der Survey beleuchtet zudem, welche Integrationsfaktoren seit jeher essenziell sind. Vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen, die der COVID-19-Pandemie geschuldet sind, stellt sich für Unternehmen aus strategischer Sicht die Frage, ob nun die richtige Zeit gekommen ist, um Wettbewerber und Nischenplayer zu übernehmen, die sie seit längerem ins Auge gefasst haben. Distressed M&A eröffnet Wettstreitern sowie Investoren große Chancen. Wie allerdings stellt man eine erfolgreiche Integration sicher und wie gelingt ein anschließend notwendiger Turnaround?
Genau darüber spricht unsere M&A-Integration-Expertin im Interview mit Herrn Martin Czoske, Leiter Holding Beteiligungsmanagement, M&A und Konzerncontrolling bei der REWE Group, der Anfang dieses Jahres die Übernahme und vollständige Integration der Supermärkte Nord (SuNo) in die REWE Group abwickelte. Die REWE Group war über ein Joint Venture bereits mehrheitlich an der coop eG beteiligt und hat im Februar 2020 den Gesamtanteil der SuNo übernommen und erfolgreich integriert. Das vorliegende Interview beleuchtet die Erfolgsfaktoren von Turnaround-Transaktionen.
Herr Czoske, welche Faktoren sind bei der REWE Group entscheidend, um kriselnde Unternehmen zu akquirieren?
Martin Czoske: Für uns ist das Hauptkriterium bei einem M&A-Deal, dass die Akquisition die strategische Planung der Gruppe vorantreibt. Bei der Übernahme der SuNo ging es beispielsweise darum, unsere Präsenz in Norddeutschland signifikant zu steigern. Im Rahmen der Due Diligence haben wir großes Potenzial gesehen, um aus dem mindestens restrukturierungsbedürftigen Handelsgeschäft mit über 150 Märkten ein profitables Geschäft zu formen.
Bei dem Kauf mehrerer KUONI-Ländergesellschaften durch unsere Tochtergesellschaft DER Touristik stand ein anderes Ziel im Mittelpunkt:
Die europäische Präsenz stärken und damit unter anderem in den Zielgebieten Vorteile zu generieren. Dafür haben wir frühzeitig gemeinsame Synergien identifiziert und konnten die Investition in absehbarer Zeit zu einem Break-Even führen. In den unprofitablen Ländergesellschaften in der Schweiz und Skandinavien haben wir so letztlich einen erfolgreichen Turnaround erzielt natürlich vor den Verwerfungen durch COVID-19.
Was sind Ihrer Meinung nach die Herausforderungen bei der Due Diligence von Sanierungsfällen und worauf schauen Sie als Käufer mit besonderer Sorgfalt?
Martin Czoske: Unserer Erfahrung nach sind Akquisitionen im Krisenumfeld dann erfolgreich, wenn bereits eine Geschäftsbeziehung bestand. Der Käufer kennt dann sowohl das operative Geschäft als auch in Einzelfällen das historische Zahlenwerk – und kann die aktuellen Zahlen dadurch besser einschätzen. Für den Käufer sollte es selbst bei Sanierungsfällen darauf ankommen, trotz hohen Zeitdrucks die Due Diligence sorgfältig durchzuführen.
Welche Integrationsmaßnahmen waren ausschlaggebend, um bei der SuNo den Turnaround zu schaffen?
Martin Czoske: Um die Integration des SuNo-Geschäftes zum Erfolg zu führen, waren für uns drei Faktoren besonders relevant: (1) Geschwindigkeit, (2) die vollständige und sorgfältige Integration der Mitarbeiter sowie (3) die Prozess- und Systemumstellung auf die Strukturen der REWE Group. Vor Closing haben wir Hypothesen zur Struktur der Legal-Einheiten und Führungsebene gebildet und diese nach Closing verifiziert. Eine Nebenbedingung war übrigens, allen SuNo-Mitarbeitern einen Arbeitsplatz innerhalb der REWE Group zu sichern, was wir erfolgreich umgesetzt haben. Grundlage unserer Arbeiten war unser hypothesenbasiertes Vorgehen sowie die Abstimmung mit den betroffenen Abteilungen und die regelmäßige Involvierung des Betriebsrates.
Bei der Prozess- und Systemumstellung haben wir frühzeitig erkannt, dass die bestehenden Prozesse und Systeme nicht dem aktuellen Stand der Technik entsprachen und eine schnelle Umstellung auf die bestehenden REWE-Konzepte und Systeme herbeigeführt. Dadurch war auch der stufenweise Umbau der SuNo-Märkte auf das REWE Konzept möglich.
Welche Erfolgsfaktoren waren bei der Integration von KUONI in das Geschäft der DER Touristik entscheidend?
Martin Czoske: Bei dieser Transaktion spielte das Commitment des jeweiligen lokalen Führungsteams eine zentrale Rolle: In den relevanten Ländergesellschaften haben wir sicherlich mehr als 90 Prozent der lokalen Führungskräfte in ihrer jeweiligen Rolle belassen. Daneben haben wir als oberstes Entscheidungsgremium der DER das internationale Board mit den Entscheidungsträgern der verschiedenen Landesgesellschaften etabliert. Auf diese Weise haben wir sowohl das Zusammenwachsen als auch das Engagement aller beteiligten Unternehmensteile sichergestellt:
Insbesondere bei sanierungsbedürftigen Unternehmen sind die aktuelle wirtschaftliche Situation und die potenzielle Geschäftsentwicklung nicht vollständig transparent. Welche Maßnahmen empfehlen Sie, um sich gegen Unsicherheiten und Risiken bei Turnaround-Transaktionen abzusichern?
Martin Czoske: Wir sind stets darauf bedacht, einen sinnvollen Katalog an Garantien und Freistellungen im Kaufvertrag zu verankern. Im Speziellen ist eine Absicherung gegen mögliche Veränderungen im laufenden Geschäft zwischen der Due-Diligence-Phase und dem eigentlichen Geschäftsübergang essenziell. Das ist besonders bei restrukturierungs- bzw. sanierungsbedürftigen Unternehmen wichtig. Bei der coop-Akquisition wurde beispielsweise der REWE-Anteil am SuNo-Joint Venture von 51 auf 70 Prozent erhöht. Die Basis dafür bildeten vertraglich verankerte Garantien.
Der M&A-Markt ist seit März 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie nahezu zum Stillstand gekommen – wie schätzen Sie die aktuellen Marktschwankungen ein? Welchen Einfluss hat die COVID-19-Krise auf die langfristige M&A-Strategie der REWE Group?
Martin Czoske: Aufgrund unseres soliden Supermarktgeschäfts und unserer Erfahrung mit jeglichen Akquisitionen, befinden wir uns in einer guten Ausgangslage für weitere Merger und Akquisitionen. Wir durchleuchten mögliche Unternehmen fortlaufend. Dabei weichen wir auch in diesen Zeiten nicht von unseren Prinzipien und Werten ab. Dazu gehört eine effizient durchgeführte Due Diligence – Erkenntnisse finden sich dann entweder im Preis oder im Vertragswerk.
Zudem müssen wir uns sicher sein, dass die Übernahme strategisch sinnvoll ist und die Gruppe weiterbringt.
Martin Czoske
Martin Czoske ist Leiter Holding Beteiligungsmanagement, M&A und Konzerncontrolling bei der REWE Group mit Sitz in Köln. Neben seiner langjährigen Tätigkeit im M&A-Bereich bei der REWE Group war er von Dezember 2016 bis Dezember 2019 CFO der sky und plaza Märkte in Norddeutschland (Supermärkte Nord Vertriebs GmbH - SuNo).