Frauen in der Gesundheitswirtschaft 2020

PwC-Studie 2020: Immer weniger Frauen arbeiten in der Gesundheitswirtschaft in leitender Position

Das Gesundheitswesen legt personalpolitisch den Rückwärtsgang ein

Die Gesundheitswirtschaft ist weiblich. Mehr als 75 Prozent der Beschäftigten sind Frauen. Ob in der Pflege, bei Versicherungen, in Politik und Verwaltung – überall sind sie in der Mehrheit. Nur nicht in den Führungsetagen. Da besetzen Frauen nur 29 Prozent der Chefsessel. 2015 waren es noch 33 Prozent.

Die Branche legt bei der Besetzung der leitenden Stellen in puncto Gleichberechtigung den Rückwärtsgang ein.

Das ist das zentrale Ergebnis der Studie „Frauen in der Gesundheitswirtschaft 2020“, für die PwC die Daten von 8000 Unternehmen, Krankenhäusern, Versicherungen und Verbänden ausgewertet hat. Vor allem in Ministerien und Behörden von Bund und Ländern ist der Anteil von Frauen an leitender Stelle in den vergangenen fünf Jahren nahezu um ein Drittel eingebrochen. Verkehrte Welt? Nicht ganz, es gibt auch Lichtblicke. In Pharmaunternehmen und Verbänden gewinnen Frauen an Einfluss.

Die Studie im Überblick

Frauen sind in den Chefetagen eher selten und ihr Anteil nimmt noch weiter ab

Im Jahr 2015 ist das Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst in Kraft getreten. Seitdem hat sich der Anteil weiblicher Führungskräfte in der Gesundheitswirtschaft aber nicht erhöht, sondern ist von 33 Prozent auf 29 Prozent gesunken. Nur etwa jede sechste Stelle (17 Prozent) im Topmanagement ist in weiblicher Hand. 

Von Geschlechterparität ist die Branche auf oberster Ebene noch weit entfernt. Sie tut sich damit keinen Gefallen – und das nicht nur durch das Fehlen weiblicher Fachkräfte und ihrer Expertise. Auch nach außen ist das kein Aushängeschild. Auf diese Weise gelingt es Unternehmen der Gesundheitswirtschaft nicht, sich als attraktive Arbeitgeber zu präsentieren, die Frauen Aufstiegsmöglichkeiten bieten. Das schadet dem Image und ist angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels im Gesundheitswesen ein Wettbewerbsnachteil.

„Frauen machen in der Gesundheitswirtschaft mehr als drei Viertel der Beschäftigten aus. Für deren Karriereperspektiven ist das ein fatales Signal. Angesichts von Pflegenotstand und Fachkräftemangel gelingt es der Gesundheitswirtschaft damit auf keinen Fall, sich als attraktiver Arbeitgeber für Frauen zu präsentieren. Dabei spielen genau diese in Führungspositionen eine wirklich wichtige Rolle für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen.“

Immerhin: Im mittleren Management von Krankenhäusern sind Frauen fast gleichauf

Doch hinter den Gesamtzahlen verstecken sich im Detail auch wegweisende Trends. Zu den Lichtblicken bei der Teilhabe von Frauen gehört die Entwicklung im Krankenhaus-Sektor. Auf mittlerer Führungsebene bilden Frauen dort einen Anteil von 49 Prozent, 2015 lag dieser Wert noch bei 40 Prozent. Somit ist in Zukunft bei der Besetzung von Führungsstellen auch auf oberster Ebene mit einer steigenden Anzahl an Bewerberinnen zu rechnen. Eine weitere Branche, in der Frauen sogar an der Spitze zugelegt haben, ist die Pharmaindustrie: Im Topmanagement ist jede fünfte Stelle weiblich besetzt, vor fünf Jahren waren es nur 15 Prozent. Auf Vorstandsebene bilden Frauen inzwischen einen Anteil von 21 Prozent. Damit hat sich ihre Zahl mehr als vervierfacht (2015: 5 Prozent). Das ist kein Zufall: Im mittleren Management machen Frauen in Pharmaunternehmen inzwischen mehr als die Hälfte (55 Prozent) aus.

„Netzwerke bieten Frauen die Möglichkeit Kontakte zu knüpfen, Fachwissen auszutauschen und gleichzeitig den Einfluss in der Branche zu erhöhen.“

Corinna Friedl,Director Assurance Healthcare Services bei PwC Deutschland

women&healthcare – Frauennetzwerk für Branchenwissen und Karriere

Um die Position von Frauen auf der Führungsebene in der Gesundheitswirtschaft zu stärken, hat PwC das Frauennetzwerk women&healthcare initiiert.

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In Ministerien, Ausschüssen und Behörden verlieren Frauen bundesweit an Mitsprache

Beim Blick auf die verschiedenen Bereiche der Gesundheitswirtschaft sticht eine Entwicklung besonders ins Auge: In Politik und Verwaltung – also in Ministerien und Behörden von Bund und Ländern, die mit Gesundheitsthemen befasst sind – ist der Anteil an Frauen an der Spitze regelrecht eingebrochen. Hatten Frauen vor fünf Jahren 44 Prozent der Leitungspositionen inne, ist diese Zahl auf 31 Prozent gesunken. Das entspricht einem Rückgang von fast einem Drittel. Überraschend ist auch, dass die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Politik und Verwaltung nur noch zu 28 Prozent von Frauen geleitet wird. In der Vergleichsstudie von 2015 lag dieser Wert noch bei rund 46 Prozent. Besonders drastisch fällt dieser Rückgang in den ostdeutschen Bundesländern aus, die im Gesundheitsbereich bis dahin ein fast ausgewogenes Verhältnis in Leitungspositionen von Politik und Verwaltung vorweisen konnten: Dort beträgt die Frauenquote auf Führungsebene nur noch 30 Prozent – ein Minus von 19 Prozentpunkten im Vergleich zu 2015.

Zu den weiblichen Domänen zählen Personalwesen, Öffentlichkeitsarbeit und Verwaltungsaufgaben

In der Wissenschaft sowie in Verbänden und Interessenvertretungen der Gesundheitsbranche sind Frauen vergleichsweise gut in Führungspositionen vertreten: In wissenschaftlichen Instituten liegt ihr Anteil bei 35 Prozent (2015: 32 Prozent), in Verbänden bei 36 Prozent (2015: 32 Prozent). Als typische Frauendomäne erweist sich die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Diese Aufgabe verantworten in wissenschaftlichen Instituten weibliche Angestellte zu 69 Prozent, in Interessenvertretungen und bei Verbänden sind es 56 Prozent. Ein weiteres Tätigkeitsfeld, in dem Frauen Karriere machen, ist das Personalwesen. Bei Krankenversicherungen, die als Männerdomäne gelten, wird dieser Bereich zu 51 Prozent von Frauen verantwortet. In der Medizintechnik sind leitende Verwaltungsaufgaben zu 48 Prozent in weiblicher Hand, im Personalwesen sind es 42 Prozent, in der Buchhaltung 40 Prozent.

Interview: „Mit mehr Frauen an der Spitze wäre die Gesundheitswirtschaft erfolgreicher.“

Im Gespräch mit den Initiatorinnen des Frauennetzwerkes „women&healthcare“ Sevilay Huesman-Koecke (bis 2022 International Director und Head of Business Development im Bereich Gesundheitswirtschaft bei PwC) und Corinna Friedl (Director Assurance Healthcare Services bei PwC).   

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