Ein Interview mit Nadja Picard. Die Jobbeschreibung von CFOs wird aktuell neu formuliert. Traditionell lag der Fokus der Finanzchefs auf dem Messen, Managen und Berichten traditioneller Finanzkennzahlen. Aktuell vertrauen viele Firmen ihren CFOs neue Verantwortlichkeiten an, die auf Nachhaltigkeitsziele einzahlen. Wieso das der richtige Weg ist – und welche Fähigkeiten die Finanzchefs für diese neue Rolle benötigen, erläutert Sustainability-Reporting-Expertin Nadja Picard im Interview.
Über Nadja Picard: Nadja Picard ist PwC’s Global Reporting Leader aus Deutschland heraus und koordiniert weltweit die Dienstleistungen und Positionen rund um die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Darüber hinaus ist sie Partnerin im PwC International IPO Centre. Sie hat jahrzehntelange Erfahrung in der Beratung von Unternehmen bei der externen Berichterstattung und verfügt außerdem über weitreichende Erfahrung in der Beratung von Unternehmen, die den Weg an den deutschen oder internationalen Kapitalmärkte suchen, von der frühen internen Vorbereitung bis zur Handelsaufnahme.
Wie gehen CFOs mit den neuen Anforderungen um, die aktuell auf sie einprasseln?
Nadja Picard: Ganz unterschiedlich. Viele CFOs begrüßen die Verbreiterung ihrer Aufgaben und sehen sie als natürliche Ausweitung ihrer Bestrebung, für die langfristige Wertschöpfung und Performance des Unternehmens zu sorgen. Andere sehen ESG-Aspekte und die finanzielle Leistung noch immer als zwei Paar Schuhe. Ein CFO sagte neulich zu mir: „Nichts von all dem wird uns dabei helfen, mehr zu verkaufen oder bessere Preise zu erzielen.“ Es ist aber definitiv ein Umdenken im Gange. Ich bin der Meinung: Um langfristig Wert zu schaffen und die ESG-Ziele zu erreichen, ist es wichtig, dass CFOs eine führende Rolle bei Nachhaltigkeitsinitiativen einnehmen.
Wieso?
Picard: Viele Finanzchefs müssen sich bereits heute den kritischen Fragen der Investor:innen rund um Nachhaltigkeitsaspekte stellen – und für die meisten Unternehmen werden die Berichtspflichten und Compliance-Vorgaben in den nächsten Jahren weiter zunehmen.
Mit ihrer lange etablierten Fähigkeit, Informationen zu sammeln, einzuordnen und dann für Managemententscheidungen zu nutzen, können CFOs Vertrauen bei Stakeholdern aufbauen.
Dazu kommt: Die Finanzabteilung verfügt über die geeigneten Tools, etwa für Prognose oder Budgetierung, um auch Faktoren der Nachhaltigkeit in alle Geschäftsprozesse und Entscheidungen rund um die Wertschöpfung zu integrieren. Ich bin überzeugt: Wenn Unternehmen die richtige Balance zwischen der Erfüllung kurzfristiger Performance-Anforderungen und der Nutzung langfristiger Chancen finden wollen, müssen CFOs eine führende Rolle einnehmen.
Wie sieht eine solche Leadership-Rolle im Detail aus?
Picard: Das lässt sich nicht pauschal sagen und variiert von Unternehmen zu Unternehmen. Es hängt unter anderem davon ab, was Vorstand und Aufsichtsrat vom CFO erwarten und wie die Verantwortlichkeiten unter den bestehenden Funktionen aufgeteilt sind. Ein weiterer Faktor, der die Ausgestaltung beeinflusst, ist, wie eine Organisation ihre Unternehmens- und Nachhaltigkeitsstrategien aufeinander abstimmt, um Werte zu schaffen.
CFOs, die sich auf Nachhaltigkeit fokussieren, haben aber grundsätzlich zwei Aufgaben: Sie müssen in der Lage sein, die ESG-Performance und -Risiken so zu quantifizieren, wie sie dies auch für die finanzielle Leistung tun. Gleichzeitig sollten sie in der Lage sein, Nachhaltigkeitsdaten in Strategiediskussionen einzubringen, um somit ein nachhaltiges und wertschöpfendes Geschäftsmodell zu fördern.
Wie gelingt das in der Praxis?
Picard: In Unternehmen, in denen sich die Nachhaltigkeitsinitiativen darauf beschränken, die rechtlichen und regulatorischen Anforderungen zu erfüllen, umfasst die CFO-Rolle womöglich nur die formalen Accounting- und Reporting-Pflichten. In Unternehmen, in denen Nachhaltigkeit ein zentrales Element der Unternehmensstrategie bildet, sieht das anders aus: Hier wird der oder die Finanzchef:in zur Schlüsselfigur einer breit aufgestellten, auf Nachhaltigkeit fokussierten Organisation. Dafür gibt es mehrere Gründe: Er oder sie verfügt über das nötige Netzwerk, hat die Hoheit über die finanziellen Kennzahlen und die Systeme zur Datensammlung.
CFOs, die nicht in der Lage sind, mit den Nachhaltigkeitsanforderungen Schritt zu halten, werden es künftig schwer haben, relevant zu bleiben.
Welche Rollen müssen CFOs also spielen – und welche Fähigkeiten brauchen sie dafür?
Picard: CFOs, die in Sachen Nachhaltigkeit eine führende Rolle spielen wollen, müssen im Grunde vier Eigenschaften mitbringen:
Wie kann das in der Praxis aussehen?
Picard: Nehmen wir ein europäisches Fertigungsunternehmen als Beispiel: Dort ist das Team für die Nachhaltigkeitsberichterstattung Teil der Finanzfunktion. Ein multidisziplinäres Team aus Klimaspezialisten und Experten für Nachhaltigkeitsberichterstattung, unter den kritischen Anmerkungen des Prüfers, arbeitet zusammen, um sicherzustellen, dass die Nachhaltigkeitsdaten des Unternehmens die gleiche Qualität haben wie die der Finanzkennzahlen.
Noch gibt es allerdings kein Nachhaltigkeits-Reporting aus einer Hand. Bis wir dahin kommen, dass wir mit ganzheitlichen Lösungen Nachhaltigkeitsdaten messen und zu etwas wie einer Gewinn- und Verlustrechnung zusammenfügen können, werden Unternehmen sich auf eine Kombination bestehender und neuer Technologien verlassen müssen.
Alle haben ein Stück der Lösung – und der CFO muss die Puzzleteile zusammensetzen.
Kurz zusammengefasst: Was sind die Vorteile, wenn CFOs sich an diese neuen Wege der Wertschöpfung anpassen?
Picard: Sie haben die Möglichkeit, ihr Unternehmen durch eine Welt im Wandel zu navigieren. Es schafft Transparenz und Vertrauen, wenn es der Finanzfunktion gelingt,
Diese Aufgabe ist nicht leicht – Finanzchefs brauchen Geduld, um Ambiguitäten auszuhalten, sie benötigen die Vision, um durch Unsicherheiten zu navigieren und den Mut, Veränderungen umzusetzen. Wem das gelingt, wird neue Wege finden, um Werte zu schaffen.
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