Sustainability Transformation

Interview: „Wie Nachhaltigkeit zum Erfolgsfaktor wird“

  • Interview
  • 7 Minuten Lesezeit
  • 12 Jul 2023

Ein Interview mit Rainer Kroker. Klimakrise, Fragen sozialer Gerechtigkeit, Lieferkettenrestriktionen, steigende Energie- und Rohstoffpreise: Nachhaltigkeit ist eines der wichtigsten Themen, vielleicht sogar das wichtigste Thema unserer Zeit. Im Interview erklärt der Sustainability Leader, Rainer Kroker, vor welchen Herausforderungen Unternehmen aktuell stehen und wie sie diesen begegnen können, um ihre Nachhaltigkeitstransformation optimal voranzutreiben.

Über Rainer Kroker: Rainer Kroker ist Leiter des Geschäftsbereichs Nachhaltigkeitsberatung bei PwC Deutschland. Gemeinsam mit mehr als 650 Nachhaltigkeitsexpertinnen und -experten kümmert er sich um die Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsthemen für unsere Kunden in Prüfung sowie Beratung. Im Interview verrät der passionierte Mountainbiker, warum er die Auffassung vertritt, dass sich wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und nachhaltiges Handeln nicht ausschließen, sondern gemeinsam gedacht werden müssen.

Wo steht die deutsche Wirtschaft aktuell in puncto Nachhaltigkeit?

Rainer Kroker: Nachhaltigkeit spielt inzwischen eine der wichtigsten Rollen im unternehmerischen Handeln, sie ist längst kein „Nice to have“ mehr. Diesen Wandel haben auch Unternehmen erkannt und sich durchaus ehrgeizige Ziele bei der grünen Transformation gesteckt. In der Praxis sehen wir aber, dass sie das derzeit vor große Herausforderungen stellt. Zum einen müssen Unternehmen Nachhaltigkeit in ihre strategische Ausrichtung und ihr Geschäftsmodell integrieren – das erfordert Veränderungen auf allen Ebenen: den Prozessen, Produkten und Dienstleistungen sowie der Unternehmenskultur. Zum anderen müssen die Unternehmen hohe regulatorische Anforderungen erfüllen und transparent über Nachhaltigkeit berichten. Angesichts dieser Komplexität befinden sich viele Unternehmen in einem relativ frühen Stadium der nachhaltigen Transformation und konzentrieren sich auf die Regulatorik oder setzen nur einzelne Maßnahmen wie die CO₂-Reduktion um.

Ich empfehle Unternehmen daher, die regulatorischen Anforderungen als Chance zu sehen, Nachhaltigkeit im Unternehmen zu verankern – und die Umsetzung konsequent und möglichst zügig anzugehen. Denn die nachhaltige Ausrichtung wird sich langfristig für Unternehmen rechnen.

Warum raten Sie den Unternehmen dazu, das Thema Nachhaltigkeit zügiger und konsequenter zu verfolgen?

Kroker: Praktisch alle Stakeholder – Kunden, Mitarbeitende, Politik und Öffentlichkeit, Gesellschafter und Investoren – haben heute die Erwartung, dass Unternehmen die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihres Handelns kennen und steuern. Diese Gruppen interessieren sich längst nicht mehr allein für die harten Finanzzahlen, sondern wünschen auch Transparenz und Steuerungsfähigkeit bei den Non-Financials. Dadurch steigt der Druck auf Unternehmen enorm. Organisationen, die auf diese veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht reagieren, gefährden ihre Marke, ihre Reputation und damit neben ihrem Geschäftsergebnis auch ihre Zukunftsfähigkeit. Aus meiner Sicht ist die nachhaltige Ausrichtung von Unternehmen langfristig gleichzusetzen mit dem „Right to play“. Gleichzeitig steigen die regulatorischen Anforderungen, etwa die Offenlegungs-, Berichts- und Prüfungspflichten – ebenso wie die Erwartungen von Seiten der Kapitalgeber. So musste der Mittelstand beispielsweise bisher nur auf die Anforderungen seiner kapitalmarktorientierten Kunden reagieren – doch spätestens ab 2025 wird er durch die Anforderungen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) berichtspflichtig.

Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Hürden für Unternehmen bei der Umsetzung der nachhaltigen Transformation?

Kroker: Vielfach wissen die Unternehmen gar nicht im Detail, was Nachhaltigkeit alles umfasst, beispielsweise die Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Lieferkette oder die Erfüllung des Net-Zero-Ziels. Viele Organisationen kämpfen mit unklaren Verantwortlichkeiten oder einer fehlenden Strategie. Dahinter steckt oft mangelndes Bewusstsein auf der Führungsebene. Eine nachhaltige Transformation kann nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn sie top-down gesteuert wird und sich durch alle Geschäftsbereiche zieht. In der Praxis lassen sich die Unternehmen aber noch immer stark von der Regulatorik leiten. Kurzgefasst:

Nachhaltigkeit muss in allen Unternehmensbereichen verankert und als Teil der Unternehmensstrategie und der Unternehmenssteuerung verinnerlicht werden.

Lohnt sich das letztlich wirklich?

Kroker: Ja, denn Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: Sie müssen zusammen gedacht werden – das ist auch unser ganzheitlicher Ansatz bei PwC Deutschland. Unser Nachhaltigkeitsberatungsteam aus mehr als 650 Expertinnen und Experten arbeitet gemeinsam mit Kunden daran, nachhaltige Lösungen zu entwickeln und ihr Unternehmen so auszurichten, dass sie ihre Nachhaltigkeitsziele über alle Kriterien hinweg erreichen. Der Rahmen dazu ist unser „Sustainability Transformation Framework“. Dieses ermöglicht es Unternehmen, Nachhaltigkeit ganzheitlich in der Unternehmensführung und -überwachung zu verankern. Damit kann die Balance zwischen Regulierung und wirtschaftlicher Notwendigkeit gelingen. Oder anders gesagt:

Nachhaltig ist das neue Profitabel!

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Welche weiteren Chancen einer nachhaltigen Transformation sehen Sie?

Kroker: Mit der nachhaltigen Transformation ist eine Vielzahl von Chancen verbunden. Ein paar Beispiele: Unternehmen stärken ihre Marke als Arbeitgeber, sie sichern sich durch ein positives ESG-Rating den Zugang zu Kapital, leisten einen wichtigen Beitrag für Umwelt und Gesellschaft und sparen Energie und Ressourcen ein. Klar, das alles kostet erstmal Geld, für die es inzwischen aber auch eine Reihe von Fördertöpfen gibt. Ich bin mir aber sicher, dass sich diese Investitionen in der Regel schnell auszahlen werden. Denn alle Teilaspekte der Nachhaltigkeitstransformation bringen Vorteile mit sich und zahlen auch auf Ziele weit über den Klimaschutz hinaus ein.

Worauf kommt es bei einer erfolgreichen Umsetzung an?

Kroker: Entscheidend ist, die eigene Nachhaltigkeitsstrategie wirklich in alle Unternehmensbereiche zu integrieren.

Sustainability darf kein isolierter Punkt auf der Unternehmensagenda sein, sondern muss alle Betriebsabläufe und -funktionen durchziehen. Das gelingt aber nur, wenn das von der Unternehmensspitze gesteuert wird.

Denn wir sind überzeugt: Sustainability ist ein Vorstandsthema – der „Tone from the top“ entscheidet. Ein weiterer kritischer Punkt ist die Qualität der Daten, die für das Reporting und die Steuerung gebraucht werden: In der Praxis stellen wir immer wieder fest, dass es Unternehmen schwerfällt, die wesentlichen ESG-Kennzahlen zu erheben. Um nur zwei erfolgskritische Faktoren zu nennen.

Warum stellt die Datenerhebung Unternehmen vor Herausforderungen? Und wie können moderne Technologien hier helfen?

Kroker: Nachhaltigkeit ist zum großen Teil eine Herausforderung auf der Datenebene. Die Erzeugung, Erfassung und Verarbeitung der relevanten Daten ist mit einem hohen organisatorischen Aufwand verbunden. Deshalb ist es notwendig, innovative Technologien einzusetzen. Denn Unternehmen sind für eine transparente Berichterstattung und Steuerung auf eine hohe Qualität der Daten angewiesen. Wir arbeiten daher mit Dataland, einem dezentralisierten Daten-Ökosystem für Rohdaten aus dem Sustainability-Bereich, und verschiedenen Technologiepartnern zusammen. Darüber hinaus haben wir auch eigene innovative Tools, wie zum Beispiel Check Your Value Chain, EU-Taxonomie- und CSRD-Manager entwickelt. Entscheidend ist in jedem Fall heute eine hohe Technologiekompetenz, denn Digitalisierung und Nachhaltigkeit gehen Hand in Hand – auch in unserer Arbeit.

Wie gehen Sie in Ihrem Geschäftsbereich Nachhaltigkeitsberatung bei Ihrer Arbeit konkret vor?

Kroker: Seit Juli 2023 bündeln wir das Know-how unserer Nachhaltigkeitsexpertinnen und -experten bei PwC Deutschland innerhalb unseres Geschäftsbereichs Sustainability. Dieser ermöglicht es uns, Kunden dank unserer 360-Grad-Beratung an jedem Punkt ihrer Nachhaltigkeitsreise zu begleiten – „from strategy to execution“: von der Strategie über die Verankerung in den täglichen Abläufen bis zur Berichterstattung und Steuerung der unternehmerischen Auswirkungen – einschließlich der so wichtigen Energietransformation mit ingenieurtechnischem Background.

Unsere interdisziplinären Teams betrachten das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich und bilden die gesamte Wertschöpfungskette ab. Unsere Stärken sind dabei ein umfassendes Branchen-Know-how, unsere ausgeprägte Sustainability-Expertise und hohe Technologiekompetenz.

Ihre Formel einer erfolgreichen Nachhaltigkeitstransformation in einem Satz?

Kroker: Verstehen Sie Nachhaltigkeit nicht nur als Pflicht oder reines Reportingthema, sondern als Chance, die Zukunft Ihres Unternehmens zu sichern.

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