Ein Interview mit Nicolette Behncke

Regierungsentwurf zur CSRD: Wesentliche Änderungen und Handlungsempfehlungen

  • Interview
  • 4 Minuten Lesezeit
  • 30 Jul 2024

Die CSRD zielt darauf ab, die Transparenz und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsinformationen zu verbessern und betrifft eine Vielzahl von Unternehmen. Im Zuge der nationalen Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die weitreichende Änderungen für die Unternehmensberichterstattung in Deutschland vorsieht, hat die Bundesregierung am 24. Juli 2024 den Regierungsentwurf veröffentlicht. Dieser sieht weitestgehend eine Eins-zu-Eins-Umsetzung der Richtlinie vor, beinhaltet aber auch einige wichtige Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf.

Als Expertin für Nachhaltigkeitsberichterstattung fasst Nicolette Behncke in diesem Interview die wichtigsten Änderungen des Regierungsentwurfs im Vergleich zum Referentenentwurf zusammen und teilt wertvolle Handlungsempfehlungen für Unternehmen, die sich auf die neuen Berichtspflichten vorbereiten müssen.

Nicolette Behncke ist Sustainability Reporting Leader Europe bei PwC Deutschland

Der kürzlich veröffentlichte Regierungsentwurf zur nationalen Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist ein bedeutender Schritt für die Unternehmensberichterstattung in Deutschland. Inwieweit stimmt der Regierungsentwurf mit der Richtlinie und dem Referentenentwurf überein?

Nicolette Behncke:

Der Regierungsentwurf zur CSRD-Umsetzung ist tatsächlich ein Meilenstein. Er verfolgt eine nahezu identische Umsetzung der Richtlinie, bringt dabei aber auch wesentliche Änderungen bzw. Klarstellungen im Vergleich zum Referentenentwurf mit sich.

Worauf beziehen sich diese Änderungen bzw. Klarstellungen genau?

Behncke: Die Pflicht zur Aufstellung im elektronischen Format nach der ESEF-Verordnung sowie das verpflichtende Tagging werden für alle Unternehmen auf das Geschäftsjahr 2026 für die Veröffentlichung in 2027 verschoben.

Der Gesetzgeber hat zudem die Ausnahmeregelung zur sogenannten „artificial consolidation“ entsprechend den Vorgaben der durch die CSRD geänderten EU-Bilanzrichtlinie umgesetzt. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der konsolidierte Nachhaltigkeitsbericht eines europäischen Schwesterunternehmens des gleichen Drittstaaten-Mutterunternehmens befreiend wirken.

Ein weiterer Unterschied zum Referentenentwurf betrifft Förderinstitute mit einer Bilanzsumme von über 300 Milliarden Euro und Kapitalmarktorientierung. Diese fallen nun ebenfalls in den Anwendungsbereich des § 289b HGB-E und sind zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet.

Darüber hinaus wurde die Anforderung zur Erstellung eines separaten Prüfungsberichts über den Nachhaltigkeitsbericht ersatzlos gestrichen, da dies über die Anforderungen der CSRD hinausging.

Schließlich wurde die Frist zur Einreichung von Berichten nach § 10 Abs. 2 LkSG für Geschäftsjahre, die vor dem 1. Januar 2024 begonnen haben, auf den 31. Dezember 2025 verschoben.

Der Gesetzgeber hat außerdem klargestellt, dass die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts in Deutschland nur durch den Wirtschaftsprüfer bzw. eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zulässig ist.

Wie sind diese Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf zu bewerten? 

Behncke: Ich sehe diese Änderungen durchaus positiv. Im Referentenentwurf gab es zum Beispiel einige nicht korrekte Umsetzungen der CSRD-Richtlinie – wie etwa die Ausnahmeregel zur „artificial consolidation“. Die Verschiebung der Frist für die Einreichung von Berichten nach § 10 Abs. 2 LkSG auf den 31. Dezember 2025 gibt den Unternehmen zudem die notwendige Zeit, um die Ersetzungsmöglichkeit durch einen Nachhaltigkeitsbericht nach HGB zu prüfen. Des Weiteren stellt die Verschiebung der Pflicht zur Aufstellung im elektronischen Format nach der ESEF-Verordnung eine willkommene Erleichterung dar und ermöglicht die volle Konzentration auf die inhaltliche Umsetzung des CSRD-Berichts nach ESRS (European Sustainability Reporting Standards).

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Sind die Unternehmen in Deutschland Ihrer Erfahrung nach schon ausreichend auf die neuen Anforderungen vorbereitet?

Behncke: Das hängt stark von dem Zeitpunkt der Berichtspflicht der Unternehmen ab. Unternehmen, die bereits für das Geschäftsjahr 2024 berichten müssen, haben sich unserer Erfahrung nach bereits intensiv mit der CSRD auseinandergesetzt und befinden sich entweder mitten in oder in den letzten Zügen der Implementierung.

Bei Unternehmen, die erst ab dem Geschäftsjahr 2025 berichten müssen, ergibt sich ein gemischtes Bild: Während einige bereits aktiv an der Umsetzung arbeiten, haben andere noch nicht einmal begonnen.

Auch wenn die Frist für die Berichterstattung erst 2025 ansteht, sollten diese Unternehmen jetzt schon die notwendigen Kapazitäten aufbauen und sich mit den Anforderungen auseinandersetzen.

Haben Sie konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen, die noch am Anfang dieses Transformationsprozesses stehen?

Behncke: Unternehmen sollten zunächst eine interne Arbeitsgruppe oder ein Projektteam einrichten, das sich auf die Umsetzung der neuen Berichtspflichten konzentriert. Es ist ratsam, frühzeitig das Ambitionsniveau in puncto Nachhaltigkeitsstrategie vs. CSRD-Compliance festzulegen. Investitionen in digitale Lösungen zur Vereinfachung der Datenerfassung und -verarbeitung können und sollten ebenfalls sehr hilfreich sein, müssen aber wohl überlegt sein.  Der Austausch mit anderen Unternehmen und Expert:innen in Netzwerken oder Branchenverbänden ist wertvoll, um Best Practices zu teilen und sich gegenseitig zu unterstützen. Ebenso ist es ratsam zu prüfen, welche externen Ressourcen hinzugezogen werden können, um die Anforderungen zu erfüllen. Schließlich ist die Weiterbildung der Mitarbeitenden in den relevanten Abteilungen ein wichtiger und langfristig entscheidender Schritt, um sicherzustellen, dass das Unternehmen die neuen Anforderungen dauerhaft effektiv umsetzen kann.

Und wie geht es jetzt weiter, wann tritt die CSRD nun in Kraft?

Behncke: Das Gesetz nimmt an Fahrt auf, ist aber noch nicht durch. Der Regierungsentwurf muss erst den Bundestag und den Bundesrat passieren und anschließend noch weitere Stationen durchlaufen, bevor er als Gesetz in Kraft treten kann. Ich erwarte nach wie vor eine Verabschiedung des Gesetzes bis zum Ende des Kalenderjahres 2024, sehe aber ein gewisses Risiko im Einhalten dieser Zeitschiene.

Die Gesprächspartnerin

Nicolette Behncke ist Sustainability Reporting Leader Europe bei PwC Deutschland

Nicolette Behncke

Nicolette Behncke ist Sustainability Reporting Leader Europe bei PwC Deutschland. Sie berät Unternehmen bei der Umsetzung von Sustainability-Reporting-Anforderungen und verantwortet die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten im Bereich Nachhaltigkeitsberatung bei PwC Deutschland.

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Partnerin, Sustainability Reporting Leader Europe, Sustainability Services, PwC Germany

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