Insights zu den Trends an der Kundenschnittstelle

Interview: Microsoft und die Customer Transformation 2024

  • Interview
  • 8 Minuten Lesezeit
  • 08 Feb 2024

Was tut sich bei Microsoft mit Blick auf die Kundenzentrierung im Jahr 2024? Wie zahlt das auf generelle Customer Transformation-Trends ein? Und welche Rolle spielt generative KI dabei? Ein Interview mit Michael Kirsten, Lead Microsoft Dynamics bei PwC Deutschland.

Michael Kirsten ist Lead für Microsoft Dynamics 365 im Bereich Customer Transformation bei PwC Deutschland. Von der Planung bis zum Aufbau bei der Weiterentwicklung der Customer Journey verbindet er großartige Kundenerlebnisse mit ganzheitlicher CRM-Strategie und kennt für jede Anforderung die passende Lösung in der Microsoft-Business-Suite. Dafür vereint er über 18 Jahre Beratungserfahrung im gesamten Microsoft Tech-Stack und speziell im Dynamics und Integration Umfeld über 13 Jahre.

Michael Kirsten ist Lead Microsoft Dynamics bei PwC Deutschland.

Was sind die Trends für kundenzentrierte Transformation im Microsoft-Umfeld für das kommende Jahr?

Michael Kirsten: Das Thema ist Hyperpersonalisierung und Automatisierung. Im Microsoft-Kosmos wird sich das aber sicher noch einmal etwas anders abspielen als in anderen Ökosystemen. Einerseits ist nahezu jeder mit Microsofts Office Anwendungen wie Teams und Outlook vertraut, andererseits fügt sich die Microsoft Dynamics Lösung völlig nahtlos in dieses Ökosystem ein. Das in Kombination mit der Vorreiter-Position von Microsoft im Bereich Generative AI eröffnet dem Nutzer völlig neue Möglichkeiten. So kann der Mitarbeiter selbst entscheiden, in welcher Applikation er arbeiten möchte und die KI greift jederzeit auf alle im Unternehmen verfügbaren Daten zurück.

Unter dem Schlagwort Copilot vereint Microsoft eine Reihe generativer KI-Lösungen mit viel Potenzial für leistungsstarke Synergien. Neben der Datenanalyse kann Copilot Routineaufgaben automatisieren, was dem Kundenservice erlaubt, sich auf komplexere und wertschöpfende Tätigkeiten zu konzentrieren. Oder eine Zusammenfassung vergangener Kundeninteraktionen und aktuelle Zahlen für den Sales-Mitarbeiter auf dem Weg zum Kundentermin zusammenzustellen. So werden administrative Tätigkeiten signifikant reduziert, Silos aufgebrochen und es entstehen neue Ideen.

Welche Schlüsselinnovationen werden dabei im Rahmen von MS Dynamics CRM eine Rolle spielen?

MK: Die Haupteinflüsse werden sich aus meiner Sicht im Bereich Customer Data Platforms (CDP) und im Kundenservice abspielen. Insbesondere bei letzterem erwarte ich einen starken Innovationsschub. Mit Copilot for Service bindet Microsoft eine Variante des Copilots nativ in die Dynamics Service Lösung ein, was eine Reihe von KI-Benefits direkt in der Kundeninteraktion verankert. Eine weitere Entwicklung ist, dass Microsoft immer mehr Kanäle nativ anbietet. So tritt Microsoft International schon häufiger als eigenständiger Carrier für den Telefonkanal auf. Das bedeutet, dass Microsoft direkt die Nummer für z. B. die Service Hotline bereitstellt und Copilot kann sofort das Kundenerlebnis verbessern, sei es durch einen Voice Bot, der das Kundenanliegen ohne Wartezeit löst oder durch „mithören“ des Gesprächs und die Unterstützung des Agenten in Echtzeit mit Tipps und möglichen Lösungsansätzen. In Deutschland tritt Microsoft Stand Ende 2023 nicht als eigenständiger Carrier auf. Hier übernimmt der existierende Carrier weiterhin das Bereitstellen der Nummer und übergibt den Anruf mittels eines Session Board Controllers an Microsoft. Da Geschäftskunden ohnehin meist komplette Nummernbänder bei ihrem Carrier haben, ist dieser Ansatz gängige Praxis und stellt keinen Nachteil für Kunden dar. Die Bündelung verschiedener Kanäle unter einem Dach bietet noch einen weiteren wesentlichen Vorteil. Die Interaktion mit dem Kunden kann nahtlos zwischen den Kanälen wechseln, so kann mit nur einem Knopfdruck einen Live-Chat in einen Video Call umgewandelt werden.

Auch das intelligente Swarming finde ich ein interessantes Feature. Wenn ein menschlicher Agent nicht weiterkommt, trommelt die KI on-the-fly die Personen und Ansprechpartner:innen im Unternehmen zusammen, die es braucht, um das Problem schnell und effektiv zu lösen. Das beinhaltet auch Personen, die sonst keine Berührungspunkte mit Dynamics bzw. der Service Organisation haben, da die Interaktion zwischen Agent und Swarm über Teams läuft. Das ermöglicht es Engpässe bei den Key-Ressourcen im Unternehmen zu lösen, weil nicht jede Anfrage auf Ihrem Tisch landet, sondern die KI immer anhand der benötigten Skills, die richtige Personengruppe zusammenstellt.

Mit Salesforce, SAP und Co ist der Wettbewerb stark: Was ist der USP für eine CRM-Lösung von Microsoft?

MK: Die beiden größten sind sicherlich die nahtlose Integration in die Office Anwendungen und der Einsatz des weltweit führenden GenAI (OpenAI) Modells als geschlossenes Modell, das heißt: sämtliche Daten und Interaktionen werden nicht für das Training des Modells verwendet. Beides hat eine Reihe von Vorteilen für effizientere und reibungslose Geschäftsprozesse. 

So erlaubt die Office-Integration es Mitarbeitenden, die nicht auf die volle Microsoft Dynamics Funktion angewiesen sind, die Hauptoberfläche zu umgehen und stattdessen einzelne Funktionen direkt in Teams oder Outlook zu integrieren. Sehr nützlich, wenn eine Führungskraft nur ein Angebot freigeben soll – kann er das direkt in Outlook erledigen und dennoch werden alle Freigaben und Kommentare zentral im CRM gespeichert. Natürlich ist es auch möglich, Microsoft Dynamics mit anderen Plattformen wie Salesforce zu verbinden. Dafür bietet Microsoft mit der Power Plattform einen große Bandbreite an fertigen Connectoren, jedoch entstehen durch den Systembruch potenzielle Einbußen in Sachen Effizienz für den Nutzer.

Der größere USP ist aber wohl Copilot und das oben angesprochene OpenAI Modell. Damit können Unternehmen ihre Stammdaten direkt im CRM effizient und sicher per KI ausnutzen und anreichern.

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Und wie steht es bei dieser Vernetzung um den Datenschutz?

MK: Alle Daten werden sicher in der Microsoft Cloud innerhalb Europas gespeichert und durch den Best-of-Suite-Ansatz gibt es weniger Schwellen, die die einzelnen Daten zwischen den Diensten überschreiten müssen. Alles bleibt in einem Kosmos, da fällt auch die sichere Verwaltung der Daten leichter.

Welche Rolle spielt Microsofts Cloud-Infrastruktur, insbesondere Azure, für die Customer Transformation?

MK: Azure ist als Cloud-Backbone sehr flexibel auf unterschiedlichste Anforderungen anzupassen und ermöglicht es so, das System in nahezu jede IT-Landschaft sauber einzubetten. So kann ein sicherer Zugang zu Intranet Applikationen geschaffen werden. Ein anderer üblicher Anwendungsfall ist die Anbindung von Dynamics an einen Data Lake, sowohl als lieferndes als auch konsumierendes System.

Wie unterstützt PwC Unternehmen dabei, Microsoft-Technologien für ihre Customer Transformation zu nutzen?

MK: Ein wesentlicher Aspekt, bei dem wir unterstützen können, ist das Umdenken in der Anwendung von CRM-Systemen. Statt sich auf veraltete Methoden zu verlassen, die vielleicht schon seit 20 Jahren im Einsatz sind – sei es in der existierenden CRM-Lösung oder auf dem Papier –, schlagen wir einen neuen Ansatz vor. Wir wollen keine Legacy-Systeme möglichst lückenlos und mit jedem Knöpfchen auf einer modernen Plattform nachbauen. Stattdessen möchten wir umgekehrt den Fokus darauf legen, wie wir die Mitarbeitenden befähigen, durch den gezielten Einsatz von Technologie Ihre Prozesse schneller und besser zu lösen und wo mithilfe des Systems neue Potenziale gehoben werden können. Um so einen handfesten Business Value für das Unternehmen zu bringen.

Für die Customer Transformation ist diese Balance enorm wichtig – einerseits die Technologie optimal an die einzigartigen Bedürfnisse und Ziele des Unternehmens anzupassen, damit keine Best Practices zurückbleiben, und auf der anderen Seite neue Potenziale aus den Möglichkeiten der Software zu schaffen.

Ein weiterer Aspekt, bei dem wir als PwC unsere Kunden unterstützen, ist die Bewertung und Qualifikation der Copilot Einsatzmöglichkeiten in den Unternehmensprozessen. Das umfasst die komplette Kette von der Business Value Betrachtung, der Prüfung und Qualifikation der Datengrundlage bis hin zur Umsetzung. Für die Durchführung greifen wir auf unser breites industrieübergreifendes Fachwissen zurück und einen Baukasten vollgepackt mit möglichen Anwendungsfällen und Konzepten für die erfolgreiche Verankerung dieser Anwendungsfälle im Unternehmen.

Gibt es häufige Herausforderungen für Unternehmen, wenn sie auf Microsoft-basierte Lösungen wechseln wollen?

MK: Zwar bietet Microsoft die Möglichkeit, nahezu die gesamte IT-Infrastruktur mit seinen Lösungen komfortabel abzubilden. Andererseits sollten Unternehmen nicht für jede spezifische Nischenanforderung versuchen, das System zurechtzubiegen. Stattdessen kann es sinnvoll sein, in bestimmten Bereichen auf spezialisierte Tools zurückzugreifen, um die bestmögliche Funktionalität zu gewährleisten. Diese Gelegenheiten zu erkennen, ist eine Herausforderung.

Eine andere ist, wie auch bei der Einführung jeder anderen CRM-Lösung, die Unternehmensprozesse neu zu denken und die optimale Balance zwischen dem Unternehmensspezifischen Prozess und dem System zu finden.

Durch die vielen Dynamics Implementierungen, die ich über die Jahre gesehen habe, habe ich eines gelernt:

Man darf nichts kategorisch ausschließen und muss offen bleiben, verschiedene Ansätze und Best Practices zu mischen.

So habe ich Lösungen gesehen, bei denen versucht wurde, alles über Low-/No-Code zu lösen, jedoch waren die Business Anforderungen so komplex, dass die dadurch entstandenen Low-Code-Bausteine weit entfernt von dem Gedanken der leichten Wartbarkeit waren. Bei anderen Lösungen wurde versucht, alle Unternehmenseinheiten in einen gemeinsamen Prozess zu zwingen, was zur Folge hatte, dass viele Einheiten ein paralleles Schatten-System betrieben haben, um ihre spezifischen Anforderungen abzubilden.

In welchen Branchen unterstützen Microsoft-Technologien Kundenzentrierte Innovationen besonders?

Besonders in Bereichen, wo es um den Umgang mit sehr verteilten Wissensquellen oder komplexen Prozessen geht, bieten KI-basierte Technologien bedeutende Vorteile. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist der Produktsupport in der Industrie.

MK: Selbst wenn Voice Bots dort in der Kundeninteraktion – auch mit internen Kunden – nicht in der Lage sind, ein Problem direkt zu lösen, können sie vorab die wichtigsten Fragen strukturiert klären oder aus der Kundenhistorie extrahieren und diese Informationen an einen menschlichen Agenten weiterleiten. Dieser Prozess steigert die Effizienz erheblich, da der Agent bereits mit relevanten Informationen ausgestattet ist und sich direkt auf die Problemlösung konzentrieren kann.

Was soll nach dem Copilot noch kommen? Wie sieht die Innovationsroadmap bei Microsoft im CRM-Bereich aus?

MK: Ein signifikanter Schritt war der Kauf von Nuance im letzten Jahr, einem Unternehmen, das sich auf Voice Recognition und Stimmprofile spezialisiert hat. Nuance ist vor allem im Medizinsektor bekannt, um Patienten eindeutig zu identifizieren und so das Sicherheitslevel nochmal signifikant zu steigern. Das Know-how von Nuance fließt gerade in Dynamics ein. Eine native Integration dieser Technologie in den Dynamics Kosmos bietet viele neue Potenziale.

Nachdem Copilot aktuell vor allem in der Web-Version von Dynamics verankert ist, arbeitet Microsoft u. a. aktuell daran, durch den gezielten Einsatz der GenAI Funktionalitäten in der Mobilen App für den Field Service Techniker neue Potenziale im Feld zu erschließen. Die Entwicklungen bleiben in jedem Fall dynamisch.

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