Ein Interview mit Rainer Kroker. Am Thema Nachhaltigkeit kommt heute kein Unternehmen mehr vorbei – das liegt nicht zuletzt an den immer komplexeren regulatorischen Anforderungen. PwC-Experte Rainer Kroker zeigt Verständnis für Unternehmen, die derzeit unter der hohen Regulierungslast ächzen. Im Interview richtet er den Blick auf die positiven Effekte, die sich ergeben, wenn Unternehmen sich auf die nachhaltige Transformation einlassen.
Über Rainer Kroker: Rainer Kroker ist Leiter des Geschäftsbereichs Nachhaltigkeitsberatung bei PwC Deutschland. Gemeinsam mit mehr als 750 Nachhaltigkeitsexpertinnen und -experten unterstützt er Unternehmen aus der Finanz-, Real- und Energiewirtschaft ganzheitlich bei ihrer Nachhaltigkeitstransformation.
Sie begleiten Organisationen seit vielen Jahren in Sachen Nachhaltigkeit. Wie hat sich der Blick der Unternehmen auf das Thema in den vergangenen Jahren verändert?
Rainer Kroker: Der Blick der Unternehmen hat sich deutlich verändert. Insbesondere die kapitalmarktorientierten Unternehmen beschäftigen sich zwar schon sehr lange mit dem Thema Nachhaltigkeit. Aber das, was die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) vorschreibt, geht deutlich weiter. Durch diese Regulierung werden die Unternehmen jetzt in der Breite erfasst und damit hat das Thema nochmal einen ganz anderen Stellenwert bekommen.
Mittelständische Unternehmen spüren diesen Druck gleich doppelt: Zum einem als Zulieferer kapitalmarktorientierter Unternehmen und zum anderen, weil sie nun direkt von der Regulierung betroffen sind.
Die Regulierung war also die Initialzündung, die das Thema in Gang gebracht und beschleunigt hat?
Kroker: Ja, es brauchte die Regulierung als Trigger, um das Thema in einem breiteren Unternehmensumfeld zu etablieren. Es gibt aber neben der Regulierung viele weitere Gründe für ein nachhaltiges Engagement: Insbesondere familiengeführte Unternehmen gehen das Thema häufig aus intrinsischer Motivation an. Viele haben sich bereits engagiert, als es den Regulierungsdruck noch nicht gab. Bei großen Konzernen spielen die Finanzierung und Optimierung der Produktionsprozesse seit jeher eine große Rolle. Das Spektrum der Motivation ist breit. Aber klar ist: Durch die Regulierung müssen sich heute viel mehr Unternehmen mit dem Thema intensiv befassen.
Viele Unternehmen kritisieren, dass die Umsetzung der Vorschriften viel zu aufwändig ist und ihnen deshalb wirtschaftlich schadet. Wie sehen Sie das?
Kroker: Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass sich nachhaltige Transformation und wirtschaftlicher Erfolg langfristig nicht ausschließen. Im Moment ist die Regulierung aber in der Tat so ausgestaltet, dass sie sehr komplex und dadurch teuer ist. Insofern nimmt die Mehrheit der Unternehmen das Thema verständlicherweise als überbordend wahr. Denn es ist ja nicht nur die CSRD, mit der sie sich intensiv auseinandersetzen müssen. Dazu kommen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), die Corporate Sustainability Due Dilligence Directive (CSDDD) als Pendant auf EU-Ebene mit der Transformation in nationales Recht, die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR), der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) und so weiter.
Aktuell fehlt für eine Managementsteuerung eine Fokussierung auf wenige entscheidende Parameter, die Belastung für die Unternehmen ist sehr hoch. Hinzu kommt die EU Greenwashing Directive, die Auswirkung auf die Produktversprechen der Unternehmen haben wird.
Gefährdet diese hohe Regulierungsdichte den Investitionsstandort Deutschland?
Kroker: Ich denke, die Regulierung ist nur einer von vielen Faktoren, die bei der aktuellen Abwanderungswelle eine Rolle spielen. Problematischer ist aus meiner Sicht, dass der Industriestrompreis in Deutschland viel zu hoch ist und insbesondere energieintensive Unternehmen häufig keine wirtschaftliche Möglichkeit mehr sehen, hierzulande im globalen Wettbewerb profitabel zu produzieren. Letztlich ist es die Summe der Aspekte, die die Unternehmen im Moment belastet: Zu den hohen Strompreisen kommen Probleme in der Lieferkette, eine wenig belastbare Infrastruktur, ein ausbaufähiges Bildungssystem und eine unzureichende digitalisierte Verwaltung. Die hohe Bürokratie kommt dann noch obendrauf.
Sie sind trotz allem davon überzeugt, dass Unternehmen profitieren, wenn Sie auf Nachhaltigkeit setzen. Worin bestehen diese Vorteile konkret?
Kroker:
Durch die CSRD sind die Unternehmen gezwungen, eine Bestandsaufnahme zu machen, wie sie in Sachen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung aufgestellt sind. Das sorgt für Transparenz.
Den Unternehmen und ihren Stakeholdern stehen dadurch viele entscheidungsrelevante Informationen zur Verfügung, die sie für die Steuerung nutzen können. Perspektivisch sind sie dadurch in der Lage, sich zu fokussieren und die wichtigsten Steuerungskennzahlen herauszufiltern, an denen sie ihre komplette Organisation, die Vorstandsvergütung, die Steuerung und das Risikomanagement ausrichten können. Viele Unternehmen zeigen sich offen dafür, in die nachhaltige Entwicklung zu investieren – und zwar insbesondere dann, wenn es wirtschaftlich sinnvoll ist. Ein gutes Beispiel ist die Kreislaufwirtschaft, wo es um die Wiederverwertung von Rohstoffen geht.
Wie wird sich das Thema der unternehmerischen Nachhaltigkeit in den kommenden fünf bis zehn Jahren weiterentwickeln?
Kroker: Im Moment sind die Unternehmen mit der CSRD so belastet, dass sie gar nicht nach rechts oder links schauen können, sondern sich voll auf die Umsetzung dieser regulatorischen Anforderungen fokussieren. Sobald die Erstjahrestransparenz vorliegt, werden sich die Unternehmen aber stärker damit beschäftigen, wie sie die erhobenen Kennzahlen für ihre interne Steuerung nutzen, automatisieren und fokussieren können. Insbesondere langfristig wird das Thema Nachhaltigkeit sogar noch wichtiger werden. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die regulatorischen Herausforderungen momentan für alle einen nicht zu unterschätzenden Mehraufwand bedeuten – auch für uns bei PwC.
Was macht PwC Deutschland selbst in Sachen Corporate Sustainability?
Kroker: Wie viele unserer Kunden sind auch wir CSRD-pflichtig und erfassen bereits seit Jahren zahlreiche Kennzahlen. Diese Zahlen belegen, dass wir im Vergleich zum Markt sehr gut dastehen. In den letzten zehn Jahren konnten wir unsere CO2-Emissionen pro Mitarbeitenden um mehr als 85 % reduzieren.
Auch insgesamt senken wir unsere Emissionen seit mehreren Jahren kontinuierlich. Dazu haben wir unter anderem auf 100 % erneuerbare Energien umgestellt, diverse Energieeffizienzmaßnahmen umgesetzt und unser Reiseverhalten angepasst.
Darüber hinaus engagieren wir uns in verschiedenen Initiativen, um nachhaltige Praktiken in der gesamten Branche zu fördern, und setzen auf innovative Lösungen, um unsere Umweltbelastung weiter zu verringern.
Inwiefern nützt Ihnen dies im Markt, etwa bei der Kundenakquise oder der Fachkräftesuche?
Kroker: Einkäufer fragen diese Aspekte zunehmend als Bewertungskriterien regelmäßig ab: Gibt es eine Nachhaltigkeitsstrategie? Einen Dekarbonisierungspfad? Eine Frauenquote? Und es kommen immer mehr junge Kolleginnen und Kollegen zu uns, die einen nachhaltigen Impact hinterlassen wollen – und nicht nur Geld verdienen und Karriere machen wollen. Sie wollen wissen, wie sich der Beitrag unserer Projekte bei unseren Kunden ganz konkret messen lässt – in Form einer CO2-Reduktion oder Dekarbonisierung. Wir arbeiten intensiv daran, das transparent aufzeigen zu können.
Welche drei konkreten Ratschläge geben Sie Unternehmen an die Hand, um das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen zu verankern und ganzheitlich voranzubringen?
Kroker: Zuallererst ist es entscheidend, die Unternehmenskultur entsprechend zu entwickeln und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf diesem Weg mitzunehmen. Die zweite Empfehlung ist, früh zu starten.
Je früher man beginnt, umso besser.
Gerade bei den aktuellen regulatorischen Anforderungen sehen wir, dass viele Unternehmen viel zu spät anfangen und dann läuft ihnen die Zeit davon. Und als letzte Handlungsempfehlung: Wählen Sie uns gern als Partner, mit uns bekommen Sie das Thema gut umgesetzt.
Was sind die Alleinstellungsmerkmale von PwC im Bereich der Nachhaltigkeitsberatung?
Kroker:
Wir bieten einen 360-Grad-Blick auf das Thema Nachhaltigkeit und bilden das komplette Spektrum der Sustainability Services ab.
Mit diesem Ansatz sind wir führend am Markt und wollen diese Marktführerschaft weiter ausbauen. Wir begleiten nicht nur beim Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Net-Zero-Strategie, sondern unterstützen als Sparring-Partner des CEO auch bei der Frage, inwiefern Unternehmen ihre Geschäftsmodelle und Energieversorgung anpassen müssen, um auch in Zukunft relevant und wettbewerbsfähig zu bleiben. Dank der profunden Kenntnisse unserer Nachhaltigkeitsspezialisten in Kombination mit der Branchenexpertise der Strategieberaterinnen und -berater von Strategy& haben wir auch durch unsere revisionssichere Umsetzung ein klares Alleinstellungsmerkmal im Markt.
Denn wir haben das Thema Nachhaltigkeit bereits seit 30 Jahren weit oben auf der Agenda und auch in Zeiten daran festgehalten, als man das als Geschäftsmodell noch müde belächelt hat.
Als Expertin für Nachhaltigkeitsberichterstattung fasst Nicolette Behncke in diesem Interview die wichtigsten Änderungen des Regierungsentwurfs im Vergleich zum Referentenentwurf zusammen und teilt wertvolle Handlungsempfehlungen für Unternehmen, die sich auf die neuen Berichtspflichten vorbereiten müssen.
Mit der Anti-Greenwashing-Richtlinie („Directive on empowering consumers for the green transition“) möchte die EU sicherstellen, dass sich Verbraucher:innen auf Basis belastbarer Informationen besser für den ökologischen Wandel engagieren können. Seit dem 26. März 2024 in Kraft, verpflichtet die Richtlinie Unternehmen, ihre Umwelt- und ESG-bezogenen Aussagen wissenschaftlich zu belegen – oder diese ganz zu unterlassen.
Erfahren Sie mehr über die Auswirkungen dieser Richtlinie auf Unternehmen im Interview mit Theres Schäfer und Prof. Dr. Jürgen Peterseim.