
Deutsche CEOs treiben nachhaltige Investitionen voran
Das Engagement vieler deutscher CEOs für Nachhaltigkeit bleibt hoch, wie der 28. Global CEO Survey eindrucksvoll zeigt – trotz neuer Herausforderungen.
Ein Interview mit Prof. Dr. Alexander Bassen und Rainer Kroker. Klimaschutzmaßnahmen und wirtschaftlicher Erfolg sind zwei Seiten einer Medaille. Davon sind Rainer Kroker und Prof. Dr. Alexander Bassen überzeugt. Im Interview sprechen sie darüber, wie es gelingt, die Balance zwischen Klimaschutz und wirtschaftlichem Erfolg zu finden. Sie beschreiben die aktuellen Chancen und Hürden der Nachhaltigkeitstransformation und geben Tipps, wie Unternehmen die Komplexität der regulatorischen Anforderungen bewältigen können.
Prof. Dr. Alexander Bassen ist Professor für Kapitalmärkte und Unternehmensführung an der Universität Hamburg und Vorsitzender des neuen Leitungsgremiums des Greenhouse Gas Protocols, dem globalen Standardsetzer zur Bilanzierung von Treibhausgasemissionen. Zudem ist er Mitglied im Sustainability Reporting Board der EFRAG, das den verpflichtenden europäischen Nachhaltigkeitsberichtsstandard, die ESRS, verfasst hat.
Rainer Kroker ist Leiter des Geschäftsbereichs Nachhaltigkeitsberatung bei PwC Deutschland. Gemeinsam mit mehr als 800 Nachhaltigkeitsexpertinnen und -experten unterstützt er Unternehmen aus der Finanz-, Real- und Energiewirtschaft ganzheitlich bei ihrer Nachhaltigkeitstransformation.
Prof. Dr. Bassen, inwiefern hängt die nachhaltige Ausrichtung eines Unternehmens mit dem finanziellen Erfolg zusammen? Welche Antworten liefert die Wissenschaft auf diese Frage?
Prof. Dr. Alexander Bassen: 50 Prozent der wissenschaftlichen Studien belegen einen positiven Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitsperformance und finanzieller Performance. In weniger als 10 Prozent der Studien findet man einen negativen Zusammenhang. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie der Stern School of Business aus New York aus dem Jahr 2023. Die Analyse bestätigt, was wir bereits 2015 in einer Studie herausgefunden haben.
Gerade für die großen Unternehmen ist es ein Hygienefaktor und ein „Good Management Approach“, sich mit Nachhaltigkeitsfragen auseinanderzusetzen und damit verknüpfte Chancen und Risiken zu berücksichtigen.
Was ist aus Ihrer Sicht der entscheidende Hebel für Unternehmen, um einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und gleichzeitig wirtschaftlich zu agieren?
Rainer Kroker:
Wirtschaftliches Handeln und Nachhaltigkeit schließen sich nicht aus.
Das erkennen auch CEOs hierzulande und treiben nachhaltige Investitionen voran. Laut unserem aktuellen CEO-Survey haben 96 Prozent der deutschen Unternehmen in den letzten fünf Jahren klimafreundliche Investitionen initiiert – über 10 Prozent mehr als im globalen Durchschnitt. Viele setzen auf energieeffiziente Betriebsabläufe, umweltfreundlichere Produkte und emissionsreduzierende Technologien.
Allem voran ist die Integration in Unternehmensführung und Strategie elementar. Ebenso wichtig ist es, die Transformation als Ganzes zu sehen. Das sind aus meiner Sicht die entscheidenden Hebel, um das Thema in der Unternehmensstruktur und in der Kultur zu verankern und positiv im wirtschaftlichen Sinne vorantreiben zu können.
Bassen: Maßnahmen gegen den Klimawandel und ökonomischer Erfolg sind zwei Seiten derselben Medaille. Wenn Unternehmen heute nicht in Klimaschutzmaßnahmen investieren, wird sie das in einigen Jahren einholen. Denn die ökonomischen Konsequenzen aus dem Klimawandel sind sehr eindeutig. Das Aufstellen von Klimazielen, die Integration in die Strategie, die Entwicklung von Transitionspfaden und die Verknüpfung mit der klassischen Finanzberichterstattung stellen somit ein reines Risiko- und Chancenmanagement dar.
Worin bestehen aus Ihrer Sicht die konkreten Chancen?
Bassen: Man muss zwei Dinge unterscheiden: Einmal die Frage der Implementierung von Nachhaltigkeits- und Klimafragen in das Management und die Strategie, und auf der anderen Seite die Berichterstattung. Letztere bewirkt, dass die Informationsunterschiede nach außen abgebaut werden. Und weil die Unternehmen berichten müssen, passen sie ihr Management und ihre Prozesse an. Das ist der Effekt, der vom Regulierer durchaus beabsichtigt ist. Aus der Verbesserung der internen Prozesse ergeben sich zahlreiche Vorteile – etwa die Reduktion von Kapital- und Energiekosten oder Marktchancen durch die Entwicklung klimaeffizienter Produkte.
Kroker:
Die Nachhaltigkeitstransformation geht eng einher mit der Energietransformation, die große wirtschaftliche Einsparpotenziale birgt.
Das Problem ist jedoch, dass wir in Deutschland momentan zu viele Baustellen haben. Die Bereitschaft der Unternehmen, Nachhaltigkeit weiter zu treiben, ist nach wie vor hoch – aber auch die Unsicherheit: Vor dem Hintergrund, dass es der Bundesregierung Ende 2024 nicht mehr gelungen ist, die CSRD in nationales Recht umzusetzen, sehen wir bei vielen Unternehmen große Fragezeichen – bei den Welle-1-Reportern, die mehrheitlich ESRS-konform umsetzen, und den Welle-2-Reportern, die inhaltliche und zeitliche Klarheit brauchen. Zu umfangreiche Regulierung darf nicht dazu führen, das eigentliche Ziel aus dem Auge zu verlieren.
Ist das Hauptproblem die Unsicherheit, weil unklar ist, wie und wann die CSRD nun in deutsches Recht umgesetzt werden oder ist es die Komplexität der Regulatorik?
Kroker: Im Moment ist die Regulatorik in der Tat zu komplex. Es fehlt die Fokussierung: Viele Unternehmen erheben Tausende Datenpunkte, berechnen Hunderte an Kennzahlen. Da stellt man sich schon die Frage: Wo ist der Fokus? Im Management Reporting versuchen wir ja auch, uns auf steuerungsrelevante Kennzahlen zu fokussieren. Eine Aufgabe der EU und der nationalen Gesetzgeber wird es sein, Schwerpunkte zu setzen.
Bassen: Für die Unternehmen kommt in diesem Jahr alles zusammen: Sie müssen eine umfangreiche Materialitätsanalyse mit neuen oder ergänzenden Kriterien vornehmen und Wahrscheinlichkeiten für positive und negative Impacts in der Wertschöpfungskette abschätzen. Einige Unternehmen haben das noch nie oder nicht in dieser Form gemacht. Sie müssen die Informationen sammeln, die Systeme aufbauen und prüfen lassen.
Im ersten Jahr ist das alles erschlagend. Das wird im zweiten Jahr deutlich einfacher.
Prof. Dr. Bassen, Sie setzen sich mit einem Projektteam der Uni Hamburg dafür ein, die ESRS in eine leicht verständliche Sprache zu übersetzen. Was ist dabei der aktuelle Stand?
Bassen: Gemeinsam mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex haben wir eine Überarbeitung vorgenommen, um die Richtlinien in eine verdauliche Form zu bringen. Wir haben jeden einzelnen Datenpunkt in eine einfache Sprache übersetzt. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert, das großes Interesse daran hat, den Unternehmen bei der Umsetzung zu helfen. In Kürze wird es eine Online-Plattform geben, die Unternehmen kostenlos für ihre Berichterstattung nutzen können.
Wie sehen Sie die Entwicklung bei der Klimaberichterstattung über die vergangenen Jahre?
Bassen: Ich habe 2007 bis 2009 den CDP-Report für Deutschland, Österreich und die Schweiz geschrieben. Als wir die Unternehmen damals nach den Chancen und Risiken aus dem Klimawandel oder nach ihren Scope-1-, 2- und 3-Emissionen fragten, blickten wir häufig in ratlose Gesichter. Mittlerweile ist die Zahl der Unternehmen, die nach CDP berichten, stark gestiegen. Das gilt auch für die Nutzenden des Greenhouse Gas Protocols.
Wir müssen immer unterscheiden zwischen den kapitalmarktorientierten Gesellschaften und den nicht-kapitalmarktorientierten Unternehmen. Gerade bei der letzten Gruppe sehe ich noch sehr viel Luft nach oben. Deshalb müssen wir uns sehr viel stärker im Bereich Weiterbildung engagieren. In den großen Unternehmen sind die Skills und das Wissen da. Aber bei den anderen ist es wichtig, die Implementierung zu begleiten und zu unterstützen.
Kroker: Bei PwC beschäftigen wir uns seit langem mit den Themen Klimaberichterstattung und Klimabilanzierung, immer auch aus strategischer Sicht. Wenn man sich viele Unternehmen in Deutschland anschaut, muss man allerdings feststellen, dass das Thema noch immer nicht hinreichend auf der Agenda steht. Ich bin aber optimistisch, dass es in Zukunft Fahrt aufnehmen wird – auch dank der Transparenz, die jetzt geschaffen wird.
Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat US-Präsident Donald Trump den erneuten Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen unterzeichnet. Befürchten Sie nun einen Backlash in Sachen Nachhaltigkeit in Europa?
Bassen: Auf der einen Seite sehen wir, dass Klimathemen auch für amerikanische Unternehmen noch sehr aktuell sind.
Aber der Gegenwind, der sowohl bei der Berichterstattung als auch bei der Implementierung von Nachhaltigkeit aus den USA herüber weht, ist spürbar.
Das zeigt sich an der Diskussion rund um den Bürokratieabbau und die geplante Omnibus-Verordnung der EU, die ESG-Berichtspflichten vereinfachen und reduzieren soll. Es ist salonfähig geworden, zu sagen, dass die Nachhaltigkeitsthemen nicht mehr so relevant sind. Und diese Entwicklung hat auch mit der politischen Situation und dem Rechtsruck in Europa zu tun.
Kroker: Die USA fallen in Sachen Nachhaltigkeit in der Tat zurück. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass das eins zu eins nach Europa und Deutschland schwappt. Auch wenn das CSRD-Gesetz hier vorerst nicht in die Umsetzung gegangen ist, sagen viele deutsche Unternehmen: Jetzt haben wir so viel Zeit und Geld investiert, Kapazitäten auf- und ausgebaut, die Transparenz über Systeme und Prozesse geschärft, nun möchten wir das Reporting auch veröffentlichen.
Die Unternehmen halten es für wichtig, CSRD-compliant zu sein – obwohl das Gesetz nicht verabschiedet wurde.
Seit kurzem beraten Sie Unternehmen im Rahmen einer Kooperation gemeinsam. Inwiefern profitieren PwC-Kunden von dieser Zusammenarbeit?
Kroker: Unsere Zusammenarbeit hat eine lange Tradition. So haben wir vor zehn Jahren den Building Public Trust Award gemeinsam ins Leben gerufen. Dieser Preis zeichnet Unternehmen für die beste Nachhaltigkeitsberichterstattung aus und wird jährlich von der Sustainable Finance Research Group unter der Leitung von Prof. Dr. Bassen vergeben. Wir führen auch gemeinsame Studien durch, wie eine kürzlich veröffentlichte Analyse zur regenerativen Landwirtschaft. Viele Unternehmen spüren aktuell große Unsicherheiten mit Blick auf Nachhaltigkeitsstandards und deren Auslegung. Das wissenschaftliche Fundament von Herrn Bassen bringt einen außerordentlichen Mehrwert in die Praxis ein.
Bassen: Als Wissenschaftler bin ich unabhängig und sehe meine Rolle als Unterstützer der Arbeit von PwC Deutschland, aber auch als kritischer Begleiter, der eine weitere Meinung einbringt.
Haben Sie abschließend noch eine Empfehlung für Unternehmen, wie diese in der aktuell schwierigen Gemengelage ihre Nachhaltigkeitsagenda effizient vorantreiben können?
Kroker:
Mit Blick auf die Komplexität der regulatorischen Anforderungen rate ich Unternehmen, möglichst früh mit der Umsetzung anzufangen.
Wer zu spät startet, wird irgendwann zeitlich und intensitätsmäßig überfordert sein. Daher gilt: das Thema von Anfang an auf die strategische Agenda zu nehmen, stakeholdergerecht zu transportieren und die Unternehmenskultur mitzunehmen.
Bassen:
Die nationale Umsetzung der CSRD wird kommen, das ist vollkommen klar.
Ich würde die jetzt gewonnene Zeit nutzen, um diejenigen Personen im Unternehmen zu identifizieren, die „Changemaker“ sind – also wirklich die Bereitschaft haben, die nötigen Veränderungen mitzutragen und voranzubringen.
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