Die Digitalisierung aller Bereiche der Wirtschaft birgt über alle Branchen und Regionen hinweg für zahlreiche Unternehmen Chancen und Handlungsbedarf. Dabei müssen vor allem etablierte Unternehmen darauf achten, dass sie im neuen digitalen Zeitalter relevant und erfolgreich bleiben. Neben kontinuierlichen Produktinnovationen rückt zunehmend auch die Zielgruppenansprache in den Vordergrund. Viele Unternehmen betätigen sich als Sponsoren der Sport-, Kunst- oder Musikbranche, um die Interessen ihrer Zielgruppen abzudecken, in einen engen Kontakt mit ihren Kunden zu treten und Teil von deren Lebenswelt zu werden. Allerdings müssen viele von ihnen dabei feststellen, dass gerade die Millennials, also die etwa 16- bis 36-Jährigen, oft nicht mehr über die klassischen Werbekanäle zu erreichen sind. Vielmehr erwarten diese personalisierte Interaktionen auf den für sie wichtigen Kommunikationskanälen wie Facebook, Instagram, WhatsApp oder Snapchat. Die Nutzung des E-Sportts als Marketingkanal eröffnet hier einen innovativen digitalen Weg, um die Gruppe dieser Digital Natives zu erreichen.
Beim E-Sport handelt es sich um eine relativ junge Branche, die aber bereits jetzt mit etablierten Sportarten mithalten kann. So etwa wurden im Zuge des Dota-2-Turniers The International 2017 fast 22 Millionen Euro (25 Mio. US-Dollar) an Preisgeldern an die teilnehmenden Teams ausgeschüttet. Damit wurden die Preisgelder in verschiedenen anderen Sportarten, wie Radsport (Tour de France 2017: 2,3 Mio. Euro) oder Golf (The Open 2017: 9,2 Mio. Euro) deutlich übertroffen.
„Sogar besonders prestigeträchtige Wettbewerbe wie das Tennisturnier in Wimbledon (2017: 35,4 Mio. Euro) sind in greifbare Nähe gerückt.“
Dennoch erfährt die Branche erst nach und nach wachsende Aufmerksamkeit aus den etablierten Branchen. So können sich einzelne Akteure, die erst vor kurzer Zeit Eintritt in den E-Sport-Markt gefunden haben, noch als führende Player in diesem Markt etablieren. Dabei ist es nicht relevant, aus welcher Branche das jeweilige Unternehmen stammt. Analog zu klassischen Sportarten wie Fußball oder Basketball ist E-Sport sowohl für endemische Sponsoren wie Hersteller von Hardware und Spielen, etwa Intel oder Electronic Arts, als auch für nicht endemische Unternehmen aus anderen Branchen wie beispielsweise Coca-Cola, Toyota oder McDonald’s attraktiv.
Nicht endemisch | Endemisch |
Nicht endemische Unternehmen grenzen mit ihren Produkten und Dienstleistungen nicht direkt an die E-Sport-Branche an oder sind nicht Bestandteil der Geschichte dieser Branche. Sie spielen eine sekundäre Rolle und können aus unterschiedlichsten Branchen stammen. | Endemische Unternehmen stellen Produkte oder Dienstleistungen her, die für die E-Sport-Branche wesentlich sind, etwa Spiele- und Hardwarehersteller wie Intel, HyperX oder Ubisoft. Sie investieren direkt in den Erfolg des E-Sport. |
Nachfolgend werfen wir einen genaueren Blick auf die Entstehung des E-Sports als Branche und Marketingbühne und stellen dar wie Unternehmen durch ein E-Sport-Engagement ihre Zielgruppen adressatengerecht erreichen können. Hierzu zeigen wir auch Risiken und Best Practices auf.
Mit einem E-Sport-Engagement ist eine Aktivierung von Zielgruppen in neuen Dimensionen möglich. E-Sport spricht eine Zielgruppe an, die über herkömmliche Medien nur noch schwer zu erreichen ist. Durch das Internet kommt E-Sport auf hohe Reichweiten, aber auch in die Arenen für Turniere strömen die Fans zu Zehntausenden.
Weltweit erreichte E-Sport 2016 bereits 323 Millionen Zuschauer, wie der „Digital Trend Outlook 2017: E-Sport – Der Sport, der keiner sein darf?“ von PwC feststellt. Newzoo stuft mehr als sechs Millionen Deutsche als E-Sport-Interessenten ein, womit der hiesige Markt ein Potenzial besitzt, das mit Südkorea, einer der zurzeit führenden E-Sport-Nationen, vergleichbar ist.
Vor allem Unternehmen, für die die heutigen Sponsoringpakete wie beispielsweise von Sportvereinen oder -arten und klassischen Medialeistungen zu teuer oder zu umkämpft sind, dürften in der noch jungen E-Sport-Branche Platz finden. In der Consumer Intelligence Series 2016 mit dem Titel „The burgeoning evolution of eSports“ hat PwC den typischen E-Sport-Konsumenten als jung, mit einem Durchschnittsalter von 28 Jahren (hauptsächlich 18−34 Jahre) und ethnisch heterogen beschrieben. E-Sport-Zuschauer sind technisch versiert und offen für neue Plattformen und Technologien. Laut dieser Studie handelt es sich beim E-Sport-Publikum keineswegs um Kinder und Jugendliche, sondern um eine Gruppe junger Erwachsener mit Fachausbildung und signifikanter Kaufkraft.
Die Sponsoring-Erfolgsgeschichte des E-Sport gleicht durchaus der des Fußballs, denn auch dieser war nicht immer ein Millionengeschäft und hat ebenfalls klein begonnen. Erst 1973 begann das Trikotsponsoring durch Günter Mast und Jägermeister. 100.000 D-Mark hatte der Verein Eintracht Braunschweig für das Hirschkopf-Logo auf der Brust der Spieler bekommen.
Inzwischen zahlen die im Fußball nicht endemischen Unternehmen Millionen, um auf die Trikots der Vereine zu kommen. Schätzungsweise erhält der FC Bayern von einem seiner Hauptsponsoren, der Deutschen Telekom, bis 2023 jedes Jahr 35 Millionen Euro. Aber nicht nur in dieser Hinsicht ähnelt die E-Sport-Entwicklung der im Fußball. Auch die Namensgebung der Teams findet sich in der E-Sport-Szene wieder. So wie im Fußball der Unternehmensname von Bayer Teil des Vereinsnamen vom Leverkusener Bundesligist Bayer 04 Leverkusen ist, so finden sich auch E-Sport-Teams mit Namen wie Samsung Galaxy oder SK Telecom T1. Noch sind die Sponsoringeinnahmen der E-Sport-Teams nicht mit denen von Fußballvereinen vergleichbar, jedoch geht die Entwicklung deutlich und schnell in diese Richtung.
E-Sport begann in seiner Entstehung – und das gilt noch heute für jedes neue Spiel, das auf den Markt kommt und E-Sport-Potenzial hat – mit den Fans. Das sind nicht nur die Spieler, die das Spiel kaufen, sondern auch all diejenigen, die um das Spiel herum eine Community aufbauen und sozusagen ein Leben außerhalb des Spiels kreieren, indem sie Taktiken, Statistiken und neue Spielentwicklungen diskutieren. Je vielfältiger und vernehmlicher die Diskussion außerhalb des Spiels auf sozialen und digitalen Plattformen verläuft, desto mehr wächst das Interesse auch der Nichtspieler und desto mehr Menschen schauen Gamern beim Spielen auf Twitch oder ähnlichen Streamingwebsites zu.
Inzwischen wird dem Ganzen deutlich mehr Aufmerksamkeit seitens der Unternehmen geschenkt: Zuerst wurden endemische Unternehmen, etwa Spiele- oder Hardwarehersteller, als Sponsoren für Turniere gewonnen. Mit steigender Aufmerksamkeit durch ein Millionenpublikum wurden auch nicht endemische Sponsoren, vor allem Unternehmen aus den Bereichen Energy Drinks und Fast Food angelockt. Nielsen Sports berichtete, dass weltweit 42 Prozent der E-Sport-Markensponsoren im zweiten Quartal 2017 nicht endemisch waren. Erschien die Beteiligung von Wüstenrot als Hauptsponsor der ESL-Frühlingsmeisterschaft 2016 noch überraschend (aber erfolgreich), so folgen seitdem immer mehr nicht endemische Unternehmen. In Zukunft wird es wohl keine überraschenden, nicht endemischen Sponsoren mehr geben.
Partnerschaften aus dem nicht endemischen Bereich sind für eine noch junge, wachsende Branche wie E-Sport von großer Wichtigkeit. So fließt nicht nur mehr Geld in den E-Sport-Markt, das E-Sport-Ökosystem lernt auch aus der Erfahrung und der Professionalität der teils sehr erfolgreichen Großunternehmen.
Bereits 2017 erwirtschaftete die E-Sport-Branche global mehr als 555 Millionen Euro, laut dem Global Entertainment and Media Outlook 2018 von PwC werden 1,4 Milliarden Euro für 2022 prognostiziert. Davon entfallen rund 32 Prozent auf das Sponsoring.
Der neueste Trend, das E-Sport-Engagement verschiedener Automobilhersteller, zeigt, wie der Spagat zwischen traditionellem Offline- und innovativem Onlinemarketing gelingen kann. Im Januar 2017 verkündeten Audi Dänemark und das dänische CS:GO-Team Astralis einen Sponsoringvertrag, der als dreimonatiges Pilotprogramm geplant war. Audi investierte dabei rund 670.000 Euro: Astralis-Trikots wurden mit einem Audi-Logo ausgestattet, Audi-Banner- und -Pop-up-Werbung wurden auf der Astralis-Internetpräsenz geschaltet und es wurde eine Social-Media-Kampagne gestartet.
Eine Analyse des Informations- und Mediadatenunternehmens Nielsen bescheinigte der Partnerschaft einen großen Erfolg: Der Return des Sponsoring-Investments – gemessen an der Anzahl der Markenkontakte und an der Auswirkung auf den Wert der Marke – übertraf die Investition um das Zehnfache. Während die Liveübertragung im Fernsehen und das Streaming im Internet die wesentlichen Wertschöpfungstreiber für Audi waren, wurden fast 40 Prozent des Ertrags durch Erwähnungen und Bilder auf sozialen und digitalen Plattformen generiert.
Insgesamt wurde von über 25 Millionen Impressionen von Astralis-Social-Media-Kanälen, über zwölf Millionen Stream- und Fernsehzuschauern und über 160.000 Videoaufrufen berichtet, die Audi durch diese Partnerschaft erreichte. Zusätzlich wurde zu dem Zeitpunkt in 163 Onlineartikeln aus 27 Ländern von der Audi-Astralis-Partnerschaft berichtet.
Europäische und amerikanische Firmen, die potenzielle Absatzmärkte in Asien sehen, können ein E-Sport-Engagement für ihre Werbezwecke nutzen und von der besonders hohen E-Sport-Affinität in asiatischen Ländern wie etwa China profitieren. Bundesligisten, die für ihren Fußballverein bereits Marketingaktivitäten in China betreiben, können nun auch die E-Sport-Sparte nutzen, um so eine größere Reichweite in China zu erzielen und mehr junge, vor allem männliche Fans für sich zu gewinnen. Wie viele andere Fußballvereine ist Schalke 04 bereits seit einigen Jahren in China aktiv und erreicht dort über 20 chinesische Medienkanäle täglich rund 1,3 Millionen Chinesen. Bei einem chinesischen E-Sport-Publikum, das laut Newzoo 125 Millionen Menschen umfasst, wird diese Zahl nur wachsen, wenn Schalkes League-of-Legends-Team sich in Turnieren einen Namen macht.
Die Eintrittsbarrieren und die verbundenen Kosten, etwa das Sponsern des Trikots eines E-Sport-Teams, sind heute noch niedrig – und bieten somit eine attraktive Gelegenheit, mit einem überschaubaren Marketingbudget viele Konsumenten zu aktivieren und einen hohen Return on Investment zu erzielen.
Mit dem Start der Overwatch League (OWL) von Blizzard Ende 2017 wurde das E-Sport-Sponsoring mit Städte-Franchises und hohen Einstiegsinvestitionen auf eine neue Ebene gehoben. Zum ersten Mal in der Geschichte des E-Sport wurde eine Liga ins Leben gerufen, die sich primär an den Strukturen von Ligen wie der National Basketball Association orientiert. Dabei wurde trotz der Beteiligung vieler endemischer E-Sport-Organisationen bewusst auf die Nutzung der in der Szene bekannten Markennamen wie EnVyUs oder OpTic Gaming verzichtet. Vielmehr prägen neu geschaffene, städtebasierte Namen (Dallas Fuel, London Spitfire etc.) die Liga und sollen neben den bereits existierenden Fans auch E-Sport-fremde Lokalpatrioten ansprechen. Mit der zunehmenden Professionalisierung des E-Sport, steigenden Umsätzen und einer stetig wachsenden Zuschauerbasis stellt sich für viele Firmen die Frage, ob und wie sie sich in der E-Sport-Branche engagieren sollten. Dabei kristallisieren sich drei verschiedene Modelle heraus:
E-Sport-Wettbewerbe füllen ganze Stadien – auch in Europa. Neben dem Sport zählt vor allem das gemeinsame Erlebnis.
Sponsoring und große Live-Events haben sich in der E-Sport-Branche zu wichtigen Wirtschaftsfaktoren entwickelt.