Wie wird Ihr Unternehmen in einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Welt Wert schaffen? Aktuell diskutieren viele Unternehmenschefs Netto-Null-Ziele und Dekarbonisierungspfade; sie entwickeln grüne Produkte und Dienstleistungen und einige Industrien engagieren sich in Projekten zur Kreislaufwirtschaft. Aber noch zu wenige Unternehmen richten ihr Portfolio, ihre Angebote und Fähigkeiten bereits komplett auf die Chancen aus, die sich durch eine Fokussierung auf Nachhaltigkeit ergeben. Und nur eine Minderheit stellt bereits heute klare strategische Weichen, um die Risiken zu vermeiden, die sich aus ökologischen und sozialen Missständen wie dem Klimawandel und der wirtschaftlichen Ungleichheit ergeben.
Das könnte sich jedoch bald ändern. In naher Zukunft dürften sich immer mehr CEOs dazu entschließen, sich intensiv mit den strategischen und finanziellen Auswirkungen von Nachhaltigkeit zu befassen. Der Grund ist ein neuer Berichtsstandard der Europäischen Union: die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die sogenannte Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Diese hat das Potenzial, die Agenda für Wertschöpfung in Unternehmen komplett umzukrempeln.
Ihre Expertin für Fragen
Nicolette Behncke
Partnerin, Nachhaltigkeitsberatung bei PwC Deutschland
Tel.: +49 171 7640004
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Wenn Führungskräfte sich dazu entscheiden, die Richtlinie als bloße Formalie abzuhaken, werden sie wahrscheinlich Gewinneinbußen in Kauf nehmen müssen. Schlimmer noch: Der Wert ihres Unternehmens könnte erodieren, wenn Investor:innen erkennen, dass die Unternehmensstrategie die Risiken und Chancen von Nachhaltigkeit nicht berücksichtigt.
In einer aktuellen PwC-Umfrage sprach sich eine deutliche Mehrheit der Investor:innen dafür aus, dass Unternehmen Informationen wie den Einfluss von Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen auf ihr Geschäftsmodell sowie ihren Impact auf Umwelt und Gesellschaft ausweisen.
Auf der anderen Seite können Führungskräfte, die die Logik der CSRD richtig anwenden, besser verstehen, wie sich Nachhaltigkeitsfaktoren auf ihre Wertschöpfung auswirken, und damit auch bessere finanzielle Ergebnisse erzielen.
Damit letzteres gelingt, müssen Unternehmen vier grundlegende Veränderungen anstoßen:
CSRD im Fokus: Bei der Corporate Sustainability Reporting Directive geht es nicht nur um die Offenlegung von Informationen, sondern auch darum Nachhaltigkeit ganzheitlich zu betrachten. Denn: Die Richtlinie erfordert neben der Erhebung der Auswirkungen des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft, dass Nachhaltigkeitsthemen wie Klimawandel, Verlust der Biodiversität und Menschenrechte analysiert, gesetzte Ziele transparent gemacht und gemessen werden. Aber wie gelingt das in der Praxis? Finden Sie es in unserer aktuellen Webcastreihe heraus! In den monatlich stattfindenden Veranstaltungen begleiten unsere Expert:innen Sie auf Ihrer CSRD-Reise und stellen wissenswerte Insights aus bisherigen Umsetzungsprojekten vor.
Die wichtigste Anforderung, die sich aus der CSRD ergibt: Führungskräfte müssen offenlegen, wie ihre Geschäftsstrategie mit der Nachhaltigkeitsagenda verknüpft ist. Laut einer kürzlich veröffentlichten PwC-Studie geben 72 % der befragten Unternehmen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden an, eine steuerungsrelevante Nachhaltigkeitsstrategie innerhalb der Unternehmensstrategie implementiert zu haben.
Die neue Richtlinie soll diese Entwicklung weiter bestärken: Führungskräfte müssen künftig darlegen, wie sie Geschäftschancen und -risiken im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsfragen sowie die möglichen Auswirkungen auf die finanziellen Ergebnisse bewerten. Dazu zählen auch die Auswirkungen des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft. Sie müssen erklären, ob und wie ihre Gesamtstrategie Nachhaltigkeitsfaktoren und deren finanzielle Auswirkungen berücksichtigt und ob und wie sie planen, die Nachhaltigkeitsleistung ihres Unternehmens zu verbessern.
Nicht zuletzt müssen sie all dies in einem einzigen Bericht dokumentieren, den Investor:innen und andere Stakeholder zum Benchmarking nutzen werden. Darüber hinaus verlangt die CSRD, dass die Geschäftsleitung berichtet, wie ihre Strategie und ihre Pläne im Umgang mit allen Nachhaltigkeitsthemen, die sie als wesentlich erachten, aussehen.
Praxisbeispiel aus der Textilbranche zur Veranschaulichung
Wenn die Führungskräfte eines Bekleidungsunternehmens den Wasserverbrauch als wesentlich einstufen, müssen sie ihre Strategie und Ziele – so vorhanden – mit den entsprechenden Auswirkungen, Chancen und Risiken verknüpfen – und gleichzeitig die entsprechenden Leistungsindikatoren offenlegen, etwa den Wasserverbrauch in der gesamten Wertschöpfungskette vom Baumwollanbau bis zur Textilverarbeitung.
„Die Integration von Nachhaltigkeitsfaktoren in die strategische Planung und das daraus resultierende unternehmerische Handeln erfordert einen funktionsübergreifenden Ansatz, der vom CEO in Kooperation mit dem gesamten Vorstand eng überwacht wird.“
In der Praxis bewährt haben sich multidisziplinäre Teams aus Spezialisten für Finanzen, Nachhaltigkeit, Investor Relations und Strategie, die zunächst umfassende Empfehlungen für die Bewältigung von Herausforderungen und Chancen erstellen, die sich aus Nachhaltigkeitsfragen ergeben. Diese Empfehlungen sind dann wiederum in veränderte unternehmerische Abläufe zu übersetzen, um eine nachhaltige Transformation zu bewirken.
Die Erfahrung der PwC-Expert:innen zeigt zudem, dass CFOs besonders gut in der Lage sind, einen Beitrag zu leisten, indem sie die Daten zur Einbettung von Nachhaltigkeitsfaktoren in die strategische und finanzielle Planung bereitstellen, die Performance im Unternehmen überwachen und und entsprechende Gespräche mit Investor:innen und anderen Stakeholdern führen.
Die EU-Richtlinie schreibt eine weitere wichtige Aktivität vor: Sie verlangt von Führungskräften, dass sie alle wesentlichen Auswirkungen ihres Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft verstehen und darlegen, ob und wie sie diese steuern.
Derzeit betrachten Führungskräfte Nachhaltigkeitsthemen oft unter dem Gesichtspunkt, wie sich diese auf die Finanzen des Unternehmens auswirken könnten. Physische Klimagefahren wie Überschwemmungen und Waldbrände können zum Beispiel Eigentum beschädigen und den Betrieb stören. Die EU-Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet Führungskräfte nun dazu, auch die ökologischen und sozialen Auswirkungen des Unternehmens zu betrachten, zu erfassen und zu berichten.
Genau das fordern auch die Investor:innen ein: Im PwC Global Investor Survey stimmten 60 % zu, dass es für Unternehmen wichtig ist, über ihre Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft zu berichten. Immer mehr Organisationen tun dies bereits, so wie die mehr als 5.000 Unternehmen weltweit, die sich verpflichtet haben, wissenschaftlich fundierte Ziele für die Reduktion von CO₂-Emissionen festzulegen.
„Die formale Beurteilung, welche externen Nachhaltigkeits-Impacts wesentlich sind, ist neu und ungewohnt, und es gibt bisher nur wenige Standards. Wir haben einen standardkonforme, pragmatische (und digitalisierte) Hilfestellung hierzu entwickelt, an der sich Manager orientieren können.“
Der typische Ansatz besteht darin, die Relevanz der Auswirkungen auf der Grundlage des Feedbacks von Stakeholdern, beispielsweise Investor:innen, Mitarbeitenden und Kund:innen, und des Management-Inputs zu bewerten.
Praxisbeispiel aus der Konsumgüterindustrie zur Veranschaulichung
Um die erste Bewertung der Wesentlichkeit der Nachhaltigkeitsauswirkungen vorzunehmen, erstellte ein Konsumgüterhersteller eine Liste mit den branchenüblichen Nachhaltigkeitsthemen, ordnete diese mithilfe eines speziellen Tools seiner Wertschöpfungskette zu und zeichnete die kaskadenartigen Auswirkungen der Aktivitäten auf. In Workshops, die unter Einbindung des Managements stattfanden, analysierten die fachlichen Bereichsleiter unter Spiegelung der Stakeholderperspektive im Anschluss jedes Thema und bewerteten diese auf mehreren Skalen: positiv bis negativ, tatsächlich bis potenziell, lokal bis weit verbreitet, geringfügig bis erheblich und behebbar bis dauerhaft.
Sobald Führungskräfte ihre Unternehmensstrategien unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten überarbeitet haben, sollten sie die neuen Prioritäten in ihre strategischen Entscheidungsprozesse für Investitionen, Portfoliogestaltung oder Marktpositionierung einbeziehen.
Der Ansatz, Geschäftsentscheidungen auf der Grundlage nicht-finanzieller Prioritäten zu treffen, ist nicht neu. Viele Unternehmen nutzen Leistungsindikatoren, die nicht monetär gemessen werden – etwa Mitarbeiter- oder Kundenbindung – weil sie wissen, dass eine bessere Leistung in diesen Bereichen zu besseren finanziellen Ergebnissen führen kann. Die CSRD stärkt diese Denkweise. Sie verlangt von Unternehmen, dass sie erklären, ob und wie sie ihre Nachhaltigkeitsleistung steuern und warum sie bestimmte Maßnahmen ergriffen haben.
„Führungskräfte benötigen glaubwürdige Methoden, um ihre Ressourcen zwischen Projekten, Investitionen oder Geschäftsbereichen aufzuteilen, die unterschiedliche Auswirkungen auf finanzielle und Nachhaltigkeitsaspekte haben.“
So steht ein Unternehmen beispielsweise vor der Entscheidung, ob es in ein Projekt mit hohen finanziellen Erträgen (gemessen in Cashflows) und einem guten sozialen Nutzen (gemessen in der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Entwicklung von Fähigkeiten) investiert, dafür aber eine weniger gute Umweltleistung (gemessen in CO₂-Emissionen und Abfall) in Kauf nimmt oder in ein Projekt mit bescheidenen finanziellen Erträgen, das aber einen außergewöhnlichen sozialen Nutzen bringt und die Umwelt schont. Bei der Strukturierung solcher Entscheidungen helfen Methoden, welche die ökonomischen, ökologischen und sozialen Impacts gegenüberstellen.
Praxisbeispiel aus der Chemiebranche zu Veranschaulichung
PwC Deutschland hat in Zusammenarbeit mit einem Chemiekonzern eine Methode entwickelt, um die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen eines Projekts entlang der gesamten Wertschöpfungskette in Geldeinheiten zu quantifizieren.
Indem diese Auswirkungen in wirtschaftliche Begriffe übersetzt werden, hilft die Methode Führungskräften dabei, die verschiedenen Arten zu verstehen, wie ein Projekt Wert für die Gesellschaft schafft, ohne dass sie eine Vielzahl unterschiedlicher, nicht-monetärer Kennzahlen interpretieren müssen.
Die Methode ermöglicht es dem Unternehmen auch, den Wert jeder einzelnen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkung separat zu betrachten. So können fundiertere und verantwortungsvollere Entscheidungen getroffen werden.
Um Geschäftsentscheidungen unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren treffen zu können, müssen Unternehmen detaillierte Nachhaltigkeitsdaten zur Hand haben – und sie müssen diesen genauso vertrauen können wie den finanziellen Daten. In diesem Punkt herrscht noch viel Skepsis: Im Global Investor Survey von PwC vermuten 87 % der befragten Investor:innen, dass Unternehmensberichte Greenwashing enthalten.
Fest steht: Die Nachhaltigkeitsdaten und -berichte werden besser. Immer mehr Länder haben Anforderungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung eingeführt oder erweitert. Die CSRD legt die Messlatte nun noch ein Stück höher. Denn Unternehmen, die der Richtlinie unterliegen, müssen ihre Nachhaltigkeitsangaben extern bestätigen lassen. Das wird die Glaubwürdigkeit erhöhen und Führungskräften, Vorständen und Investor:innen helfen, bessere Entscheidungen zu treffen.
Es braucht allerdings hochwertige Systeme und Kontrollen, um Finanzdaten zu erfassen und zu verwalten. Bislang gibt es nur wenige Unternehmen, die solche Systeme bereits im Einsatz haben.
„Viele CFOs stehen aktuell vor der Aufgabe, die Systeme und Kontrollen für Nachhaltigkeitsdaten auf den gleichen Standard zu bringen wie die für Finanzdaten.“
Diese Aufgabe ist umso schwieriger, da sie die Identifizierung und Beschaffung aller einzelnen Nachhaltigkeitsdaten erfordert, die zur Berechnung der in der CSRD geforderten Datenpunkte benötigt werden. Wenn einzelne Datenelemente nicht verfügbar sind, müssen die Unternehmen Prozesse für deren Beschaffung einrichten.
Praxisbeispiel aus der Pharmaindustrie zur Veranschaulichung
Ein europäisches Pharmaunternehmen konzentriert sich auf Daten für das Management und die kurzfristige Berichterstattung sowie für die mittel- und langfristige strategische Entscheidungsfindung. Das Unternehmen setzt dabei auf bewährte Elemente seiner bestehenden technischen Systeme, um so viele Nachhaltigkeitsdaten wie möglich zu erhalten. Gleichzeitig ergänzt es gezielt Lösungen, um Datenlücken zu schließen.
Um sich auf die Zukunft vorzubereiten, integriert der Konzern die Nachhaltigkeitsanforderungen in ein größeres ERP-Transformationsprojekt. Das verringert sowohl Komplexität als auch Kosten und steht damit im Einklang mit dem Prinzip, Nachhaltigkeit in alle Managementaktivitäten einzubetten.
Die EU-Richtlinie betrifft Tausende von Unternehmen weltweit. Mit der Umsetzung kann nicht eine einzelne Führungskraft im Unternehmen beauftragt werden. Wie bei jeder anderen strategischen Aufgabe muss jeder in der C-Suite seinen Teil dazu beitragen. Folgende To do‘s kommen auf die Führungskräfte in Schlüsselpositionen zu:
„Die CSRD fordert Führungskräfte auf, Nachhaltigkeitsthemen aus strategischer Sicht zu betrachten und sie entsprechend zu managen. Wenn Unternehmen diesen Perspektivwechsel schaffen, sind sie in einer guten Position, um den Wert des Unternehmens zu erhöhen.“
Nicolette Behncke,Partnerin, Nachhaltigkeitsreporting bei PwC DeutschlandPartnerin, Sustainability Reporting Leader Europe, Sustainability Services, PwC Germany
Christoph Schellhas
Partner, FS Sustainability Lead, EMEA Insurance (INS) Sustainability Lead, PwC Germany