The Perfect Fit

Weichensteller Johannes Floors: Entscheidungskompass Authentizität

Der Para-Leichtathlet Johannes Floors sprintet auf einer blauen Tartanbahn
  • Case Study
  • 6 Minuten Lesezeit
  • 15 Aug 2023

Statistisch erhoben treffen wir 20.000 Entscheidungen – am Tag. 95 Prozent unbewusst, fünf bewusst – also rund 1.000. Sie umfassen alle Lebensbereiche: Welche Schuhe ziehe ich heute Morgen an? Kauf ich mir die neue Kaffeemaschine? Aber auch: Verlange ich zehn oder 20 Prozent mehr Geld in der Gehaltsverhandlung? Welches Studium mache ich?

Man weiß, wie schwer es oft fällt, sich zu entschließen. Seien es die kleineren Entscheidungen – Para-Leichtathlet Johannes Floors nennt sie „die mit den Grauzonen“ –, oder die großen, die elementaren – also die „schwarz-oder-weiß-Entscheidungen“. Besonders schwer wird’s, wenn wir an Weichenstellungen stehen. Wenn Entscheidungen den Lebensweg beeinflussen.

Johannes Floors

  • geb. 8.2.1995
  • Para-Leichtathlet, startet für den TSV Bayer 04 Leverkusen
  • Disziplin: 100m, 200m, 400m, Staffel
  • Zweifacher Goldmedaillengewinner bei Paralympischen Spielen (2016, 2020), Bronzemedaillengewinner (2020)
  • Siebenmaliger Weltmeister
  • Weltrekorde: 100, 200, 400 Meter sowie in der 4 x100-Meter-Staffel
  • Orthopädietechnik-Mechaniker, Maschinenbauingenieur; Student: Master of Engineering

Prothesenläufer Johannes Floors, 28, hat eine solche schwarz-oder-weiß-Entscheidung getroffen. Johannes litt seit seiner Geburt aufgrund des Fibula-Gendefekts an deformierten und zu kleinen Füßen. Vor zwölf Jahren entschied sich der damals 16-Jährige, den dauerhaften Schmerzen ein Ende zu bereiten und ließ sich die Unterschenkel amputieren. Er hatte sich „dazu relativ schnell entschlossen“. Seine Motivation? „Schmerzfrei zu werden. Hätte ich mich dazu nicht entschieden, hätte ich weiter gelitten und sich nichts geändert“. Diese Entscheidung sei die größte seines Lebens gewesen – und die „absolut richtige“. Das wusste er, als er im Krankenbett aufwachte und an der Bettdecke herabblickte, wo sich keine Füße mehr abzeichneten. Daran, dass er später einmal mit Prothesen bei Paralympics und Weltmeisterschaften Goldmedaillen holen würde, hatte er noch nicht gedacht.

Aber Johannes – durch die zwei Unterschenkelprothesen von 1,60m auf 1,80m „gewachsen“ und auch durch die neue Körpergröße mit gewachsenem Selbstbewusstsein ausgestattet – war nun in einem Flow, „egal was kommt“: Sportabitur. Sprinten statt Schwimmen. Mehrere Umzüge, ehe er in Leverkusen landete. Ausbildung zum Orthopädietechnik-Mechaniker. Maschinenbau-Studium, Bachelor (Note 1,2). Parallel dazu eine Sportlaufbahn der Extraklasse: „Aus diesem Entschluss ist so viel Positives entstanden.“

Doch es war gar nicht mal die Tragweite der Amputation, hinter der andere Entscheidungen banal wirken, sondern das daraus entstandene Selbstbewusstsein, die richtigen Weichen stellen zu können. Klar: Floors wuchs an der Entscheidung, sein Reifeprozess erhielt einen Kickstart. Wichtigstes Tool für den Technikfan: Sein Bauchgefühl. Wohlfühlen müsse er sich bei einem Entschluss. Das ist sein Kompass: „Intuitive Entscheidungen musste ich noch nie revidieren.“ Schwerer fallen ihm bisweilen die Grauzonen-Entschlüsse wie: „Neue Kaffeemaschine – ja, nein? Oder: Welches neue Smartphone?“

„Entscheidungen müssen sich gut anfühlen. Nach vorne gerichtet sein. Aus Überzeugung fallen.“

Johannes Floors,Para-Leichtathlet

Was Floors bewusst ist: „Ich musste bislang nur Entscheidungen für mich treffen, hatte noch keine Auswirkungen auf andere Menschen zu verantworten.“ Dennoch können viele seiner Erfahrungen ein Fingerzeig sein: „Handelt man aus Überzeugung, kann man dahinter und dazu stehen. Und Entscheidungen eben auch anderen gegenüber gut begründen.“ Heißt:

„Gute Entscheidungen brauchen Authentizität. Gerade, wenn sie – zum Beispiel auf beruflicher Ebene – Dritte betreffen. Und: Erst wenn man dem eigenen Urteilsvermögen vertraut, wird man die Angst los, sich festzulegen: Um im Bild zu bleiben: Raus aus den Grauzonen. Im Beruf, im Sport, im Privatleben.“

Johannes Floors,Para-Leichtathlet

In Sachen Job war Floors letzte Entscheidung auch wieder die richtige: Die Rückkehr zur Prothetik, zu „Ottobock“. „Ich liebe den Diskurs, den Wissenstransfer an der Schnittstelle von der Alltags- zur Sportprothese – und auch den Geruch der Prothesenwerkstatt. Man riecht förmlich: Dort entsteht etwas.“

Die nächste Weichenstellung zeichnet sich dennoch ab. Wenn er parallel zur Medaillenjagd auf der Tartanbahn seinen Master gemacht hat, muss er aufs Neue den Entschluss fassen, wie und wo es weitergeht. Auch beruflich. Schon heute weiß er: „Ich werde wieder die richtige Entscheidung treffen, die zu meinem dann aktuellen Lebensmodell und zur Situation passt.“ Schwarz-weiß-Entscheidungen sind schließlich sein Ding.

Mehr Einblicke in das Wissen der Besten

Organisationsprofi Selin Oruz:
Gut geplant ist halb gewonnen

Selin Oruz, 26, kennt es, wenn viele an ihr ziehen – seit sie zwölf ist, meistert sie die Doppelbelastung aus Hockey und Schule/Studium. Sie sagt: „In Sport und Job hilft mir, gut vorbereitet zu sein, um die maximale Leistung zu bringen. Ich bin sehr fokussiert auf meine Ziele und versuche immer, das Beste rauszuholen.“

Mehr erfahren

„Aggressive Leader“ Christopher Rühr:
Mut zur Führung vs. Dienst nach Vorschrift

Die Zahlen geben zu denken: 45 Prozent der deutschen Arbeitnehmer:innen wollen laut einer aktuellen Gallup-Umfrage binnen eines Jahres einen neuen Arbeitsplatzfinden. Oft mangelt es demnach an Führungskräften, die ihre Mitarbeitenden mit den nötigen Skills leiten können, und auch der Umgang der Teammitglieder untereinander könnte offener und ehrlicher sein.

Mehr erfahren

Leitfigur Darja Varfolomeev:
Vorbildrolle will gelebt werden

Eine junge Dame, die davon berichten kann, wie wichtig Leitfiguren sind und sich mit nur 17 Jahren bereits selbst eine Vorbildrolle zutraut, ist Darja Varfolomeev, mehrfache Europa- und Weltmeisterin der Rhythmischen Sportgymnastik und Gold-Kandidatin für die Olympischen Spiele 2024 in Paris. Neben sportlichem Erfolg ist eines ihrer wichtigsten Ziele: Viele Kinder und junge Talente für ihren Sport begeistern.

Mehr erfahren

Follow us

Contact us

Pascal Roller

Pascal Roller

PwC Communications, PwC Germany

Hide