19 August, 2019
Von Gian Luca Vitale und Shu Susanne Zhang. Die im Juli 2019 von PwC durchgeführte Befragung von 1.013 Probanden in Deutschland mit speziellem Fokus auf der Professionalisierung und Nachhaltigkeit im E-Sport ergab, dass 66 Prozent der Befragten fast täglich Videospiele konsumieren. Damit nimmt E-Sport eine führende Rolle in der Freizeitgestaltung der Befragten ein. Die Häufigkeit des Konsums ist weitestgehend geschlechtsunspezifisch: 69 Prozent der männlichen Befragten spielen fast jeden Tag, während es bei Frauen 59 Prozent sind. Wenn es um die Frage „Lieber zuschauen oder selber spielen?“ geht, geben 44 Prozent an, dass ihnen die Zeit zum Selberspielen fehlt, 30 Prozent reizt das Spielen nicht mehr als das Zuschauen und 27 Prozent fehlen die finanziellen Mittel zum Spielen. Dabei zeigt sich die Tendenz, dass weibliche Befragte eine geringere Zahlungsbereitschaft als männliche Befragte aufweisen (35 Prozent zu 20 Prozent). Hintergrund könnten hohe Eintrittsbarrieren sein (wie z. B. hohe technische Ausstattungskosten) oder mangelnde gezielte Ansprachen und Angebote für Frauen.
In den nachfolgenden Abschnitten werden die wesentlichen Ergebnisse und Kernaussagen der Konsumentenbefragung beschrieben.
Von Gian Luca Vitale und Shu Susanne Zhang.
Wie bereits im letzten Jahr ist das Interesse an Live-Events auch in unserer diesjährigen Befragung ungebrochen. Interessant dabei ist eine deutliche Spaltung bei der Frage nach dem generellen Interesse an der Teilnahme von Live-E-Sport-Events vor Ort: So gaben 46 Prozent an, dass es wahrscheinlich ist, dass sie an einem Event teilnehmen. Verändert hat sich zum Vorjahr der Grad der Zurückhaltung, denn in der diesjährigen Befragung wurde häufiger die Kategorie „eher unwahrscheinlich“ (+ 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) als „sehr unwahrscheinlich“ angegeben. Daraus geht hervor, dass es sich mehr um eine bedingt eingeschränkte als kategorische Ablehnung handelt und für Live-Event-Veranstalter damit ein Optimierungspotenzial besteht. Grundsätzlich lässt sich daraus eine positive Entwicklung für den E-Sport als Ganzes ableiten. Bezüglich der Unterteilung bei den Geschlechtern halten es 55 Prozent der Frauen für wahrscheinlich, ein Live-Event zu besuchen, während es bei den Männern 42 Prozent sind. Das besondere Interesse an Live-Events bei Frauen könnte über die sozialen Komponenten und Möglichkeiten solcher Veranstaltungen begründet werden. Interessant bei der Segmentierung ist das gesteigerte Interesse bei den 30- bis 50-Jährigen. Bei der jüngeren Zielgruppe zeigt sich ein geteiltes Bild: 58 Prozent geben eine Teilnahme als eher unwahrscheinlich an. Als Gründe dafür wurden neben hohen Kosten (z. B. für Anreise, Übernachtung oder Tickets) auch der Aufwand der Anfahrt genannt. Zudem lässt sich vermuten, dass die gute Qualität der Streaming-Angebote und der mit dem Streaming verbundene Komfort bei der jüngeren Zielgruppe gegenüber der Atmosphäre eines Live-Events als noch positiver bewertet wird. Auch bieten sich Fans im Stream mehr Analysemöglichkeiten für das Spiel als vor Ort, so z. B. durch das individuelle Zurückspulen, Zoomen oder ähnliche Aktivitäten.
Die Mehrzahl der Befragten (56 Prozent) gab an, auch klassische Unternehmen bereits im Zusammenhang mit E-Sport-Inhalten wahrgenommen zu haben. Als klassische bzw. nicht-endemische Unternehmen werden etablierte Unternehmen bezeichnet, deren Kerngeschäft nicht unmittelbar mit E-Sport bzw. Gaming in Zusammenhang steht, die sich aber trotzdem in dem Bereich E-Sport engagieren (z. B. als Sponsor). Die relativ große Gruppe derer, die die Frage, ob sie Unternehmensauftritte im Zusammenhang mit E-Sport wahrgenommen haben, nicht bejahen konnten, spricht für Defizite bei der Kommunikation von authentischen und nachhaltigen Werbeinhalten. In Zahlen ausgedrückt nahmen 44 Prozent der Befragten die Unternehmen nicht bewusst wahr oder können sich nicht an diese erinnern. Dies kann ein Signal dafür sein, dass zukünftige Marketing-Konzepte authentischer und mit zielgruppengerechten Botschaften realisiert werden müssen. Gleichzeitig bietet dieser Einblick die Chance für Akteure, dass es entsprechend Raum gibt, sich im relevanten Set der Zielgruppe zu positionieren.
Bereits jetzt versuchen klassische Unternehmen über eine Vielzahl von „Kanälen“ E-Sport-Konsumenten zu erreichen. Es zeigt sich, dass Männer und Frauen unterschiedlich auf klassische Unternehmen im Zusammenhang mit E-Sport reagieren: Männer nehmen die Firmen häufiger wahr als weibliche Befragte. Ursachen könnten ein Kommunikationsfokus auf Männern sein oder ein noch stärkeres Interesse der Männer an den vorhandenen Unternehmen und Marken. Dementsprechend besteht Optimierungspotenzial für die weibliche Zielgruppe. Betrachtet man andere Gruppierungen, wie die jungen Kunden (16-24 Jahre), zeigen sich diese empfänglich für Werbeauftritte in Form von Merchandise-Produkten. Berufseinsteiger im Alter von 25-34 Jahren dagegen kommen primär bei Live-Events mit klassischen Unternehmen in Kontakt.
Grundsätzlich zeigt sich, dass vor allem bei der Ansprache weiblicher E-Sport-Konsumenten noch Entwicklungspotenzial besteht. Als favorisierte Kanäle sollten dabei insbesondere die Social-Media-Werbung genutzt werden. Hier bieten sich beispielsweise Twitch, Youtube, Reddit, Twitter und 9GAG an. Das Potenzial ergibt sich vor allem durch den Zuspruch, den viele Befragte für das Engagement klassischer Unternehmen im Bereich E-Sport ausdrücken, denn die große Mehrheit aller Konsumenten empfindet es als Bereicherung, dass sich klassische Unternehmen zunehmend am E-Sport beteiligen. Dabei gibt es keine signifikanten Unterschiede in Abhängigkeit davon, wie lange sich die Personen bereits für E-Sport interessieren. Dementsprechend empfinden auch jene, die sich schon lange mit der Szene beschäftigen, dass die Beteiligung klassischer Unternehmen Vorteile mit sich bringt. Die ablehnende Haltung einiger Konsumenten gegenüber der Beteiligung dieser Unternehmen lässt sich vor allem auf deren mangelnde Authentizität oder einen fehlenden Mehrwert zurückführen. So unterstellen sie den Firmen ein opportunistisches Interesse oder mangelndes Verständnis. Daher müssen klassische Unternehmen verstärkt auf authentische Initiativen setzen, die einen Mehrwert bieten, und angemessen auf das spezielle Wissen, die besondere Denkweise und die entsprechenden Bedürfnisse der E-Sport-Community eingehen. Eine nachhaltige Integration in dieses Ökosystem bedeutet einmal mehr, dass ein tiefgreifendes Verständnis für die Konsumenten ein Muss ist. Intensiver noch als in anderen Branchen wird dies mit Zustimmung belohnt oder mit Bedeutungslosigkeit bestraft.
Die hohen Akzeptanzwerte der Werbung durch klassische Unternehmen im E-Sport-Bereich sind von besonderem Interesse, da Werbung, die von Konsumenten nicht als störend empfunden wird, weniger Akzeptanzprobleme aufweist. Vor allem Werbung auf Merchandise-Produkten, wie es beispielsweise bereits vom Fußball bekannt ist, wird von den wenigsten Konsumenten als störend empfunden. Das negative Pendant hingegen bildet In-Game-Werbung: Mehr als 60 Prozent der Befragten empfinden diese als störend, ganze 32 Prozent davon sogar als sehr störend. Zustimmung und Ablehnung hängen daher extrem vom Kontext ab (Kontexteffekt), in dem Werbung im E-Sport-Bereich gezeigt wird. Je näher Werbung an den Kern des Spiels herantritt, desto durchdachter muss der Fit zwischen Botschaft, Auftritt und Realisierung gestaltet werden.
Die Professionalisierung der Branche wurde auch von 92 Prozent der Befragten über alle Altersgruppen hinweg wahrgenommen. Dieser hohe Professionalisierungsgrad spricht vor allem Zielgruppen an, die eine gut strukturierte Industrie mit einem hohen Reifegrad präferieren. Da die junge Generation der Millennials (1995–2010), die sich durch Technikaffinität auszeichnet und deren Aufwachsen durch die Omnipräsenz des Internets gekennzeichnet ist, einer der größten Konsumenten von E-Sport ist, gilt es vor allem sie zu erreichen. Durch die immerwährende und selbstverständliche Vielfalt an Optionen besteht eine herausfordernde Anspruchshaltung dieser Zielgruppe an die Art und Weise von Unternehmensaktivitäten. Vor allem bei Live-Events bemerken viele Konsumenten sowohl bezüglich der Größe der Events als auch in Bezug auf die Abläufe den hohen Professionalisierungsgrad. Live-Events bieten Unternehmen daher die Möglichkeit als Sponsor mit ihren Markenversprechen in das Bewusstsein vieler Menschen zu gelangen und einen zielgerichteten Image-Aufbau zu realisieren. Gleichzeitig zeigt die Befragung ein Optimierungspotenzial, das vor allem bei E-Sport-Fans in der Altersgruppe 35-50 Jahre identifiziert werden kann. So wünschen sich mehr als 30 Prozent eine Professionalisierung bei den Abläufen und Informationen bezüglich der Live-Events. Gerade hier können klassische Unternehmen mit ihrer langjährigen Erfahrung auf die Entwicklung der E-Sport-Industrie einwirken und sich so nachhaltig eine zentrale Rolle erarbeiten. Die Prioritäten bei Vertretern der jüngeren Altersgruppe liegen in der Weiterentwicklung der Kommunikation zwischen Fans und Sportlern. Die Schaffung von Kontaktpunkten und Austauschmöglichkeiten steht hier im Fokus. Zentrale Erkenntnis ist dabei, dass E-Sport seinem Charakter treu bleiben muss, was die Nähe zu den Athleten anbetrifft.
Eine Förderung von E-Sport findet Rückhalt in der Gesellschaft, denn lediglich 7 Prozent der Befragten geben an, dass E-Sport nicht in der Schule, im Verein oder an ähnlichen Orten gefördert werden soll. Vor allem junge Menschen sind für eine Förderung von E-Sport in Schulen. 45 Prozent sind der Meinung, dass es in der Schule als Zusatzangebot gefördert werden sollte.
In Bezug auf Karrieremöglichkeiten im E-Sport geht die Mehrzahl der Befragten (58 Prozent) davon aus, dass in diesem Bereich eine langfristige Karriere möglich ist. Auffällig ist, dass viele Personen, die bereits seit längerer Zeit E-Sport-Aktivitäten verfolgen, davon ausgehen, dass dort eine Karriere möglich ist. 45 Prozent derjenigen mit mehr als 7 Jahren E-Sport-Erfahrung sehen Potenzial in der Karriere als Trainer oder Marketing-Fachkraft im E-Sport. Hier bleibt jedoch zu beachten, dass der aktuelle Lebenszyklus eines E-Sport-Athleten kürzer, schnelllebiger und damit risikobehafteter ist als bei anderen traditionellen Sportarten. Daher sollten die bisher vorhandenen Möglichkeiten durch ein entsprechendes professionelles und strukturiertes Athleten-Förderungssystem im E-Sport-Ökosystem weiter untermauert werden.
Von Gian Luca Vitale.
Die Beweggründe, die große Massen an Menschen auf der ganzen Welt dazu bewegt, E-Sport zu verfolgen, sind vielfältig. Zur Faszination E-Sport gehört, dass Zuschauer bzw. Fans in den meisten Fällen selber leidenschaftliche Spieler sind. Dabei gibt es drei Kategorien an Gründen bzw. Motivationen, die Fans bzw. Spieler zum Anschauen bzw. Spielen von E-Sport-Events beziehungsweise E-Sport-Titeln motivieren: emotionale, kognitive und verhaltensbezogene/soziale Gründe. All diese sind eng verbunden mit dem Charakter und der persönlichen Disposition der Spieler. Innerhalb der emotionalen Kategorie sind die wesentlichen Unterkategorien Unterhaltung, Spannung und das Eintauchen in andere Welten. Der zweite Bereich (kognitive Motive) umfasst den Wissenserwerb durch das Beobachten der Fähigkeiten der Profis und die ästhetische Optik des Spiels sowie die Anregung weiterer Sinne. Schließlich gibt es im Bereich der verhaltensbezogenen und sozialen Motivationen für Sportfans die Aspekte Entspannung, Kameradschaft und das Gefühl von Gruppenzugehörigkeit.
Vor allem, wenn man die verschiedenen Spiel-Genres, die im E-Sport zu finden sind, miteinander vergleicht, kann man erkennen, dass sich die Fan-Gruppen teils deutlich voneinander unterscheiden. So gibt es erhebliche Unterschiede bei der Geschlechterverteilung, dem Alter, dem Konsumverhalten und der Denkweise dieser Spieler-Gruppen. Während z. B. die meisten Fans von Counter-Strike: Global Offensive mit 25-35 Jahren etwas älter als die der vielen anderen hochrangigen Spieltitel, zu 75 Prozent männlich und zumeist schon berufstätig sind, zieht das Game Fortnite eher Spieler im Alter von 14 bis 18 Jahren an, meist bestehend aus Schülern und jungen Studenten und somit eine ganz andere Gruppe von Fans. Bezüglich der verschiedenen Vorlieben der Geschlechter sind vor allem Overwatch und League of Legends sehr interessant, denn diese Spiele sind bei männlichen und weiblichen Zuschauern in etwa gleich beliebt.
Einer der wichtigsten Faktoren für die Tatsache, dass einige Spieler ein bestimmtes Genre präferieren, ist allerdings die Motivation, aus welcher heraus sie einen E-Sport-Titel bevorzugt spielen. Da sich aufgrund der Heterogenität der Spiele unterschiedliche Gamer-Gruppen bilden, die jeweils verschiedene E-Sport-Genres bevorzugen, wäre es für sämtliche Stakeholder der E-Sport-Branche, die versuchen eine Beziehung zu den E-Sport-Fans aufzubauen, ein großer Fehler, alle Gamer auf die gleiche Art und Weise zu behandeln und anzusprechen. Dies gilt insbesondere für den Marketingbereich. Nur wem es gelingt, die Motivationen der Spieler zu verstehen, kann ein realistisches Bild von dieser Zielgruppe inklusive ihrer Präferenzen, Einstellungen und Interessen zeichnen. Daraus lässt sich wiederum nicht nur ein Mehrwert für Kunden, sondern auch für Stakeholder schaffen, da eine authentische Kommunikation und eine auf die ausgewählte Zielgruppe angepasste Strategie dazu führt, dass eine bessere Beziehung zu der Zielgruppe aufgebaut wird und man sie somit effizienter ansprechen und erreichen kann. Diese Einblicke in Kombination mit weiteren Erkenntnissen aus dem E-Sport-Kosmos, wie beispielsweise im Hinblick auf Trends und Herausforderungen, bilden ein wichtiges Wissensgerüst, um in dieser Branche erfolgreich zu sein.
Vor allem die Art und das visuelle Design eines Games wirken sich stark auf die Spieler und Fans eines E-Sport-Titels aus. Daraus ergeben sich vier grundlegende Spieler-Charaktere mit voneinander abweichenden Denkweisen, die stellvertretend für die unterschiedlichen Spielmotivationen der Spieler stehen:
„Competitor“, „Achiever“, „Socialite“ und „Explorer“. Gleichwohl ist zu beachten, dass hinter der Motivation, ein bestimmtes Spiel zu spielen, mehrere der genannten Ausprägungen stecken können und Publisher und Spieleentwickler diese gezielt miteinander kombinieren, um ein nachhaltiges und unterhaltsames Spielerlebnis zu kreieren.
#1 „Competitor“ – „Competitor“ haben ein sehr kompetitives Mindset, ihr übergeordnetes Ziel ist zu gewinnen und sie suchen bevorzugt den direkten Wettbewerb sowie das Spiel gegen andere menschliche Spieler.
#2 „Achiever“ – Bei „Achievern“ hat das reine Gewinnen einen geringeren Stellenwert. Sie wollen vor allem in höhere Level aufsteigen und erfüllen gerne spezielle Aufgaben, um den angestrebten Status, einen Titel oder persönliche spielbezogene Belohnungen zu erreichen bzw. zu erhalten.
#3 „Socialites“ – „Socialites“ spielen aufgrund sozialer Aspekte. Dies bedeutet, dass sie durch das Spiel ihr soziales Netzwerk und ihre Kontakte pflegen und ausbauen wollen.
#4 „Explorer“ – „Explorer“ möchten in neue und große Welten eintauchen, um dort das Unbekannte zu entdecken, sie haben ein großes Interesse an Details und einer ausführlichen und tiefen Geschichte hinter dem Spiel.
Die aktuell größten und gängigsten E-Sport-Titel können vor allem den Genres First-Person-Shooter, Multi-Player-Online-Battle-Arena (MOBA), Battle Royale, Simulated Sports und Kartenspiele zugeordnet werden. Alle verbindet ein kompetitives Element, das jedoch um unterschiedliche Spielcharakteristika ergänzt wird und dadurch voneinander abweichende Motivationen in den Spielern weckt.
Stellvertretend für First-Person-Shooter stehen Top-Titel wie Counter-Strike: Global Offensive (CS:GO) und Overwatch. Da hier das Hauptziel das Ausschalten der Gegner ist, zieht dieses Genre die „Competitors“ der Spielerschaft an. Vor allem CS:GO, eines der Big-Three-Games im E-Sport, hat den Ruf, sehr kompetitiv, intensiv und taktisch zu sein, was sicherlich ein Faktor für die immens große professionelle Szene rund um das Spiel ist. Viele junge Spieler sehen dies als Motivation an, selbst ein Profi in CS:GO zu werden. Die Spieler sind trotz des Fokus auf Teamplay besonders starke Individualisten, die unbedingt gewinnen wollen und dieses Ziel mit allen im Spiel verfügbaren Mitteln verfolgen. Die Belohnung dabei ist für viele, der MVP (Most Valuable Player), also der wertvollste Spieler des Spiels zu werden. Erreicht wird dies durch eine entsprechend hohe Platzierung im Ranking. Hier zählt, wer die meisten Gegner erfolgreich kampfunfähig gemacht hat und dass man selbst möglichst selten kampfunfähig war. Auch das Spiel Overwatch gehört zum Genre First-Person-Shooter, zieht allerdings eine etwas andere Gamer-Gruppe an. Während die CS:GO-Spielerschaft weitestgehend männlich ist, ist Overwatch auch bei Frauen sehr beliebt. Dies liegt vor allem daran, dass der Stil ein ganz anderer ist. Rollen, hier insbesondere die der Unterstützer (Supporter), die dafür sorgen, dass das Team überlebt, anstatt aktiv Gegner anzugreifen, sind bei Frauen sehr beliebt. Außerdem haben die Helden eigene Geschichten und Hintergründe, was für viel Tiefe im Storytelling sorgt. Für den Spielerfolg ist jedoch auch bei Overwatch das Ausschalten der Gegner essenziell.
MOBA-Spiele wie Dota 2 und League of Legends (LoL) sind heldenbasierte Kampfspiele und mindestens genauso kompetitiv wie die Spiele aus dem First-Person-Shooter-Genre. Hier wählen die Spieler einen aus mehr als 100 Helden aus, mit dem sie in das Spiel ziehen können. Dabei haben die Spielfiguren unterschiedliche Stärken und Schwächen, was das Spiel deutlich komplexer und vielfältiger als andere Spielgenres macht. Spieler müssen insbesondere die Führung eines Teams übernehmen, für angemessene Kommunikation sorgen, die Strategie bestimmen und anpassen sowie Kampfhandlungen zum richtigen Zeitpunkt initiieren. Zudem sind viele der Spieler mehr als nur Dota 2- oder LoL-Enthusiasten, was sich in deren ernster und ausgeprägter Ambition widerspiegelt, auch einen möglichst hohen Rang in den entsprechenden Ligen zu erreichen. Der Wille zu siegen mündet in einem großen Spielpensum mit viel hartem Training und Hingabe. Daraus resultiert, dass die professionellen Szenen von LoL und Dota 2 zu den größten der Welt gehören. Durch die hohe Kompetitivität und den taktischen Teil der Games ziehen sie größtenteils „Competitors“ an. Gleichzeitig verleihen die Vielzahl von Helden und die ausgeprägte Geschichte der LoL- und Dota 2-Welt dem Genre eine immense Tiefe.
Bei Battle-Royale-Spielen besteht das Ziel darin, der letzte Überlebende auf dem Spielfeld zu sein. Dabei ist vor allem das cartoonähnliche Spiel Fortnite von einem riesigen Hype in der Gaming- und E-Sport-Community sowie in den sozialen Medien wie z. B. Twitch, YouTube, Reddit und Twitter umgeben. Die Fortnite-Welt ist bunt und regt das Experimentieren an. Durch die hohe Ästhetik des Spiels und die verspielten Elemente, wie z. B., dass Spieler Tänze aufführen können, ist es bei der jüngeren, Social-Media-affinen Gaming- und E-Sport-Community sehr beliebt. Aggressivität wird in dem Spiel bewusst nicht abgebildet, ebenso ist es bei dem Spiel eher üblich zu verlieren, da man gegen 99 weitere Einzelspieler antritt. Deshalb konzentrieren sich viele Spieler eher auf das Steigern der persönlichen Leistung als auf das reine Gewinnen. Besonders soziale Kontakte spielen bei Fortnite eine zentrale Rolle. Im Spiel haben Gamer die Möglichkeit, zu chatten, zu tanzen, kreativ zu sein, Festungen zu bauen oder einfach nur eine unterhaltsame Zeit zu haben. Aus diesen Gründen sind in Fortnite eine Vielzahl an „Socialites“ zu finden, die die Welt und das Spiel immer neu erleben möchten. Daher ist in dieser Spielgruppe auch der Anteil an sogenannten „Explorern“ sehr hoch.
Simulated Sports Games wie FIFA und Rocket League bilden Aspekte von traditionellen Sportarten ab, z. B. beim Spiel FIFA genießen es die Spieler, sich in reale Profispieler hineinzuversetzen und mit ihnen Erfolge zu feiern. Die professionelle Szene dagegen ist im globalen Vergleich zu den anderen Top-Titeln verhältnismäßig klein. Ähnlich sieht es bei dem Spiel Rocket League aus. Hier sind blitzschnelle Autos zu finden, die in Teams gegen andere Autos im Fußball antreten. Alles findet in Arenen in einer animierten, bunten und sehr futuristischen Welt statt und auch das Spiel an sich hat viele hyperrealistische Elemente zu bieten. So können Autos beispielsweise durch Boosts schneller werden oder bei richtiger Anwendung sogar fliegen. Das Konzept bei Rocket League wirkt sehr unkonventionell, kreativ und verrückt. Gamer, die gerne diese Art von Spiel spielen, sind einerseits klare „Competitor“, genießen jedoch auch die oftmals surrealen Spielelemente, also wenn man z. B. mit den Fahrzeugen durch die Luft fliegt und dabei besonders sehenswerte Tore erzielt. Durch den Wunsch, spektakuläre Tore zu schießen, offenbaren die Gamer auch Charakterzüge von „Achievern“, da es hierbei auch um einen persönlichen Erfolg geht und dies je nach Spiel mit Achievement-Punkten belohnt wird.
Kartenspiele wie Hearthstone ziehen eher etwas ältere Spielergruppen an als die größten E-Sport-Titel (CS:GO, LoL, Dota 2, Fortnite und Overwatch). Da diese meistens auch mobil spielbar sind, sind sie sehr beliebt für unterwegs oder in kürzeren Arbeitspausen. Sie haben oftmals einen „gemütlichen“, unterhaltenden Charakter und dienen somit ideal dem Zeitvertreib. Unterstützend dabei wirkt, dass die einzelnen Runden relativ kurz sind. Anstatt auf eine Profikarriere zu hoffen, ist das übergeordnete Ziel bei den meisten Spielern, das nächste Level zu erreichen und spielbezogene Aufgaben zu erfüllen, um In-Game-Währung zu erhalten, durch die sie wiederum schneller in ein höheres Level aufsteigen können. Kartenspieler lassen sich somit der Gruppe der „Achiever“ zuordnen.
Auch wenn alle Spieler die Leidenschaft und Liebe zum Gaming eint, kann die Kategorisierung von E-Sport-Titeln Aufschluss über deren Denkweisen und Persönlichkeiten geben. Die Unterschiede in der Motivation der Spieler zu verstehen, bildet eine entscheidende Grundlage für alle Stakeholder, die direkt oder indirekt mit dem E-Sport-Ökosystem zu tun haben oder dies zukünftig planen. Besonders nicht-endemische Stakeholder haben den Anreiz, die grundlegenden Motivationen zu verstehen, die für die E-Sport-Faszination verantwortlich sind und den Spielreiz für die entsprechenden E-Sport-Titel auslösen, um daraus ein wertvolles Kundenverständnis zu generieren und darauf basierend ein passendes und somit effektives Marketing- oder Geschäftsmodell zu entwickeln.
Die Erkenntnisse im Hinblick auf die Spielmotivation sorgen für Einblicke in die Gedankenwelt der Spieler und offenbaren somit auch, welche Potentiale hinter einer authentischen und zielgerichteten Kommunikation und dem richtigen Umgang mit den unterschiedlichen Spiel-Communitys bestehen. Dementsprechend sollte auf die Unterschiede zwischen den Spieler-Gruppen eingegangen werden, um einen Mehrwert für die Spielerschaft und die Zuschauer zu schaffen und sich an ihre Präferenzen anzupassen. Gleichzeitig sollten auf Basis dieses Wissens authentische Marketingkonzepte sowie eine erfolgreiche Medienplanung entwickelt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die gewünschte Zielgruppe erreicht wird und sich angesprochen fühlt.
Die Analyse und Verknüpfung von Spielmotivationen und charakterlichen Eigenschaften der Spieler auf Basis von Spielpräferenzen bieten zukünftig Potenziale für heute nicht-endemische Unternehmen, sich in der E-Sport-Branche auf vielseitige Weise zu beteiligen. Ein besonderes Beispiel dafür könnte der Bereich Recruiting sein, indem man die gewonnenen Erkenntnisse über die Charaktereigenschaften von Gamer-Gruppen für effizientere Persönlichkeitseinschätzungen nutzt. Zukünftig ist damit zu rechnen, dass die Aktivitäten im Feld der Analyse und Verknüpfung durch neue technologische Entwicklungen ausgeweitet werden und somit Datenerhebungen und -auswertungen intensiviert werden können. Gerade diese Aspekte und die immer präziser werdenden Erkenntnisse in Bezug auf die Konsumentengruppe bilden die wesentliche Schnittmenge, die die Zusammenarbeit zwischen endemischen und nicht-endemischen Akteuren im E-Sport-Ökosystem vorantreibt.
Die Analyse und Verknüpfung von Spielmotivationen und charakterlichen Eigenschaften der Spieler auf Basis von Spielpräferenzen bieten zukünftig Potenziale für heute nicht-endemische Unternehmen, sich in der E-Sport-Branche auf vielseitige Weise zu beteiligen.
Werner Ballhaus
Global Entertainment & Media Sector Leader und Leiter Technologie, Medien, Telekommunikation, PwC Germany
Tel.: +49 211 981-5848
Gian Luca Vitale
Gaming & Esports Business Advisory, Senior Associate, PwC Germany
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