19 August, 2019
Von Stefanie Bubbers und Shu Susanne Zhang. Das Thema Esport wird nicht nur am Abendbrottisch diskutiert, wenn die Kinder viel Zeit vor dem PC verbracht haben, sondern findet sich auch im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD vom März 2018 wieder. Zwar kurz, aber durchaus konkret wird hier die wachsende Bedeutung des Esport angesprochen und anerkannt, dass dieser Sport wichtige Fähigkeiten schult, die nicht nur in der digitalen Welt von Bedeutung sind. Ziel sollte es sein, Esport vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrechten anzuerkennen sowie bei der Schaffung einer olympischen Perspektive zu unterstützen.
Heute, mehr als ein Jahr später, stellt man ernüchtert fest, dass dieser Teil des Koalitionsvertrags noch nicht mit Leben gefüllt wurde. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom August 2018 lässt die Bundesregierung verlauten, man beobachte die internationale Entwicklung des Esports, konkrete Projekte würden aber aktuell nicht durchgeführt.
Ein Blick auf die allgemeine Entwicklung des Esports und seine staatliche Förderung in Europa offenbart schnell, dass Deutschland hinterherhinkt. Dreht sich die Diskussion hierzulande noch um die Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Esport-Vereinen, die Änderung der Abgabenordnung und die Vergabe von Sportvisa an Teilnehmer internationaler Esport-Turniere, so ist Esport in Großbritannien und mittlerweile auch in Frankreich faktisch anderen Sportarten gleichgestellt. Viele asiatische Staaten sind sogar noch einen Schritt weiter: Sie träumen bereits von ersten Medaillenentscheidungen für Esportler im Rahmen der Asienspiele 2022. In Deutschland sträubt sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hartnäckig, Esport zu würdigen, und betont lieber die Andersartigkeit des Esport im Vergleich zu den Sportarten des bestehenden Sport- und Verbandssystems. Da half es auch nichts, dass Dorothee Bär, die Staatsministerin für Digitalisierung im Kanzleramt, die Einschätzung des DOSB in einem Statement bedauerte und ihr Unverständnis über diese Einschätzung zum Ausdruck brachte.
Immerhin finanziell möchte die Bundesregierung Esport und das übergreifende Segment Gaming fördern. Der Bundeshaushalt enthält seit 2019 ein Budget von 50 Millionen Euro für die Games-Förderung. Bis Ende August 2019 können sich kleine und mittlere Unternehmen online über die Seite des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur um Zuschüsse bewerben. Die Förderung gilt sowohl für Prototypen als auch für Spieleproduktionen, dabei darf der Zuschuss 200.000 Euro in drei Kalenderjahren nicht überschreiten. Fraglich ist jedoch, ob das Geld vom Bund nach wie vor bereitgestellt wird, da im Entwurf für den Bundeshaushalt 2020 kein Cent mehr für Spieleentwickler vorgesehen ist.
Allgemein steigt die staatliche Förderung für den Games-Standort Deutschland, und damit implizit auch für den Bereich Esport, stetig, insbesondere in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Berlin.
Staatliche Förderungen
Aber auch in Hamburg gibt es lokale, staatlich unterstützte Initiativen, die das Ökosystem Esport maßgeblich fördern. Ein bereits seit 2003 existierendes Netzwerk ist hierbei Gamecity Hamburg, das sich zum Ziel erklärt hat, die Gaming-Branche sowie auch Akteure im Bereich Esport in der Hansestadt zu unterstützen. In den 16 Jahren seit Gründung konnte so die Anzahl der Jobs entlang der Wertschöpfungskette verfünffacht werden. Das Netzwerk aus 200 Unternehmen und 2.000 Akteuren der Gaming-Branche ist auch europaweit ein wichtiger Spot auf der Esport-Landkarte.
Diese beiden Beispiele zeigen sehr schön, wie der Staat wirkungsvoll als Vermittler zwischen der Esport-Community, also den Spielern und Fans, und den Unternehmen des Ökosystems fungieren kann. Der Fokus sollte jedoch nicht nur darauf liegen, Fördermittel bereitzustellen, Turniere zu veranstalten und Games Awards zu verleihen. Wichtig ist auch, Ausbildungsplätze zu schaffen und an den Hochschulen Gaming-spezifische Studiengänge einzurichten. Einen Anfang macht hier die Hochschule für angewandtes Management FH in Ismaning, an der die Studierenden in einer Regelstudienzeit von sieben Semestern einen staatlich anerkannten Hochschulabschluss im Esport Management erwerben können. Auch staatlich lizenzierte oder anerkannte Trainerinnen und Trainer bzw. Coaches im Esport werden benötigt und müssen sich etablieren. Der eSport-Bund Deutschland e. V. (ESBD) bietet bereits erste Trainerlehrgänge und Fortbildungen an. Neben der Trainerausbildung plant der ESBD zukünftig Fortbildungen in den Bereichen Team- und Vereinsorganisation, Esport-Management, Esport-Kommunikation und Esport-Journalismus.
Auch die Förderung einer Startup-Kultur sowie die Unterstützung von Messen und Networking-Events, um den Austausch zwischen jungen und etablierten Unternehmen zu fördern, gehören auf die Agenda. Wie eine unbürokratische Förderung aufstrebender kleiner Unternehmen auch in der dynamischen Esport-Branche aussehen kann, zeigt unter anderem die PwC-Next Level-Initiative, die deutschlandweit Startups bei ihrem Wachstum unterstützt, indem sie individuelle Beratungsansätze entwickelt und sie gezielt mit Corporates und Investoren vernetzt. Auch noch sehr junge Startups können so durch Beratungen zu Pitches und durch die Unterstützung bei der Bewertung ihres Unternehmens mittels digitaler Tools wie eValuation oder auch bei konkret anstehenden Finanzierungsrunden ihre Herausforderungen meistern.
Obwohl Deutschland mit 4,9 Milliarden Euro den höchsten Gaming- und Esport-Umsatz aller europäischen Länder verzeichnet, sollten auch Kooperationen mit Nachbarstaaten, wie beispielsweise Frankreich, vorangetrieben werden, um von deren fortgeschrittener Expertise in der Professionalisierung von Esport zu profitieren.
Wie im Rahmen von Gaming und Esport auch eine gesellschaftlich positive Veränderung erzeugt werden kann, zeigt sich im Bereich von Serious Games. Beispielsweise wird mit dem Game „Serena Supergreen“ spielerisch versucht, Mädchen technische Berufe näherzubringen, in dem „Serena“ technische Probleme lösen und komplexe Abwicklungen wieder ans Laufen bringen muss. Auch in der Erwachsenenaus- und Fortbildung können Serious Games sehr wertvoll sein. Bereits heute werden immer mehr Ärzte und Krankenschwestern mit Hilfe von Serious Games geschult und setzen diese bei Weiterbildungen in Operationen ein. Gerade in diesem gesellschaftlich relevanten Bereich sollte der Staat Industrie und Wissenschaft aktiv unterstützen, diese Themen weiter voran zu treiben und im besten Fall sogar selbst die Spielregeln für eine ethische und sinnvolle Nutzung von Serious Games vorgeben. Alleine durch die jüngeren Bevölkerungsschichten, für die das Thema Esport größtenteils zum Alltag gehört, entsteht die Notwendigkeit, dass der Staat sich dieser Thematik öffnet und hier aktiv mitgestaltet. Hervorgehoben werden sollten hierbei die vielen Fähigkeiten, die durch Esport gefördert werden, wie die Konzentration und auch das spielerische Miteinander im Teamplay, das normalen Breitensportarten in nichts nachsteht. Jedoch dürfen auch die möglichen Herausforderungen für professionelle und nicht-professionelle Esportler nicht übersehen werden: Intensives Trainieren vor dem Rechner bringt auch gesundheitliche Probleme wie Rückenschmerzen mit sich, die durch Bewegung verringert werden sollten. Es ist natürlich fraglich, inwieweit die Regierung hier reglementierend eingreifen sollte, da die bisherige Zusammenarbeit zwischen den anderen Akteuren des Esport-Ökosystems bereits sehr eng ist. Wir sind allerdings davon überzeugt, dass der Staat hier einen echten Mehrwert für alle Beteiligten schaffen kann, wenn er an den richtigen Stellen mit gezielten Maßnahmen und öffentlichkeitswirksamen Diskurs ansetzt.
Die entscheidende Frage ist, wie der Staat seine Förderung des Esport kommunizieren wird. Besonders ältere Bevölkerungsschichten müssten durch gezielte Kommunikation für das Thema „Esport und Videogames“ sensibilisiert werden. Wichtig ist, bürokratische Hemmnisse, etwa die zögerliche Vergabe von Sportvisa an Teilnehmer von Esport-Turnieren, abzubauen und gesetzliche Vorschriften zu vereinfachen, damit sich die Esport-Branche weiter professionalisieren kann. Auch mehr Agilität und Transparenz in der staatlichen Förderung sowie eine Stärkung bereits existierender deutscher Esport-Champions wären wünschenswert. Mit der Unterstützung der Bundesregierung hätte Deutschland aufgrund seiner vielen Fans und der stark wachsenden Gaming- und Esport-Branche die besten Voraussetzungen, um in diesem Bereich zu den asiatischen Staaten aufzuschließen.
Wichtig ist, bürokratische Hemmnisse abzubauen und gesetzliche Vorschriften zu vereinfachen, damit sich die Esport-Branche weiter professionalisieren kann. Die Regierung kann mit gezielter Förderung als Bindeglied und Vermittler zwischen Wissenschaft, Industrie und Gesellschaft dienen.