19 August, 2019
Von Markus Kerbs und Sascha Tayeran. Der E-Sport Hype hat nicht nur dafür gesorgt, dass sich rein endemische Teams gebildet haben, sondern inzwischen auch Teams erreicht, die man aus dem traditionellen Sport kennt. In Deutschland sind es vor allem die im starken öffentlichen Fokus stehenden Fußball-Bundesligisten, die in jüngster Zeit immer mehr im E-Sport aktiv werden. Grund für diesen Trend sind vor allem die Erreichung spannender Zielgruppen und die zunehmende Professionalisierung des E-Sport-Ökosystems.
E-Sport und Fußball-Bundesliga – diese Begriffe werden mittlerweile immer selbstverständlicher in einem Atemzug genannt. Dabei war es ein langer Weg, bis die Mehrheit der Bundesligisten aktiv in den E-Sport-Markt eingestiegen ist. Der VfL Wolfsburg machte im Mai 2015 den Anfang; bis 2017 zogen weitere Vereine der 1. und der 2. Bundesliga nach. Sie erkunden den E-Sport-Markt nicht nur, sondern gestalten ihn teilweise auch aktiv mit. Die Vereine stellen eigene Teams, nehmen an diversen Turnierserien teil, veranstalten im eigenen Namen E-Sport-Turniere und -Events und publizieren in diesem Zusammenhang Content auf diversen Plattformen, etwa auf der Game-Streamingplattform Twitch. Einige Vereine sind aktuell nicht nur im kerngeschäftsnahen eFootball aktiv, sondern haben auch fußballfremde Spiele wie League of Legends in ihrem Portfolio.
Mit dem Start der von der Deutschen Fußball Liga (DFL) und von EA Sports veranstalteten Virtual Bundesliga Club Championship im Januar 2019, welche erstmals den Verein und nicht den individuellen Spieler in den Mittelpunkt stellt – fiel auch der Startschuss für die große Mehrheit der Bundesligisten in puncto eFootball. 22 Vereine aus der 1. und der 2. Bundesliga nahmen an diesem Turnier teil. Die Spiele wurden live im Free TV ausgestrahlt und im Frühjahr holte sich der SV Werder Bremen den Titel des ersten deutschen Club-Meisters im eFootball.
Betrachtet man die Art des Einstiegs der Vereine in den E-Sport, so lassen sich zwei Herangehensweisen feststellen: Während einige Vereine eher eigenständig vorgegangen sind mit punktueller Unterstützung von Agenturen, etwa durch das Recruiting von Spielern in eigens durchgeführten Qualifikationsturnieren, sind andere Vereine wie der 1. FC Köln enge Kooperationen mit E-Sport-Agenturen oder E-Sport-Organisationen wie SK Gaming eingegangen.
Eine von PwC im Mai 2019 durchgeführte Studie, in deren Rahmen Vereine der 1. und 2. Bundesliga befragt wurden, kommt zu dem Ergebnis, dass die Bundesligisten ihr E-Sport-Engagement in erster Linie im fußballnahen eFootball sehen. Dabei stehen sie aktuell noch vor großen operativen Herausforderungen. Warum sich die Bundesligisten für den Einstieg in den E-Sport entschieden haben, welche Ziele sie damit verfolgen und wie die Zukunft aussehen könnte, stellen wir Ihnen nachfolgend vor.
Durchweg alle Bundesligisten begründen ihr E-Sport-Engagement primär damit, dass sie neue Zielgruppen erreichen wollen. In ihrem Fokus steht vor allem die junge Generation Z. Allein die in der Generation Z beliebte Game-Streamingplattform Twitch erreichte 2018 zu jedem Zeitpunkt über eine Millionen Zuschauer bei insgesamt 814 Millionen Stunden Echtzeitübertragung. 78 Prozent der befragten Bundesligisten gaben an, die Vereinsmarke weiter stärken und entsprechend positionieren zu wollen. Der Einstieg in den E-Sport wurde zudem vonseiten der Sponsoren und der Community vorangetrieben, ebenso wie von der Möglichkeit, neue Kooperationen mit Akteuren aus dem E-Sport-Ökosystem einzugehen. Die Vereine sehen auch die Chance, eine neue Sportart aufzubauen, die hohes Inklusionspotenzial hat und mit weiteren vereinsübergreifenden Engagements verknüpft werden kann.
Was war die Hauptmotivation für den Einstieg in E-Sports?
Dabei sehen Bundesligisten ihr E-Sport-Engagement nicht zwingend mit dem Kerngeschäft Fußball verzahnt. Sie setzen aktuell auch nur wenig Kapazitäten für diesen Bereich ein: 89 Prozent der befragten Bundesligisten setzen zwei vereinsinterne Vollzeitäquivalente oder weniger ein.
Die Erwartungen der Vereine hinsichtlich des E-Sport-Engagements wurden vollständig erfüllt, vor allem im Bereich der Reichweitengenerierung der Bundesligisten; bei 44 Prozent der Befragten sogar übertroffen. Auch die Sponsoren (78 Prozent) waren laut den Bundesligisten mit den Ergebnissen des E-Sport-Engagements zufrieden. Nachholbedarf besteht allerdings noch bei der Umsatzgenerierung aus E-Sport: 33 Prozent der Bundesligisten konnten ihre diesbezüglichen Erwartungen noch nicht erfüllen.
Das Pilotprojekt Virtual Bundesliga Club Championship bot den Bundesligisten erstmals eine nationale Plattform und die Möglichkeit, den deutschen Club-Meister im eFootball zu erspielen. Die Teilnahme am Wettbewerb stellte jedoch hohe Anforderungen an die Bundesligisten: 78 Prozent von ihnen sahen die Einbettung ins operative Tagesgeschäft als größte Herausforderung. Sie hatten einen höheren personellen Aufwand als erwartet und dies erschwerte die organisatorische Abwicklung des Wettbewerbs neben dem laufenden Kerntagesgeschäft. Vor allem die eng getakteten und teils unregelmäßigen Anstoßzeiten stellten sich als problematisch heraus; aus Sicht der Bundesligisten wurde dadurch die angemessene Content-Erstellung beeinträchtigt. 44 Prozent der Befragten gaben dies als größte Herausforderung an.
Inwiefern E-Sport auch in den kommenden Jahren eine Rolle in den Vereinen spielen soll, wird von den Bundesligisten differenziert betrachtet: Lediglich 44 Prozent geben ein klares Bekenntnis zum E-Sport ab und sehen diesen als langfristigen Bestandteil der Vereinstätigkeit an – allerdings waren dies ausschließlich Erstligisten. Zweitligisten sehen ihr Engagement vor allem als befristetes Projekt mit Verlängerungsoption, die vom mittelfristigen Erfolg bei der Erreichung der geplanten Ziele abhängt.
Wie betrachten Sie Ihr E-Sport-Engagement?
Die Ziele betreffen in erster Linie die Wirtschaftlichkeit: 78 Prozent aller befragten Bundesligisten möchten mittelfristig im E-Sport-Bereich Gewinn erzielen. Etwas mehr als die Hälfte will zudem durch E-Sport die Marke stärken. Auch ist eine stärkere Einbettung des E-Sports durch die Einrichtung einer eigenen Abteilung im Verein zu erwarten; 33 Prozent planen eine derartige Integration in den Verein, die dann auch u.A. Amateurbereich, Jugend und Scouting umfasst. Weitere Ziele des E-Sport-Engagements ergeben sich aus den individuellen Zielen der vereinsübergreifenden Strategie, sie reichen von der Internationalisierung bis hin zur Förderung unterschiedlichster Zielgruppen mit Handicap.
Bundesligisten fühlen sich vor allem im eFootball wohl. Das Interesse, in weitere E-Sport-Titel wie League of Legends, Dota oder Counter-Strike zu diversifizieren, ist gering. Nur 22 Prozent bekunden großes Interesse an einer Diversifizierung in weitere Titel. Dies liegt vor allem an der Herausforderung, diese Spiele in das Kerngeschäft und in die aktuelle Strategie des übergreifenden Vereins einzubinden: Die meisten Bundesligisten (85 Prozent) sehen eine Herausforderung darin, fußballfremde Titel mit der Marke, der Kultur und den Werten des Vereins in Einklang zu bringen. Neben Schalke 04 und Eintracht Frankfurt gibt es auf internationaler Ebene auch einige Fußballvereine, die eine Diversifizierung bereits umsetzen, zum Beispiel Paris St. Germain und Galatasaray Istanbul.
Wie interessiert ist der Verein an der Diversifizierung in andere/weitere Spiele (League of Legends, Overwatch, Counter Strike, etc.)?
Bundesligisten wünschen sich von der E-Sport-Branche eine Professionalisierung des gesamten Ökosystems (89 Prozent) sowie finanzielle Stabilität des Geschäftsmodells (78 Prozent). Dies könnte beispielsweise über langfristige Zusicherungen finanzieller Erträge seitens der DFL erfolgen. Rund 44 Prozent sprechen sich zudem für eine offizielle Anerkennung von E-Sport als Breitensportart aus. Dies würde für regulatorische Klarheiten sorgen, etwa für Erleichterungen bei der Beantragung von Sportlervisa.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich die E-Sport-Aktivitäten der Fußball-Bundesligisten in einer Pilotierungsphase befinden. Eine Skalierung der Aktivitäten wäre zwingend notwendig, um E-Sport langfristig erfolgreich als eigenständige Säule in den Vereinen zu implementieren.
Ein elementarer kurz- bis mittelfristiger Erfolgsfaktor für die Skalierung ist die nachhaltige Reichweitengenerierung durch guten Content – in Eigenregie oder von Dritten, zum Beispiel Fans (User Generated Content), produziert. Nur damit lassen sich die Umsatz- und Sponsorenerwartungen langfristig erfüllen. Das Reichweitenziel kann neben sportlichen Spitzenleistungen vor allem durch attraktiven Content (z. B. unterhaltsam, emotional oder nützlich) erzielt werden. Hier sind die meisten Bundesligisten aktuell noch sehr zurückhaltend. Tisi Schubech, ein Influencer-Duo, das unter anderem mit dem E-Sport-Team des VfB Stuttgart kooperiert und vorwiegend unterhaltsamen Content rund um das Spiel FIFA auf YouTube veröffentlicht, erreicht allein auf dieser Plattform über 600.000 Follower – dies sind mehr Follower, als alle E-Sport-YouTube-Kanäle der Bundesligisten zusammengenommen aktuell haben.
Eine erfolgreiche Skalierung erfordert langfristig die Einbindung weiterer E-Sport- bzw. Gaming-Titel, um von einem größeren Anteil des E-Sport-Marktes und weiteren Umsatzströmen profitieren zu können. Dazu muss nicht zwingend ein eigenes Team aufgebaut werden, es reicht eine aktive Anbindung weiterer Titel an die Vereinsmarke, etwa indem Wettbewerbe bzw. Turniere für solche weiteren Titel veranstaltet werden. Eintracht Frankfurt ist ein Beispiel hierfür: Der Verein stellt noch kein eigenes Team für den E-Sport-Titel League of Legends, bietet aber bereits erste Trainingsangebote und entsprechende E-Sport-Mitgliedschaftsmodelle für Spieler und Fans des Spiels an. Sollte die Diversifikation in weitere E-Sport-Genres und -Titel eindeutig mit den traditionellen bzw. zentralen Werten oder der Strategie des Vereins kollidieren, kann es durchaus sinnvoll sein, eine neue Marke bzw. Untermarke zu kreieren.
Wir sind davon überzeugt, dass E-Sport die nächste Ära des Sports- und Sport-Entertainment mitprägen wird. Leistungssportvereine sind seit jeher in der Lage, Menschen in großer Zahl zu begeistern, indem sie in ihrer Sportart Wettbewerbe gegen andere Vereine austragen. Mit E-Sport kann das genauso gut gelingen – vor allem mit Blick auf die Generation Z.
Im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung gewinnen digitale Sportarten, Spiele und Wettbewerbe zunehmend das Interesse der Menschen. Dieser Trend ist nicht mehr aufzuhalten. Die Frage ist, inwieweit Bundesligisten, aber auch andere Sportvereine aus anderen Disziplinen, Teil dieser neuen Ära des Sports und Entertainments werden – oder diese sogar mitprägen und so einen individuellen Beitrag zur Entwicklung des E-Sport-Ökosystems leisten.
Wir gehen davon aus, dass die Aktivitäten der Bundesligisten im E-Sport-Umfeld vielfältiger werden. Kreativität ist gefragt, um den noch jungen, aber rasant wachsenden E-Sport-Markt zu entwickeln. Speziell mit disruptiven Ideen und Guerilla-Marketingmaßnahmen können auch mit kleinen Budgets große Wirkungen erzielt und vorhandene Strukturen aufgebrochen werden. Im E-Sport-Sektor kann Kreativität die finanzielle Stärke derzeit noch schlagen!
Bundesligisten steigen vor allem aufgrund der attraktiven Zielgruppe (unter anderem Generation Z) in E-Sport ein. Der Großteil der Bundesligisten setzt sich das Ziel, in den nächsten drei Jahren mit ihrem E-Sport-Engagement Geld zu verdienen. Um nachhaltig erfolgreich im E-Sport zu sein, müssen Bundesligisten Kreativität beweisen und weitere Umsatzströme aufbauen.