25 Oktober, 2018
Von Lars Hölzer. Multinationale Konzerne versuchen regelmäßig, den größtmöglichen Teil ihrer Gewinne in Niedrigsteuerländer zu verlagern. Das zeigt eine aktuelle Studie der Universität Berkeley, der Copenhagen Business School und des dänischen Finanzministeriums. Auf Basis ihrer Analysen kommen die Ökonomen zum Schluss, dass rund 40 Prozent der Gewinne in Länder mit niedrigen Steuersätzen gelangen, etwa mithilfe von konzerninternen Lizenzgebühren oder Verrechnungspreisen.
Für viele Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen ist es besonders einfach, Gewinne durch eine geschickte Standortwahl steueroptimal auf dem Globus zu verteilen, denn sie brauchen häufig keine physische Präsenz vor Ort, um Erlöse zu erzielen. Gerade für Industriestaaten stellt sich damit die Frage, ob und wie sie diese Erlöse besteuern können.
Im Rahmen ihres Aktionsplans gegen Base Erosion und Profit Shifting (BEPS), der 2015 auf den Weg gebracht wurde, hat die Industriestaatengemeinschaft OECD deshalb Digitalkonzerne in besonderem Maße in den Fokus genommen. Die BEPS-Maßnahmen sehen unter anderem vor, Betriebsstätten anders zu definieren und Verrechnungspreise in Einklang mit der Wertschöpfung zu bringen.
Die OECD-Mitgliedsstaaten haben auf dieser Basis bereits einige Neuregelungen angeschoben. Im März 2018 hat die OECD einen ersten Zwischenbericht zu Fortschritten und weiteren Herausforderungen im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung veröffentlicht, der im nächsten Jahr aktualisiert und 2020 finalisiert werden soll.
Einigen Finanzministern reicht das allerdings nicht. Sie wollen so schnell wie möglich weitere Maßnahmen anschieben, um sicherzustellen, dass Gewinne dort besteuert werden, wo sie erzielt werden. Nachdem unter anderem Frankreich, Österreich und Spanien entschlossenes Handeln gefordert hatten, hat die EU-Kommission im März dieses Jahres zwei konkrete Vorschläge präsentiert.
Der erste Vorschlag ist – als einfache, schnelle, aber nur vorübergehende Lösung – eine Digital Service Tax (DST), die Unternehmen mit einem weltweiten Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro betreffen soll – zumindest, wenn die steuerpflichtigen Erträge in der EU über der Grenze von 50 Millionen Euro liegen.
Der Steuersatz der DST von 3 Prozent wird auf die Gesamtbruttoerträge abzüglich Mehrwertsteuer und sonstiger ähnlicher Steuern berechnet. Der Richtlinienentwurf selbst enthält keine Regelungen zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung; es wird erwartet, dass die Mitgliedsstaaten es den Unternehmen ermöglichen, die entrichtete Digitalsteuer in ihrem Hoheitsgebiet als Kosten von der Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage abzuziehen, um die negativen Auswirkungen einer möglichen Doppelbesteuerung abzumildern. Die DST soll vor allem Unternehmen betreffen, die mit der Platzierung von Onlinewerbung, mit der Übermittlung von Daten und/oder als Plattformanbieter Umsätze erzielen. Die DST dürfte deshalb zahlreiche US-Internetkonzerne wie Google, Facebook, eBay oder AirBnB betreffen, aber auch aufstrebende europäische Digitalunternehmen wie Foodora, Zalando, Spotify oder ASOS.
Zugleich strebt die EU eine langfristige, umfassende Lösung an, die die DST irgendwann obsolet machen soll: Gemäß des Modified Authorized OECD Approach (AOA) und der Gewinnaufteilungsmethode sollen Gewinne ab 2020 einer „signifikanten digitalen Präsenz“ zugeordnet werden, als ob diese ein eigenständiges Unternehmen wäre.
Dies wird nach aktuellem Stand Unternehmen dann betreffen, wenn sie
Allerdings sind in diesem Zusammenhang noch viele Fragen offen: Wie genau definiert die EU „digitale Geschäftsmodelle“ und welche Unternehmen sind demnach betroffen? Was passiert, wenn die EU-Vorgaben im Widerspruch zu Doppelbesteuerungsabkommen stehen? Und was bedeutet das Vorhaben für die Handelsbeziehungen mit den USA und Asien?
Klar ist: Mit dem Richtlinienvorschlag verlässt die EU den Rahmen bisheriger internationaler Steuergrundsätze. Wir sehen die Gefahr, dass das Vorhaben, digitale Geschäftsmodelle zu besteuern, zu einer doppelten oder mehrfachen Besteuerung betroffener Unternehmen führen kann. Wichtig wäre ein koordiniertes Vorgehen auf globaler Ebene, wie es mit dem BEPS-Aktionsplan vorgesehen war.
„Für Verantwortliche in der Digitalbranche stellt sich angesichts der EU-Pläne die Frage, ob sie betroffen sind – und wenn ja, wie sie reagieren sollten. Zum heutigen Zeitpunkt ist eine belastbare Aussage hierzu noch nicht möglich, weil sich die Richtlinien noch in einem relativ frühen Entwurfsstadium befinden. Allerdings sollte die weitere Entwicklung genau verfolgt werden, um rechtzeitig reagieren zu können.“