25 Oktober, 2018
Von Frederic Albrecht. Unter dem Umsatz für Internetvideos sind private Konsumausgaben für non-lineare Bewegtbildinhalte zu verstehen, die dem Kunden kostenpflichtig auf Abruf im Netz zur Verfügung stehen und die über Smart-TV oder andere internetfähige Endgeräte konsumiert werden können. Die Video-on-Demand (VoD)-Anbieter haben verschiedene Geschäftsmodelle: Beim Subscription-VoD (S-VoD) schließt der Kunde ein Abonnement ab und kann gegen eine monatliche Gebühr unbegrenzt die angebotenen Filme und Serien abrufen. Transactional-Video-on-Demand (T-VoD) bedeutet, dass die Inhalte als kostenpflichtiger Einzelabruf entweder zum Verleih oder Verkauf (Electronic Sell-Through) zur Verfügung stehen.
Videoclips, Serien und Filme auf Abruf anzuschauen gehört heute für viele Menschen in Deutschland bereits zum Medienalltag. Das Angebot an Video-on-Demand (VoD) wird dabei over the top (OTT), also über das Internet verbreitet. Laut Digitalisierungsbericht 2017 der Landesmedienanstalten nutzen in der Altersklasse von 14 bis 29 Jahren bereits mehr Konsumenten VoD als lineares Fernsehen. Über die gesamte deutsche Bevölkerung hinweg wird VoD zwar noch deutlich weniger genutzt als lineares Fernsehen, aber das Nutzungsverhalten der jüngeren Generation zeigt klar den Trend von linearen zu non-linearen Inhalten auf.
YouTube, die Mediatheken der TV-Sender und private VoD-Anbieter, allen voran Amazon und Netflix, spielen eine wichtige Rolle beim geänderten Nutzungsverhalten. Laut Digitalisierungsbericht 2017 ist YouTube mit 29,5 Prozent das meistgenutzte VoD-Angebot. Aber auch TV-Sender haben die Entwicklung in diesem Bereich nicht verpasst: Von den regelmäßigen VoD-Nutzern greifen 25,7 Prozent auf Mediatheken der öffentlich-rechtlichen und 15,4 Prozent auf die der privaten Sender zu. Unter den zahlungspflichtigen VoD-Anbietern hat Amazon mit Prime Video zurzeit mit 14,6 Prozent Nutzungsanteil die führende Position in Deutschland inne. Netflix besetzt mit 11 Prozent die zweite Position; mit Nutzungsanteilen von 3,7 Prozent für iTunes (Apple TV) und 3,3 Prozent für Maxdome liegen die nächstgrößeren Anbieter bereits sichtbar zurück.
Genutzte Videoangebote in 2017
Das ansteigende Nutzungsverhalten spiegelt sich auch in wachsenden Konsumentenausgaben für VoD wider: Im Jahr 2017 wurden für Internetvideos in Deutschland 866 Millionen Euro von den Konsumenten ausgegeben. Dies entspricht einem Wachstum von 13,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Erlöse des Transactional-VoD (T-VoD) sind im Jahr 2017 um 8,9 Prozent gestiegen und erreichten ein Volumen von 334 Millionen Euro. Die Erlöse des Subscription-VoD (S-VoD) erzielten mit einem Plus von 16,6 Prozent und einem Umsatz von 532 Millionen Euro das größere Wachstum der beiden Segmente.
Das Wachstum, insbesondere im S-VoD Bereich, ist dabei nicht nur auf eine stetig steigende Nutzerzahl, sondern auch auf Preissteigerungen der beiden Marktführer, Amazon und Netflix, zurückzuführen. Amazon hat im Februar 2017 den Grundpreis für ein Prime-Jahresabo von 49 Euro auf 69 Euro erhöht. Alternativ können Nutzer ein monatlich kündbares Abo ab 7,99 Euro erwerben. Im Oktober wiederum hat Netflix sein Standard-Abo um einen Euro auf monatlich 10,99 Euro und sein Premium-Abo um zwei Euro auf monatlich 13,99 Euro erhöht. Das Basispaket ist ebenfalls ab 7,99 Euro pro Monat verfügbar.
Drei aus unserer Sicht wichtige Trends sind die zunehmende Differenzierung der VoD-Anbieter durch Eigenproduktionen, die zunehmende Verschiebung hin zum Internetstreaming im Sportkonsum und die intensive und grenzenlose Nutzung von Internetvideos über alle Endgeräte hinweg.
Eigenproduktionen gewinnen als Differenzierungsmerkmal für den angebotenen Content unter VoD-Anbietern zunehmend an Bedeutung. Der aktuelle Trend geht dabei zu einer Angebotsfokussierung, das heißt, die Zahl der auf den Plattformen angebotenen Filme und Serien wird reduziert und stattdessen werden aufwendige Eigenproduktionen vermarktet. Die exklusiven Titel sollen dabei möglichst maßgeschneidert die Interessen und die steigende Nachfrage des Zielpublikums treffen, insbesondere im Bereich der Serienunterhaltung.
Darüber hinaus sehen große Medienunternehmen VoD-Anbieter inzwischen verstärkt als Wettbewerber und nicht mehr nur als Distributionsplattform. Aus diesem Grund sind sie in der Vergabe von Austragungsrechten vorsichtiger geworden und beenden teilweise sogar bestehende Kooperationen. Für Aufsehen hat die Ankündigung von Disney gesorgt, den Exklusivvertrag mit Netflix zu kündigen und ab Sommer 2019 einen eigenen familienorientierten Streamingdienst anzubieten. Damit reduziert sich auch das externe Rechteangebot der großen VoD-Anbieter, sodass Eigenproduktionen strategisch noch relevanter werden.
Mit ihren Eigenproduktionen konnten sich insbesondere Amazon und Netflix bereits von einer Distributionsplattform hin zu einer Contentmarke mit hohem Bekanntheitsgrad entwickeln. Neben den beliebten US-amerikanischen Serien werden mittlerweile auch lokale Serien produziert. Im März 2017 zeigte Amazon mit der ersten Staffel der Serie You are wanted von und mit Matthias Schweighöfer seine erste deutsche Eigenproduktion; im Mai 2018 wurde bereits die zweite Staffel veröffentlicht. Die erste von Netflix in Deutschland entwickelte und produzierte Serie ist Dark, deren erste Staffel seit Dezember 2017 online abrufbar ist. Bereits kurz nach der Veröffentlichung wurde eine zweite Staffel angekündigt.
Die aufwendigen Eigenproduktionen und die intensive Vermarktung dieser Inhalte erhöhen grundsätzlich die Kosten der Anbieter. So hat Netflix geplant, 2018 circa 8 Milliarden US-Dollar in Eigenproduktionen zu investieren, damit bis Ende 2018 die Hälfte der Inhalte auf Netflix Eigenproduktionen sind. Durch diesen Trend befinden sich die Anbieter im Spannungsfeld zwischen dem Ziel, die Kundenbasis über eigenen Content auszubauen, und dem Bestreben, die durch die kostspieligen Eigenproduktionen notwendigen Preissteigerungen für die Endkunden moderat zu halten, um diese nicht an Konkurrenten zu verlieren. Es kann aber grundsätzlich damit gerechnet werden, dass die Preise für S-VoD durch Eigenproduktionen langfristig weiter steigen und sich die Konsumenten daran gewöhnen werden, für diesen Content entsprechend zu zahlen.
Im Markt für Sportübertragungen kommt es durch die VoD-Anbieter ebenfalls zu einer Veränderungsdynamik: Streaminganbieter entwickeln sich zu ernsthaften Konkurrenten der etablierten Anbieter im TV.
Wo früher Sky die Exklusivrechte für Sportübertragungen, insbesondere an der Fußballbundesliga und der Champions League, hielt, muss sich der Pay-TV-Anbieter seit der Saison 2017/2018 die Rechte für die Bundesliga mit Eurosport teilen. Über den Eurosport-Player werden 45 Partien der Bundesliga übertragen. Kunden müssen für einen Jahrespass 4,99 Euro pro Monat zahlen, ein Monatspass kostet 6,99 Euro. Auch Amazon überträgt seit der vergangenen Saison in Zusammenarbeit mit Eurosport diese 45 Bundesligaspiele live. Das Angebot kann zur Prime-Mitgliedschaft für zusätzlich 4,99 Euro im Monat hinzu gebucht werden und ist jederzeit kündbar.
Insbesondere der Streamingdienst DAZN hat seit Inbetriebnahme im Jahr 2016 kontinuierlich Lizenzen für führende Sportevents und -ligen ersteigert. Bereits zur Saison 2016/2017 hat DAZN die Exklusivrechte für die Premier League aus England erhalten – ein Angebot, das zuvor ebenfalls nur Sky im deutschen Markt ausstrahlte. Seit der vergangenen Saison werden Highlightclips der Bundesliga 40 Minuten nach Abpfiff der Spiele angeboten und ab der Saison 2018/2019 besitzt DAZN auch die Rechte an einem Teil der Champions-League-Spiele in Deutschland. Das monatlich kündbare Abo bei DAZN hat einen Preis von 9,99 Euro und bisher gibt es keine Ankündigung einer Preiserhöhung. Aufgrund des starken Ausbaus der Rechte ist jedoch mittelfristig mit einem Preisanstieg zu rechnen, der sich in höheren Konsumentenausgaben für S-VoD-Angebote niederschlagen wird.
Die Nutzung von VoD-Angeboten hat sich im letzten Jahr weiter intensiviert. Laut Digitalisierungsbericht 2017 nutzen mittlerweile rund 30 Prozent der Personen ab 14 Jahren mindestens einmal in der Woche OTT-Inhalte, was einen Anstieg von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Immerhin 23 Prozent der Bevölkerung in Deutschland und damit rund 16 Millionen Menschen nutzen OTT-Angebote bereits mehrmals wöchentlich. Diese Gruppe der Intensivnutzer ist mit 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr am stärksten gewachsen. Diese Entwicklung wird durch eine größere Benutzerfreundlichkeit der Angebote begünstigt, zum Beispiel durch die größere Verfügbarkeit und die verbesserte Qualität der Videos auf verschiedenen Endgeräten wie Tablets und Smartphones. Auch die Einführung des Offlinemodus von Amazon 2015 und Netflix 2016, der es den Nutzern ermöglicht, Inhalte per Internetverbindung herunterzuladen und zu einem späteren Zeitpunkt offline zu schauen, trägt wesentlich zu dieser Entwicklung bei.
Für 2018 erwarten wir, dass die Konsumentenausgaben für VoD-Angebote in Deutschland auf 965 Millionen Euro und damit um 11,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen. Auch darüber hinaus prognostizieren wir positive Wachstumsaussichten für den Internetvideomarkt. Die Konsumentenausgaben für VoD werden voraussichtlich von 2018 bis Ende 2022 um durchschnittlich 9,8 Prozent pro Jahr steigen.
Umsatzentwicklung des Internetvideomarktes
Das größte Wachstum wird im S-VoD-Segment erwartet. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate für S-VoD wird für den betrachteten Zeitraum mit 12,1 Prozent prognostiziert. Mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 5,7 Prozent für den Prognosezeitraum wird auch im T-VoD-Segment ein positives Wachstum erwartet. Damit wird das S-VoD-Segment erwartungsgemäß aufgrund des anhaltenden Trends hin zu Subscription-Modellen und erwarteten Preissteigerungen in diesem Bereich weiterhin stärker wachsen als das T-VoD-Segment.
Bis 2022 wird für den gesamten VoD-Markt ein Volumen von rund 1,4 Milliarden Euro prognostiziert. Diese Entwicklung wird durch den anhaltenden Wandel des Nutzerverhaltens hin zu OTT-Angeboten und die zunehmende Gewöhnung der Konsumenten an bezahlpflichtigen Content befördert.
Die detaillierten Zahlen des German Entertainment & Media Outlook 2018 - 2022 finden Sie hier.