25 Oktober, 2018
Von Dr. Michael Kramer. Zum deutschen TV-Werbemarkt zählen alle Werbeerlöse aus linearer und Online-TV-Werbung, die von deutschen TV-Unternehmen auf sendereigenen Plattformen generiert wurden. Im Rahmen der Analyse werden die Entwicklung und das Wachstum linearer und Online-TV-Werbung sowie Trends wie Programmatic Advertising und Smart-TV und deren Einfluss auf den TV-Werbemarkt detailliert betrachtet.
Auch im Jahr 2017 konnte der deutsche TV-Werbemarkt positive, jedoch schwächere Wachstumsraten als in den Vorjahren erzielen. Der Wettbewerb um Werbekunden wurde in den vergangenen Jahren durch kostenlose Onlinevideoanbieter, wie beispielsweise YouTube, intensiviert. Zudem bieten zuschauerdatenbasierte Analysen sowohl im Onlinevideo- als auch im TV-Markt die Möglichkeit, Werbebotschaften immer individualisierter auszusteuern. Der hier untersuchte TV-Werbemarkt umfasst alle von deutschen TV-Unternehmen generierten Werbeerlöse, einschließlich linearer (Werbeerlöse öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, kostenfreier privater TV-Sender und Pay-TV-Kanäle) und Online-TV-Werbung (Werbeerlöse aus Werbeeinblendungen [In-Stream-Ads] vor, während oder nach Onlinevideos). Im Jahr 2017 beliefen sich die Erlöse des deutschen TV-Werbemarktes auf rund 5,1 Milliarden Euro (131,40 Euro pro Fernsehhaushalt), was einem Wachstum von 2,3 Prozent gegenüber 2016 entspricht. Seit 2014 wurden die Erlöse durchschnittlich um 4,1 Prozent pro Jahr gesteigert. Mit einem Anteil von 90,5 Prozent an den Gesamterlösen dominiert die lineare TV-Werbung weiterhin den TV-Werbemarkt, die Online-TV-Werbung gewinnt jedoch an Marktanteil dazu (2013: 4,6 Prozent, 2017: 9,5 Prozent).
Linearer TV-Werbemarkt
Lineares Fernsehen ist für die meisten Zuschauer immer noch das relevanteste Medium, jedoch konnte das durchschnittliche Wachstum von 2014 bis 2017 (2,7 Prozent) im Jahr 2017 nicht erreicht werden. Der Umsatz wuchs 2017 um 0,7 Prozent auf 4,6 Milliarden Euro. Die Umsatzentwicklung verlief für ein Jahr ohne sportliche oder sonstige Großereignisse jedoch typisch. Zudem schwächte sich der gesamte europäische Werbemarkt in der Mitte des Jahres ab, wenngleich im vierten Quartal 2017 wieder deutliche Wachstumsraten zu verzeichnen waren.
Nach einer Analyse der AGF Videoforschung schauten 70,6 Prozent der Gesamtbevölkerung mit TV-Gerät an einem durchschnittlichen Wochentag Inhalte im linearen TV an. Der Consumer Barometer von Google untersuchte darüber hinaus, auf welchem Medium sowohl lineare als auch Online-TV-Inhalte konsumiert werden, und kam zu dem Ergebnis, dass mit 92 Prozent (Mehrfachnennungen waren möglich) der Großteil der Personen, die im vorangegangenen Monat Inhalte angeschaut hatten, dies linear auf einem regulären TV-Gerät getan hatten.
Online-TV-Werbemarkt
Mit einem Anstieg um 21,1 Prozent (Vorjahr: 23,8 Prozent) stellt der Markt für Online-TV-Werbung nach wie vor den Bereich mit den höchsten Wachstumsraten dar (Wachstum 2014 bis 2017: durchschnittlich 24,5 Prozent pro Jahr). 2017 wurden 480 Millionen Euro erwirtschaftet. Die Gesellschaft für Unterhaltungselektronik (gfu) gibt an, dass bereits rund 42 Prozent der deutschen TV-Haushalte ein internetfähiges TV-Gerät besitzen, von denen rund 88 Prozent tatsächlich mit dem Internet verbunden sind.
Die durchschnittliche Anzahl von In-Stream-Ads je Video ist von 1,7 im Jahr 2013 auf 2,3 im Jahr 2017 gestiegen, während die Cost-per-Mille-Rate (CPM-Rate) für Online-TV-Werbung von 26 Euro (2013) um 19,2 Prozent auf 21 Euro (2017) gesunken ist. Der vergleichsweise hohe Wert (im linearen TV rund 18 Euro) ist auf die längere Dauer der Online-TV-Videos im Vergleich zu Onlinevideos auf kostenfreien Plattformen und die damit einhergehende Bereitschaft der Zuschauer, längere In-Stream-Ads anzuschauen, zurückzuführen. 2017 wurden rund 319 Millionen Internetvideos linearer TV-Sender angesehen (das entspricht einem Wachstum von durchschnittlich 13,3 Prozent pro Jahr seit 2014). Das geringere Wachstum der gesehenen Videos auf Onlineplattformen von TV-Unternehmen im Vergleich zum Umsatz im Online-TV-Werbemarkt bedeutet, dass im Durchschnitt mehr Umsatz je Online-TV-Video erzielt wurde.
Trends, die wir bereits in den letzten Jahren beobachten konnten, setzten sich auch 2017 fort bzw. verstärkten sich. Neue Technologien und die steigende Komplexität der Medien bieten dem TV-Werbemarkt sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Digitale Kanäle werden weiterhin signifikant wachsen und sich im Alltag etablieren, Werbeinhalte können immer zielgerichteter platziert werden. Es wird erwartet, dass es zukünftig kaum eine Unterscheidung mehr zwischen linearen und mobilen Kanälen sowie dem Onlinebereich geben wird. Werbung funktioniert zunehmend geräte- und kanalübergreifend.
Programmatic Advertising nutzt Interessen von Konsumenten, um personalisierte Werbung zu schalten und gewünschte Zielgruppen plattformunabhängig zu erreichen. Hierbei kann jeder einzelne Zuschauer individuell mit Werbung angesteuert werden. Mit der zuvor beschriebenen Zunahme von Online-TV-Werbung geht ein Wandel zu personalisierter, datenbasierter Werbung einher. Ermöglicht wird dies durch die zunehmende Verbreitung internetfähiger Smart-TV-Geräte. Laut einer gfu-Studie aus dem Jahr 2017 ist der Zugriff auf TV-Mediatheken (60 Prozent der Smart-TV-Besitzer) dabei die beliebteste Funktion, gefolgt von der Video-on-Demand-Nutzung (56 Prozent). Außerdem gaben 59 Prozent der 16- bis 39-Jährigen an, mehr Zeit vor dem Fernseher zu verbringen als früher, da sie häufiger passende Sendungen finden. Werbetreibende lernen zunehmend mithilfe intelligenter Algorithmen aus den Interaktionen mit Empfängern der Werbung, wie sie relevante Werbeinhalte liefern können.
Hinter Addressable TV (ATV) steckt eine Kombination aus digitaler, zielgruppenorientierter Vermarktung und hoher Reichweite des linearen TV. Im Gegensatz zu Programmatic Advertising sehen bei ATV mehrere Zuschauer innerhalb des Programms zur selben Zeit die gleiche Werbung. ATV setzt auf die Digitalisierung linearer Werbung. Zuschauer können mit ihrem am Internet aktiv angeschlossenen Fernseher anonym, aber individualisiert mit Sonderwerbeformen angesprochen werden. So kann Fernsehwerbung erstmals begrenzt auf Regionen, Bundesländer, Städte oder sogar auf Postleitzahlbasis ausgestrahlt werden. Ein Vorteil, der besonders für regionale Händlerkampagnen und Marken mit begrenzten Einzugsgebieten interessant ist. Via ATV können außerdem gezielt Haushalte angesprochen werden, die einen TV-Spot bereits gesehen haben. Die Spot-Wirkung wird durch die zeitnahe Wiederholung der Botschaft verstärkt, interaktiv ergänzt oder mit weiteren Infos, wie beispielsweise Einkaufsmöglichkeiten, aufgewertet. Die Entwicklung des Marktes für lineare TV-Werbung in Deutschland zeigt, dass Werbetreibende nicht auf das Medium TV verzichten können.
Als Social TV wird die Parallelnutzung sozialer Medien und linearer TV-Inhalte bezeichnet: Konsumenten betrachten Inhalte gleichzeitig im gewöhnlichen Fernsehen und auf einem internetbasierten Endgerät (Second-Screen-Nutzung), wie beispielsweise einem Smartphone oder Tablet. Die Second-Screen-Nutzung während des linearen TV-Konsums wird immer beliebter, Millionen von Menschen teilen ihre TV-Erfahrung mit anderen über soziale Netzwerke wie Twitter oder Facebook. Über die Erwähnung bestimmter Schlagworte und die Onlineprofile der Nutzer gelangen Werbetreibende an detaillierte Informationen über die Interessen der Nutzer und können so ihre Werbeinhalte zielgerichteter platzieren, wie beispielsweise bei ATV. Zusätzlich wird Werbung durch das Schalten gleicher Werbebotschaften auf verschiedenen Kanälen skalierbar.
Der TV-Werbemarkt in Deutschland zeigt nach wie vor ein solides Wachstum. Basierend auf aktuellen Marktgegebenheiten sowie den zuvor dargelegten Trends kommen wir zu der Prognose, dass der gesamte TV-Werbemarkt um durchschnittlich 1,8 Prozent jährlich von 5,1 Milliarden Euro im Jahr 2017 auf 5,5 Milliarden Euro 2022 bei nahezu stagnierender Anzahl der TV-Haushalte anwächst.
Umsatzentwicklung des TV-Werbemarktes
Lineare TV-Werbung wird in Deutschland aufgrund der enormen Reichweite sowie neuer Möglichkeiten der zielgerichteten Vermittlung der Werbeinhalte ihre Spitzenposition behaupten können. Trotz leicht sinkender Reichweite, was sich beispielsweise durch den sinkenden Anteil der Zuschauer an der Gesamtbevölkerung mit TV-Gerät an einem durchschnittlichen Wochentag bemerkbar macht, sowie stagnierender Anzahl an TV-Haushalten erwarten wir, dass der lineare TV-Werbemarkt in den kommenden Jahren weiter wachsen wird, wenn auch schwächer als in vorherigen Jahren.
TV-Werbung hat auf das Suchvolumen von Marken, also die Anzahl von Suchanfragen im Internet, einen höheren Einfluss als alle anderen Werbemedien.
So werden laut einer Analyse der Screenforce Gattungsmarketing GmbH mit der Dentsu Aegis Resulutions GmbH rund 20 Prozent des Suchvolumens durch TV-Werbung generiert. Werbetreibende setzen demnach nicht nur aufgrund der Reichweite auf lineare TV-Werbung, sondern zusätzlich aufgrund der Sekundärwirkung im Internet. Auch Zenithmedia prognostiziert ein abgeflachtes, jedoch weiterhin positives Wachstum für TV-Werbung bis zum Jahr 2020. Die vorhergesagte moderate Steigerung des Wachstums im Jahr 2018 ist vor allem auf eine leichte Erholung nach dem vergleichsweise schlechten Werbejahr 2017, zurückzuführen (1,2 Prozent Wachstum in 2018 im Vergleich zu 0,7 Prozent in 2017).
Wir prognostizieren, dass die linearen Werbeerlöse jährlich um durchschnittlich 1,1 Prozent von 4,6 Milliarden Euro 2017 auf 4,8 Milliarden Euro 2022 anwachsen werden. Das Wachstum wird sich im Vergleich zu den Jahren 2014 bis 2017 (mit einem durchschnittlichen Wachstum von 2,7 Prozent) verlangsamen, trotzdem wird die lineare TV-Werbung die größte Umsatzquelle von privatwirtschaftlichen TV-Unternehmen bleiben.
Der stetig wachsende Online-TV-Werbemarkt wird sich in den kommenden Jahren weiter sowohl als Ergänzung als auch als Konkurrenz zum linearen TV-Werbemarkt etablieren. Das signifikante Wachstum der Jahre 2014 bis 2017 (jährliche Wachstumsrate von 24,5 Prozent) wird sich in den kommenden Jahren etwas abschwächen, sodass im Prognosezeitraum von 2018 bis 2022 ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 7,7 Prozent erwartet wird. Dies entspricht einem Umsatz von 695 Millionen Euro im Jahr 2022 (12,3 Prozent des gesamten TV-Werbemarktes). Das schwächere Wachstum begründet sich unter anderem durch die zu erwartende Marktsättigung, den Wettbewerb durch Streaming-Anbieter sowie sinkende CPM-Raten.
Es wird erwartet, dass die CPM-Raten aufgrund des großen Angebots auf Onlineplattformen von durchschnittlich 21 Euro 2017 auf 17 Euro im Jahr 2022 sinken.
Werbetreibende verschieben jedoch weiterhin Werbebudgets in den Onlinebereich, um insbesondere eine jüngere Zielgruppe auf mehreren Endgeräten gleichzeitig zu erreichen. Während die Anzahl der TV-Haushalte stagniert, steigt die Zahl der Online-TV-Zuschauer bis 2022 auf 70,6 Millionen. Folglich werden 2022 rund 88 Prozent der Gesamtbevölkerung über Online-TV erreichbar sein. Die Anzahl der angesehenen Onlinevideos auf TV-Plattformen wächst durch Trends wie Social TV von rund 319 Millionen 2017 jährlich um durchschnittlich 8,2 Prozent auf 473 Millionen im Jahr 2022. Dies begünstigt wiederum Programmatic Advertising. Als Herausforderung für den Markt der Online-TV-Werbung könnte sich jedoch die aktuell diskutierte ePrivacy-Verordnung der EU erweisen. Hier müssen noch entsprechende Lösungen gefunden werden, die dafür sorgen, dass eine auf Nutzerdaten basierende Aussteuerung von Werbung, wie beispielsweise bei ATV, auch in Zukunft möglich sein wird.
Die detaillierten Zahlen des German Entertainment & Media Outlook 2018 - 2022 finden Sie hier.